Anwältin – erfolgreich mit Kindern

Wie­viel Mutter darf es sein?

Interview von Tanja PodolskiLesedauer: 5 Minuten

Können Anwältinnen beides haben: Kinder und Erfolg? Durchaus, nur müssen sie den Erfolg neu definieren, meint Cornelia Oster. Und sie müssen sich gut organisieren. Wie es gehen kann, erzählt die Juristin im Interview.

LTO: Frau Oster, Sie Fachanwältin für Arbeits -und Sozialrecht, führen eine eigene Kanzlei mit ca. 20 Mitarbeitenden – und Sie sind Mutter von zwei Schulkindern. Sind Sie erfolgreich?

Cornelia Oster: Die üblichen Definitionen und Vorstellungen von Erfolg muss man als arbeitende Mutter neu fassen. Eine Mutter ist für mich dann erfolgreich, wenn sie den Alltag meistert. Es ist nicht wichtig, dass vor der Tür zwei Ferraris stehen, sondern dass die Kinder gesund sind. Denn meiner Meinung nach haben die Kinder Priorität. Dann erst folgen die Arbeit und die Kanzlei - und zwar unabhängig davon, ob die Frau angestellt ist oder selbstständig. Das lebe ich selbst so und ermögliche es auch meinen Angestellten.

Die Einstellung, dass die Kinder an erster Stelle stehen, mag für Selbstständige funktionieren. Aber müssen Kollegen und Vorgesetzte das mittragen?

Vermutlich nicht. Viele Arbeitgeber denken ohnehin immer noch, wer ein Kind hat, wolle nicht mehr wirklich arbeiten. Kollegen mögen – gerade, wenn Eltern wegen der Kinder bei der Arbeit ausfallen - den Eindruck haben, sie müssten die Arbeit der Kollegin mitmachen. Auch in der Selbstständigkeit wird man häufig nicht mehr für voll genommen, denn die Anwältin ist ja eine Mutti. 

Eine Mutter – nicht alle, aber viele – ist ohnehin einem permanenten schlechten Gewissen ausgesetzt. Sie möchte bei den Kindern sein und hat doch noch viel in der Kanzlei zu erledigen. Diesen Spagat hinzubekommen, das ist die Kunst: Das schlechte Gewissen abzulegen und jeweils dort ganz zu sein, wo sie gerade ist – sei es bei der Arbeit oder bei den Kindern. Auch das gilt erst mal für Selbstständige wie für Angestellte.

Anzeige

Zerrissenheit aushalten

Dieses Ideal bewahrt mich als Mutter allerdings noch nicht davor, mich immer wieder komplett zerrissen zu fühlen. Wenn ein Kind 40 Grad Fieber hat oder von der Schule ein Besprechungstermin angesetzt wurde, weil ein Kind etwas angestellt hat, ich aber Fristsachen in die Kanzlei bearbeiten muss - das sind Momente, in denen ich die Zerrissenheit nicht auflösen, sondern nur aushalten kann. Klar hilft es, wenn der Ehemann den Besprechungstermin in der Schule übernimmt. Mütter lernen, zu delegieren.

Entscheidungen, die zu treffen sind, müssen Mütter mit sich ausmachen, nicht mit Kollegen oder dem Chef. Mütter müssen sich frei machen von den Wertvorstellungen der Umwelt, und ihren eigenen folgen. Eine Mutter darf ihre Kinder an erste Stelle setzen und um sie herum alles andere organisieren. 

Nichts geht ohne Backup

Wie lösen Sie diese Zerrissenheit in Ihrem Alltag auf?

Praktisch zu lösen ist das nur über Backups: Ich habe in der ersten Schwangerschaft den ersten Anwalt angestellt, inzwischen habe ich fünf angestellte Anwälte und insgesamt 20 Mitarbeitende Wenn ich nicht kann, machen sie – und das funktioniert. Ich kann mich auf mein Team voll verlassen.  Im Angestelltenverhältnis müssen mal Kollegen einspringen, aber das macht eine Mutter umgekehrt ja auch. 

Das Backup muss aus mehreren Säulen bestehen: Die Betreuung in Kindergarten oder Schule, dann die Großeltern plus Freunde und Nachbarn für den Notfall. Der Partner ist nicht das Backup der Mutter, der gehört zum "wir", das gemeinsam ein Sicherheitsnetz braucht. Ansonsten nimmt die Frau den Partner von vorneherein aus der Verantwortung und dann würde die Selbstständigkeit – zumindest für mich - nicht funktionieren. 

Wir haben zudem ein Au Pair, das 30 Stunden die Woche arbeitet, das kostet uns rund 500 Euro im Monat. Für unsere Familie ist das eine passende Lösung.

