BGH zur Anwaltszulassung

Ver­bands­ju­rist taugt zum Advokat

von Martin W. HuffLesedauer: 4 Minuten
Wer Geschäftsführer eines Gemeinde- und Städtebunds ist, darf auch Rechtsanwalt werden. Der BGH kassiert damit die Ablehnung durch die Vorinstanz und bleibt seiner liberalen Linie treu. Warum die Richter in der Regel keine Unvereinbarkeit der Tätigkeiten zum Nachteil der Rechtssuchenden annehmen, erklärt Martin W. Huff.

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Syndikusanwälte sind nicht nur in Unternehmen tätig, sondern in einem ganz erheblichen Umfang auch in Verbänden und Vereinen. Gerade hier werden gerne Rechtsanwälte beschäftigt, weil Rechtsfragen Schwerpunkte dieser Tätigkeit sind, angefangen von der Gesetzgebung bis hin zur Rechtsberatung von Mitgliedern. Bisher hat die Rechtsprechung bei Geschäftsführern von eingetragenen Vereinen oder Verbänden diesbezüglich in der Regel keine Probleme gesehen - gerade dann, wenn es sich um einen Interessenverband handelt. Diese Linie hat jetzt der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in seinem Beschluss vom 21. März 2011 (Az. AnwZ (B) 33/10) bestätigt und die Voraussetzungen für die Unvereinbarkeit von Anwaltszulassung und Zweitberuf gerade im Hinblick auf § 7 Nr. 8 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) noch einmal betont. Die Karlsruher Richter hoben damit die anders lautende Entscheidung des Anwaltsgerichtshof (AGH) in Rheinland-Pfalz auf, der im konkreten Fall noch von einer Unvereinbarkeit ausgegangen war (Beschl. v. 03.03.2010, Az. 2 AGH 13/09).

Vorinstanz ging von Tätigkeit im öffentlichen Dienst aus

Das geschäftsführende Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebunds Rheinland-Pfalz (wie sich anhand der anonymisierten Entscheidungsgründen beider Instanzen rasch ermitteln ließ), einem eingetragenen Verein bestehend aus rund 2.000 Mitgliedern (unter anderem Kommunen) hatte seine Zulassung als Rechtsanwalt beantragt und die entsprechende arbeitsrechtliche Freistellungserklärung vorgelegt. Der Jurist war nach langen Jahren als Bürgermeister einer Stadt in Rheinland-Pfalz an die Spitze des Vereins gewechselt. Die örtlichen Rechtsanwaltskammer und der AGH lehnten die Zulassung ab: Der Antragsteller übe eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst aus, da der Gemeinde- und Städtebund eine "quasi öffentliche Funktion wie ein beliehener Unternehmer" erfülle. Zudem sei sein Arbeitsvertrag am öffentlichen Dienst angelehnt. Auch nehme er eine Aufgabe wahr, bei dem das rechtssuchende Publikum den Eindruck gewinnen kann, dass die Unabhängigkeit des Betreffenden durch Bindung an den Staat beeinträchtigt ist. Die sofortige Beschwerde zum Anwaltssenat des BGH hatte jetzt Erfolg. Die Richter verpflichteten die Anwaltskammer, über den Antrag aufgrund der Ansichten des Fachsenats neu zu entscheiden. Nach den deutlichen Entscheidungsgründen kann dies nur zu einer Zulassung führen.

