Outsourcing von Rechercheaufträgen

Arbeitshilfe auf Abruf

von Julia RuweLesedauer: 5 Minuten
Seit jeher delegieren Anwälte einen Teil ihrer Aufgaben gern an wissenschaftliche Mitarbeiter oder Referendare. Die müssen sie sich inzwischen allerdings gar nicht mehr ins Haus holen: Über ein Onlineportal kann die Arbeitshilfe eingekauft werden, zu Stundenpreisen um die 20 Euro. Noch wird das Angebot nur zaghaft genutzt. Doch das könnte sich ändern.

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Als die beiden Bremer Jurastudenten Marco Klock, 26, und Philipp Harsleben, 24, als studentische Mitarbeiter in einer Kanzlei anfingen, stellten sie bald fest, dass sie nicht unbedingt vor Ort im Büro sein mussten, um ihre Aufträge zu erledigen. Ihr Chef rief sie an und ließ sie recherchieren, was er gerade an Informationen benötigte. Die fertigen Vermerke mailten sie ihm dann einfach zu. Daraus entwickelte sich Anfang 2013 die erste eigene Homepage der beiden Gründer, über die sie ihre Arbeitskraft anboten und Aufträge von Anwälten aus ganz Deutschland entgegennahmen. Mittlerweile ist daraus die Plattform edicted.de entstanden, auf der derzeit Unterstützung bei der Recherche von Rechtsfragen, beim Verfassen von Schriftsätzen oder bei Blogeinträgen eingekauft werden kann. Die Idee: Der Anwalt begegnet bei seiner Arbeit einem bestimmten Problem. Entweder ist die Recherche nicht über die üblichen Quellen der Kanzlei möglich oder er könnte seine Zeit sinnvoller nutzen. Über die Homepage von edicted. stellt er seine Frage als Auftrag online. Registrierte Referendare und Studenten nehmen den Auftrag an und erstellen einen entsprechenden Vermerk, den sie dem Anwalt dann per Mail zusenden. Den typischen edicted.-Nutzer gebe es nicht, so Klock: "Interessanterweise findet sich unter unseren bisher etwa 100 registrierten Volljuristen praktisch keine Kanzlei, die nicht wenigstens aus einer mittelgroßen Stadt kommt. Wir vermuten, dass unser Konzept vor allem bei jüngeren, technik-affinen Anwälten Anklang findet. Neben kleinen und mittelständischen Kanzleien möchten wir nun aber zunehmend auch größere Büros ansprechen."

Training für junge Juristen

Frank Johnigk, einer der Geschäftsführer der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und Experte für anwaltliches Berufsrecht, kann sich gut vorstellen, dass nicht nur die Kanzleien, sondern auch die Bearbeiter von edicted. profitieren können: "Ohne Frage sind derartige Rechercheaufgaben eine gute Übung für Studenten und Rechtsreferendare, sowohl im Hinblick auf die Examina als auch auf ihren zukünftigen Berufsalltag." Leander Dubbert, 27, studiert im zehnten Semester Jura und ist einer der Studenten, die über edicted. Kanzlei-Aufträge bearbeiten: "Ich hatte Lust, Geld mit dem Können zu verdienen, das mir mein Studium bisher schon vermittelt hat, und gleichzeitig meine Fähigkeiten praxisbezogen auszubauen. Bevor man loslegen kann, stellt edicted. Probeaufträge, die man bearbeiten muss. Außerdem informieren Online-Seminare darüber, was man bei den einzelnen Auftragstypen zu beachten hat." Die Belohnung erfolgt auf zweifachem Wege: Pro investierter Stunde erhalten die Bearbeiter zehn bis fünfzehn Euro, je nach Schwierigkeitsgrad des Auftrags. Darüber hinaus werden ihnen Punkte gut geschrieben, die sie im virtuellen "Kiosk" von edicted. gegen Amazon- oder Bestchoice-Gutscheine einlösen können. Sorgen, dass durch edicted. künftig Ausbildungsplätze bei den Kanzleien wegfallen könnten, halten Klock und Harsleben für unbegründet. "Wir glauben gerade nicht, dass durch uns Praktikanten- und Referendarstellen wegfallen, sondern, dass Kanzleien zu der Erkenntnis kommen, dass Praktikanten nicht nur Akten kopieren können. Unsere Vision ist, dass edicted. in Zukunft zum Karrierenetzwerk zwischen Kanzleien und jungen Juristen wird."