Das klingt nach viel Backup und viel Organisation – wie empfehlenswert ist die Selbstständigkeit für eine Mutter?

Für die Selbstständigkeit sprechen natürlich die Eigenverantwortlichkeit und Freiheit. Das Kontra ist die große Verantwortung mit Kostenlast und Mitarbeiterführung. 

In meiner Aufstellung wäre die Liste der Punkte, die für eine Anstellung sprechen, deutlich länger, allein schon durch die vielen Schutzgesetze für Angestellte: das Mutterschutzgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Elterngeldgesetz, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Entgeltfortzahlungsgesetz, Kündigungsschutzgesetz. Gegen eine Anstellung ist mir kein Argument eingefallen. 

Schwierig könnten wohl nur die lediglich zehn Tage sein, die man als angestellter Elternteil bei Krankheit des Kindes frei nehmen kann. Das funktioniert bei weitgehend gesunden Kindern bis zum Kindergarten, danach wird es häufig schwierig. 

So viel Flexibilität wie nötig

Abgesehen von Kollegen, die unzufrieden sind, wenn die Mutter wegen Krankheit der Kinder ausfällt: Eine Mutter, vielleicht insbesondere eine, die zwei Staatsexamina abgelegt hat, möchte doch signalisieren: Ich bin da, ich möchte arbeiten und gerade nicht als "die Mutti" dastehen…

Wir reden hier von Volljuristinnen, also hochqualifizierten Frauen. Die fallen zum einen in der Praxis nur ganz temporär aus, zum anderen kann es sich die Gesellschaft doch gar nicht erlauben, diese Qualifikationen zu verlieren. Also muss ich mich fragen: Wie kann ich die Mitarbeiterin unterstützen?

Meine Mitarbeiterinnen bekommen so viel Flexibilität, wie sie brauchen. Denn alles, was ich nicht selbst machen muss, ist für mich erst mal eine Entlastung. Sie mögen mir eine Zeitlang weniger zur Verfügung stehen als vor der Mutterschaft, aber sie bleiben mir als Mensch erhalten. Was will ich denn mehr? 

Wenn ich diese Einstellung habe und wahrnehme, dass die Frau weiterarbeiten möchte, dann stellen sich viele Fragen gar nicht und es gibt keinen Grund für Ärger. Dann steht eine für die andere ein und keine muss besondere Signale setzen, wie bereit sie für Karriere ist. Das machen Mütter doch allein schon dadurch, dass sie weiter berufstätig sind.

Dennoch verstehe ich die Frauen, die das Gefühl haben, mehr machen zu müssen und nach der Geburt schnell wieder parat stehen wollen. Ich selbst war am Mittwoch -mit Kind- wieder im Büro, nachdem es am Freitag zur Welt gekommen war.

An die richtige Steuerklasse denken

Welche Tipps haben Sie für berufstätige Frauen mit Kinderwunsch?

Ganz praktisch: Schon bei einem Kinderwunsch sollten die Frauen ihre Steuerklasse ändern. Denn das Bundeselterngeld berücksichtigt den Einkommenszufluss der Frau im Jahr vor der Geburt. Die beim Ehegattensplitting übliche Regelung, dass der Mann die Steuerklasse 3 und die Frau Klasse 5 hat, sollten sie also für ein Jahr tauschen, weil damit die Liquidität der Frau erhöht ist. Insgesamt entstehen dadurch keine finanziellen Verluste für das Paar, weil mit der Einkommenssteuererklärung alles ausgeglichen wird.

Ganz wichtig ist natürlich, frühzeitig die Kinderbetreuung zu organisieren und eventuell noch laufende Fachanwaltsfortbildungen abzuschließen. Die Frau weiß nie, wie die Schwangerschaft verläuft und hat für den Abschluss nur das Zeitfenster eines Jahres. 

Den Frauen im Angestelltenverhältnis würde ich zudem sagen: Nutzt die Vorteile, die Ihr habt, angefangen mit dem Mutterschutzgesetz. Die Frau darf bis zur Geburt arbeiten, davon rate ich aber dringend ab. Die Frau kann sich durchaus Zeit vor der Geburt für sich nehmen. Die Phase danach wird noch anstrengend genug. 

Frau Oster, vielen Dank für das Gespräch. 

Cornelia Oster ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und für Sozialrecht sowie Inhaberin der Rechtsanwaltskanzlei Breiter in Wiesloch in Baden-Württemberg. Beim Deutschen Anwaltstag war sie Referentin zum Thema "Anwältin – erfolgreich trotz Kindern".

Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.

Thema:

Anwaltsberuf

Verwandte Themen:
  • Anwaltsberuf
  • Beruf
  • Kinder
  • Kinderbetreuung
  • Familie
  • Karriere

Teilen

Ähnliche Artikel

Newsletter