BGH: Schon der Verband wird nicht hoheitlich tätig

Sehr kritisch gehen die Karlsruher Richter mit den Argumenten der Vorinstanz um. So hatte der AGH die Ablehnung der Zulassung damit begründet, dass die Tätigkeit für den Verband nicht mit dem Berufsbild des Anwalts in Einklang zu bringen ist. Bei dem Städte- und Gemeindebund handele es sich um eine Tätigkeit, die zu nah am öffentlichen Dienst ist. Zur Begründung hatte der AGH insbesondere auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. vom 30.06.2009, Az. 1 BvR 893/09) zum so genannten Juniorprofessor verwiesen. Die Verfassungsrichter hatten entschieden, dass die Tätigkeit eines verbeamteten Juniorprofessors, der tatsächlich hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, nicht mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist. Schwerpunkt der Argumentation der Kammerentscheidung mit dem Berichterstatter Reinhard Gaier war die konkrete Tätigkeit als Beamter im öffentlichen Dienst. Schon dieses Argument lässt der BGH nicht gelten. Zwar müsse die Tätigkeit eines Rechtsanwalts frei von staatlichen Einflüssen ausgeübt werden. Zudem dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, dass der Anwalt mit einer weiteren Beschäftigung mehr für seinen Mandanten erreiche könne als ein nicht in diesem Umfeld tätige Kollege, was etwa bei einer hoheitlichen Tätigkeit der Fall ist. Eine solche Tätigkeit übe der Verbandsgeschäftsführer im vorliegenden Fall allerdings nicht aus: Der Gemeinde- und Städtebund sei privatrechtlich organisiert und habe keine hoheitlichen Befugnisse. Die Tätigkeit des Antragstellers beschränke sich auf die Beratung, so die Richter. Dies gelte, wie für viele andere Verbände und Vereine, auch im Hinblick auf politische Entscheider. Schon aus diesem Grund bestehe keine Gefahr, dass es zu einer Interessenkollision kommt. Wenn der Verband schon nicht hoheitlich tätig ist, so sei auch er Geschäftsführer des Verbands nicht. Dazu der BGH wörtlich: “Allein der Umstand, dass der Antragsteller als Repräsentant des Gemeinde- und Städtebunds auftritt, begründet jedoch keine hinreichende Gefahr für die Belange der Rechtspflege, da dieser Verband – auch in den Augen des rechtssuchenden Publikums – keine hoheitliche Tätigkeit ausübt“.

Falsche Vorstellung von Verbandtätigkeit führte zu falscher Entscheidung

Auch die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln könne hier zu keiner anderen Bewertung führen. Im Übrigen reichen die Vorschriften der §§ 45, 46 BRAO nach Ansicht der Richter aus, um Interessenkonflikten vorzubeugen. Der Antragsteller sei daher so zu stellen wie andere Juristen auch, die in einem Anstellungsverhältnis zu Verbänden stehen und bei denen die Rechtsanwaltszulassung bisher weitgehend als möglich angesehen wird. Im Ergebnis hat der Anwaltssenat des BGH hier zu Recht eine unzutreffende Entscheidung des AGH aufgehoben. Die Berufs- und Anwaltsrichter in Rheinland-Pfalz hatten eine unzutreffende Vorstellung von der Verbandstätigkeit, so wie sie bisher selten vertreten wurde. Der Antragsteller ist Angestellter eines eingetragenen Vereins; er ist damit eindeutig nicht Beschäftigter im öffentlichen Dienst und unterliegt gerade nicht den entsprechenden Bindungen. Der Ansatz der Vorinstanz, dass die Mitglieder öffentliche Einrichtungen sind, überzeugte die Karlsruher Richter zu Recht nicht. Verbands- und Vereinsjuristen können auch weiterhin ihre Zulassung als Rechtsanwalt erhalten und sind überwiegend dort auch für ihren Verband und Verein anwaltlich tätig. Insoweit ist es gut, dass sich der Geschäftsführer durch die negativen Entscheidungen der Vorinstanz nicht hat beeindrucken lassen. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er hat bereits zahlreiche Veröffentlichungen zu berufsrechtlichen Themen verfasst. Mehr auf LTO.de: Syndici: Unternehmensanwälte sind "Anwälte des Unternehmens" Kanzleigründung in der Nische: Kometenhafter Start im Hochtechnologiesektor Zulassungssitz nicht auf dem Anwalts-Briefkopf: OLG Jena beurteilt Intransparenz als wettbewerbswidrig

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