BGH zu Hinweis auf OLG-Zulassung im Briefkopf

Nicht unrichtig, wenngleich gegenstandslos

von Martin W. HuffLesedauer: 5 Minuten
Bis 2007 brauchten Anwälte eine OLG-Zulassung. Heute dürfen alle Anwälte vor jedem OLG auftreten. Trotzdem darf ein Anwalt, der früher eine solche Zulassung hatte, weiter einen entsprechenden Hinweis in seinem Briefkopf führen. Das entschied der BGH in einem nun veröffentlichten Urteil und betrieb damit eine Haarspalterei, die noch für viel Verwirrung sorgen wird, meint Martin W. Huff.

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Im vergangenen Jahrzehnt erlebte die Frage, vor welchen Gerichten ein Rechtsanwalt auftreten darf, eine wechselvolle Geschichte. Bis zur Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Dezember 2000 (Az. 1 BvR 335/97) war Deutschland ein geteiltes Land, was die Zulassung beim Oberlandesgericht (OLG) betraf. Da gab es Bundesländer, wie etwa Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz, in denen Rechtsanwälte sich entscheiden mussten, ob sie nach fünfjähriger Berufstätigkeit eine Zulassung beim Oberlandesgericht haben wollten, womit sie allerdings ihre Zulassung für die Landgerichte (LG) verloren (sogenannte Singularzulassung). Etwa in Bayern hatten es die Anwälte einfacher. Zusätzlich zur LG-Zulassung konnten sie eine solche fürs OLG beantragen (sogenannte Simularzulassung).

Hinweis in Briefkopf früher für Verbraucher wichtig

Lange hatten die Anwälte diese Praxis bekämpft, bis der 1. Senat des BVerfG in dem genannten Urteil klarstellte, dass die Singularzulassung (§ 25 Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) a.F.) gegen Art. 12 Grundgesetz (GG) verstößt. Die Karlsruher Richter entschieden sich für eine nicht ganz einfache Übergangsregelung. § 25 BORA sollte für bestehende Zulassungen bis Ende Juni 2002 fortbestehen. Aber schon ab Januar 2002 konnten die bisherigen OLG-Anwälte mit Singularzulassung die Zulassung bei den für sie zuständigen Amts- und Landgerichten beantragen. Ab Juli 2002 konnten dann alle Rechtsanwälte die Zulassung beim OLG beantragen. Voraussetzung war nur noch eine fünfjährige Anwaltszulassung. Seit Juni 2007 brauchen Anwälte keine Zulassung mehr, um bei einem OLG aufzutreten. Heute können Rechtsanwälte bei allen Gerichten auftreten. Eine Ausnahme gilt nur noch beim Bundesgerichtshof (BGH) in Zivilsachen. Solange die alte Rechtslage galt, war es üblich, dass auf Briefbögen angegeben war, welcher Rechtsanwalt wo zugelassen war. Eine für den Verbraucher wichtige Angabe.

Rechtsprechung: Hinweis auf "Zulassung" seit 2010 unzutreffend

Doch spätestens seit Juni 2007 ist diese Angabe so nicht mehr richtig. Denn ein Rechtsanwalt ist nicht mehr bei einem Gericht (mit Ausnahme des BGH) zugelassen, sondern "nur noch" Mitglieder seiner Rechtsanwaltskammer und damit berechtigt, vor jedem Gericht aufzutreten. Doch nicht alle Rechtsanwälte scheinen diese Entwicklung mitbekommen zu haben oder ignorieren sie einfach. Die Gerichte mussten sich immer wieder damit auseinandersetzen, ob die Angabe "zugelassen bei allen Amts-, Land- oder Oberlandesgerichten" oder "zugelassen beim Oberlandesgericht" eine unerlaubte Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist und damit sowohl gegen § 5 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) als auch über § 43 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gegen das anwaltliche Berufsrecht verstößt. Dabei hatte sich in der Rechtsprechung und in der Praxis der Rechtsanwaltskammern folgende Linie herausgebildet: Spätestens seit 2010 sei allgemein bekannt, dass Rechtsanwälte – mit der Ausnahme des BGH in Zivilsachen – vor allen Gerichten für ihre Mandanten tätig werden dürfen. Daher sei die Angabe "Zulassung" unzutreffend und dürfe nicht mehr verwendet werden. Erlaubt sei aber der Hinweis "vertretungsberechtigt" als Information für den Verbraucher.