Outsourcing und anwaltliche Schweigepflicht

Neben Rechercheaufträgen kann man über edicted. auch ganze Schriftsätze in Auftrag geben. Nicht unproblematisch ist dabei aber die Frage, wie die anwaltliche Schweigepflicht mit dem Outsourcing der eigenen Arbeit vereint werden kann. Denn anders als bei Rechercheaufträgen oder dem Verfassen von Blogartikeln müssen für einen Schriftsatz umfangreiche Informationen über das Mandat, mitunter sogar ganze Akten an den Bearbeiter weitergeleitet werden. Deshalb sehen die Bedingungen von edicted. vor, dass jeder Auftragnehmer sich bereits bei seiner Registrierung zur konkludenten Abgabe einer Verschwiegenheitserklärung gegenüber den späteren Auftraggebern verpflichtet. "Wir sind mit studentischen Hilfskräften und Freelancern zu vergleichen, die für Kanzleien tätig sind. Auch, wenn durch edicted. kein direktes Angestelltenverhältnis begründet wird, trifft jeden, der in die Mandatsbearbeitung direkt einbezogen ist, die Pflicht zur Verschwiegenheit", sagen die beiden Gründer. Das Risiko, dass diese nicht eingehalten wird, und die Mandatsinformationen – absichtlich oder unabsichtlich – ins Internet gelangen, trägt freilich der Anwalt. Edicted. selbst ist nicht unmittelbar am Vertrag zwischen Sachbearbeiter und Auftraggeber beteiligt, sondern vermittelt diesen lediglich und stellt die Infrastruktur für die Abwicklung und den Support bereit. Im Fall der Fälle können jedoch nur die – wohl meist nicht besonders solventen – Sachbearbeiter auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.

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2/2: "Mit IT-Fachmann oder Steuerberater vergleichbar"

Harsleben sieht indes keinen Grund zur Beunruhigung: "Auch der externe IT-Fachmann oder der Steuerberater, den die Kanzlei einkauft, kommt mit sensiblen mandatsbezogenen Daten in Berührung. In modernen Kanzleien ist Outsourcing heute an der Tagesordnung. Dass der Anwalt über edicted. Dritte mit der Erstellung von Schriftsätzen betraut, ist durch die gängigen Beratungsverträge und die darin vereinbarten Verschwiegenheitsklauseln in aller Regel gedeckt." Ob man den Vergleich mit anderen Dienstleistern ziehen kann, ist jedoch unklar. Immerhin kommen diese in der Regel nicht unmittelbar mit sensiblen Mandatsinformationen in Berührung. Die Sachbearbeiter von edicted. müssen die Akten hingegen intensiv auswerten und die erlangten Informationen verarbeiten. BRAK-Geschäftsführer Frank Johnigk hat zu dieser Frage eine klare Haltung: "Bevor eine Kanzlei vertrauliche Kundendaten an Dritte weitergibt, wie es bei edicted. der Fall ist, muss sich der Mandant hiermit ausdrücklich einverstanden erklären. Andernfalls droht ein Verstoß gegen § 203 Strafgesetzbuch in Verbindung mit § 43a Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung." Auch von der berufsrechtlichen Dimension abgesehen ist Johnigk skeptisch: "Der Anwalt trägt immer die Letztverantwortung für seine Arbeit. Eine sachgerechte Kontrolle der Schriftsätze dürfte kaum weniger Zeit in Anspruch nehmen, als sie selbst anzufertigen."

Rechtsanwälte als Sachbearbeiter oder Kontrollinstanz

Harsleben und Klock sind mit dem Feedback, das sie in den letzten Wochen von ihren Kunden erhalten haben, zufrieden. Dabei habe sich unter anderem der Wunsch nach einer höheren Qualitätssicherung im Bearbeitungsprozess herauskristallisiert. Dr. Thomas Schulte, Partner einer Berliner Kanzlei und Kunde bei edicted. etwa, sagt: "Für mich machen Aufträge an edicted. nur Sinn, wenn auf der anderen Seite auch wirklich ein Experte sitzt." Darauf wollen die beiden Gründer eingehen: "Es scheint bei den Kanzleien doch ein großes Bedürfnis zu bestehen, dass Rechtsanwälte in die Bearbeitung ihrer Aufträge eingebunden sind. Unser nächster Schritt ist es deshalb, Anwälte sowohl als Bearbeiter als auch als Kontrollinstanz in den Bearbeitungsprozess einzubauen, die die Arbeit der Studenten und Referendare betreuen." Das allerdings bedeutet eine Änderung des Konzepts – und auch der Preise. Will der Kunde seinen Auftrag unmittelbar durch einen Anwalt bearbeiten lassen, schlägt dies mit 89,90 Euro pro Stunde zu Buche. Will er einen Referendar als Sachbearbeiter einsetzen, und einen Anwalt zur Qualitätskontrolle hinzubuchen, so bleibt es bei den Stundensätzen von 19,90 bzw. 89,90 Euro, wobei edicted. eine Stunde Qualitätskontrolle pro fünf Stunden des Referendars veranschlagt. Die Beauftragung wird dadurch spürbar kostspieliger, und letztlich wird es dem gewissenhaften Auftraggeber auch bei guter Vorarbeit nicht erspart bleiben, das Ergebnis noch einmal selbst zu prüfen. Ob edicted. sich dennoch mittelfristig am Markt wird etablieren können, ist ungewiss. Immerhin: Mit der Zergliederung des anwaltlichen Arbeitsprozesses in seine Einzelteile und der Auslagerung von Arbeitsschritten auf digitalem Wege passt das Angebot eigentlich genau in den Geist der Zeit. Julia Ruwe studiert Jura in Hamburg und arbeitet als freie Journalistin.

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