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2/2: BGH: Hinweis keine Irreführung

Zur Überraschung der Anwaltschaft hat jetzt der Wettbewerbssenat des BGH diese Praxis nun zumindest zum Teil auf den Kopf gestellt (Urt. v. 20.02.2013, Az. I ZR 146/12). Ein Rechtsanwalt im hessischen Wettenberg, der vor dem 1. Juni 2007 seine Zulassung beim OLG Frankfurt am Main erhalten hatte, verwendet auf seinem Briefbogen immer noch die Formulierung "Rechtsanwalt auch zugelassen am OLG Frankfurt". Dies war zwei Anwältinnen aus Köln ein Dorn im Auge und sie verlangten, dass der hessische Kollege dies unterlässt. Der BGH wies die Klage anders als die Vorinstanz ab. Solange es für die angesprochenen Verkehrskreise nicht selbstverständlich sei, dass es für die Postulationsfähigkeit vor den Oberlandesgerichten keiner gesonderten Zulassung bedarf, verstoße ein Rechtsanwalt, der früher eine OLG-Zulassung inne hatte, mit einem entsprechenden Zusatz in seinem Briefkopf nicht gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG.

Karlsruher Richter begründen abweichende Entscheidung kaum

Die Richter begründen dies – sehr knapp und ohne richtige Argumentation – damit, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass potentiellen Mandanten bekannt sei, dass heute jeder Rechtsanwalt bei jedem Oberlandesgericht auftreten darf. Woher die Richter diese Erkenntnis nehmen, wird nicht einmal im Ansatz begründet. Zudem nehme, so der Senat weiter, der Anwalt damit keine besondere Qualifikation in Anspruch, denn er beschreibe nur, dass er berechtigt ist, Mandanten vor dem OLG Frankfurt am Main zu vertreten. Und dann kommt (Randnummer 20) ein weiteres erstaunliches Argument: "Der Hinweis ist schließlich auch nicht unrichtig, da dem Beklagten tatsächlich eine Zulassung beim OLG Frankfurt erteilt worden ist, auch wenn diese Zulassung inzwischen gegenstandslos geworden ist." Ist damit nicht die Aussage des Rechtsanwalts heute einfach falsch? Ist gegenstandslos geworden nicht unrichtig? Es bleiben viele Fragen offen. Der BGH hat hier völlig unnötig eine Haarspalterei betrieben, die gerade Verbrauchern am wenigsten nützt, denn es darf jetzt mit Angaben geworben werden, die wertlos und gegenstandslos sind.

Anwaltschaft sollte mit einer Satzung klarstellende Regelung schaffen

In der Praxis wird die Entscheidung zudem für erhebliche Verwirrungen sorgen, denn die Fallgestaltungen sind ja sehr unterschiedlich: Da gab es ausschließlich am OLG zugelassene Kollegen, die dann später beim LG zugelassen wurden oder Kollegen, die ab 2002 bei einem OLG zugelassen wurden, aber überall auftreten durften. Jetzt wird es also sehr unterschiedliche zulässige Werbeaussagen geben (die im Übrigen personenbezogen sein müssen). Wenn die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens also nicht überlegen, ob sie Verfassungsbeschwerde wegen einer Verletzung von Art. 12 und Art. 3 GG einlegen, muss die Anwaltschaft entscheiden, ob sie über ihre Satzungskompetenz in § 59b BRAO überlegt, eine klarstellende Regelung in die Berufsordnung der Rechtsanwälte aufzunehmen. Möglich wäre dies wohl über § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO, nach der die Satzungsversammlung "die besonderen Berufspflichten im Zusammenhang mit der Werbung" regeln darf. Ärgerlich an der BGH-Entscheidung ist auch noch ein weiterer Punkt: Das Urteil datiert vom 20. Februar 2013, veröffentlicht wurde die Entscheidung auf der Homepage des BGH erst im August 2013. Wenn Bundesrichter eine Rechtsfrage anders entscheiden als die Vorinstanzen wäre es wünschenswert, dass solche Entscheidungen nicht erst nach knapp sechs Monaten veröffentlicht werden. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und hat u.a. einen Lehrauftrag für Berufsrecht an der German Graduate School of Management and Law (GGS) in Heilbronn.

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