Arbeitszeugnis für Juristen

Aus­sa­ge­kraft knapp über Null

von Tanja PodolskiLesedauer: 6 Minuten

Dass die Wendung "War stets bemüht" nicht als Lob gemeint ist, weiß jeder. Andere Feinheiten der Zeugnissprache sind hingegen schwer zu durchschauen. Aber spielt das heute überhaupt noch eine große Rolle? Wie so oft gilt: Es kommt drauf an.

Früher oder später wechseln die meisten Anwälte ihren Job. Und völlig egal, ob es der Schritt in eine andere Kanzlei oder der Beginn einer Laufbahn bei Gericht ist: Das Arbeitszeugnis geht mit -und bleibt. Wenn die Karriere halbwegs gut und geregelt verläuft, beträgt die Anzahl der Zeugnisse an ihrem Ende nicht viel mehr als eine Handvoll - zuzüglich solchen aus Praktika und dem Referendariat.

Gerade die ersten paar Arbeitszeugnisse begleiten ihre Empfänger aber über einige für die Karriere entscheidende Jahre. Entsprechend viel wird über ihre Inhalte gestritten: sei es die Aufgabenbeschreibung, Beurteilungen, Note oder Schlussformel. Das Zeugnis selbst zu schreiben, ist oftmals keine Option und ohnehin selten eine gute Lösung für den Anwalt– es sei denn, er ist Arbeitsrechtler und selbst fit in der Materie.

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Kurz, klar und prägnant

Also einer wie Dr. Georg-R. Schulz. Seit den 80-er Jahren befasst sich der Münchner Anwalt mit Arbeitszeugnissen und den darin enthaltenen Spitzfindigkeiten. Für ihn gilt beim Arbeitszeugnis zunächst einmal: "Es sollte so kurz wie möglich und so lang wie nötig sein." Zwei Seiten seien auch bei Rechtsanwälten meist ausreichend. "Die Tätigkeiten und besonderen Aufgaben können durchaus in Spiegelstrichen dargestellt werden", so Schulz. Der gesparte Platz solle stattdessen darauf verwendet werden, im anschließenden Bewertungsteil des Zeugnisses Karrieresprünge darzustellen und nachvollziehbar zu machen.

In diesem Abschnitt lauert auch der meiste Ärger: "Über die Leistungsbeurteilungen streiten sich natürlich auch die Arbeitsrechtler miteinander", so Schulz. Schwierig sei, dass viele Arbeitgeber keine klaren Noten mehr vergeben. "Vor einigen Jahren entsprach die Formulierung 'zu unserer vollsten Zufriedenheit' der Schulnote eins", so Schulz.

Heutzutage werden aber Zwischennoten vergeben. So werde etwa der Begriff "vollste Zufriedenheit" beibehalten, aber anschließend über die Beschreibung, in welcher Qualität der Arbeitnehmer seine Aufgaben erfüllt hat, relativiert. "Dann steht der neue Arbeitgeber allerdings vor der Frage, warum diese Form gewählt wurde", so Schulz. "Sollte wirklich nur die eins relativiert werden oder haben sich die Parteien in einem Vergleich auf die Ausstellung eines Zeugnisses mit der Note sehr gut geeinigt, die der Arbeitgeber eigentlich nicht geben wollte." Derartige Widersprüchlichkeiten, so meint der Rechtsanwalt, machten jedenfalls stutzig.

Kleine oder größere Hinweise gehen immer

Doch auch isolierte Formulierungen seien oft problematisch: "Nur auf den ersten Blick klingt es großartig, wenn der Mitarbeiter 'unter Termindruck zu delegieren wusste'." Dahinter verberge sich nämlich die Aussage, der Angestellte habe dem Stress schlichtweg nicht standgehalten und sei kein Teamplayer gewesen. Auch der Satz "er kümmerte sich um die interne Kommunikation" sei negativ besetzt: Der Mitarbeiter hat einfach mehr gequatscht als gearbeitet. Solche versteckten Hinweise kommen vor – auch, wenn das Arbeitszeugnis gemäß § 109 Abs. 2 Satz 2 Gewerbeordnung (GewO) keine Wendungen enthalten darf, die den Zweck haben, eine andere als die aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

Manch ein Arbeitgeber älterer Schule hält es noch für selbstverständlich, dass die Attribute "fleißig, pünktlich, ehrlich" im Zeugnis auftauchen. Fehlt eine dieser Eigenschaften, ist das allein schon vernichtend. "Selbst wenn alle drei Eigenschaften genannt werden verstehen einige Arbeitgeber ihr Vorliegen als derartige Selbstverständlichkeit, dass schon die Erwähnung so ausgelegt wird, als seien sie gerade nicht vorhanden", sagt Christian Hein, Rechtsanwalt bei Froese & Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er selbst ergänze daher stets den Zusatz 'was nur der Vollständigkeit halber erwähnt wird'. Versteckte Kritik könne zudem auch hinter zu starken, sich wiederholenden Formulierungen wie 'äußerst selbstständig' stecken – so würden gern Arbeitnehmer bezeichnet, die sich nicht an Weisungen gehalten haben.

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2/2: Nicht alles ist schön. Das muss kein Drama sein

Bei so vielen potentiellen Fallen kann es schon mal passieren, dass sich ein kritischer Unterton ins Zeugnis mischt, der dem Bewerteten selbst vielleicht nicht einmal auffällt. Wenn er Glück hat, gerät er beim neuen Arbeitgeber dann an eine Personalabteilung mit Augenmaß: "Wenn es im Zeugnis überhaupt mal Hinweise darauf gibt, dass ein Arbeitsverhältnis nicht ganz rund gelaufen ist, ist das für uns kein Kriterium, den Bewerber, der uns interessiert, nicht zu einem persönlichen Gespräch einzuladen", sagt Nicola von Tschirnhaus, Rechtsanwältin und Senior Recruitment & Engagement Manager bei Linklaters. In der Praxis fänden sich bei Anwälten derartige Hinweise darauf, dass etwas schlecht gelaufen ist, allerdings selten.

"Der Beurteilungsspielraum ist durch die gesetzlichen Vorgaben stark eingeschränkt", sagt von Tschirnhaus. Die Rechtsprechung mache den zumeist sehr sparsamen Umgang mit Kritik einfach zweckmäßig. Denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits in den 1960-er Jahren die Vorgabe entwickelt, dass ein Arbeitszeugnis "wohlwollend" geschrieben sein muss. Erhält der Arbeitnehmer die Zeugnisnote drei oder besser, so liegt die Beweislast bei ihm, dass er damit noch zu schlecht bewertet ist. Die Berechtigung von Noten unterhalb der Drei muss hingegen der Arbeitgeber beweisen. "Diese Zäsur halte ich für willkürlich", sagt Arbeitsrechtler Schulz. Schon eine drei zu vergeben sei wegen des Gebots des Wohlwollens fast unmöglich – und auch die Formulierungen müssten der Note entsprechen.

Auf eine Dankesformel hat der Arbeitnehmer übrigens keinen Anspruch. Ihr Fehlen solle nämlich nichts über die Leistung des Bewerbers aussagen, urteilte das BAG im Jahr 2012.

Aussagekraft sehr gering

Von Tschirnhaus nutzt die Arbeitszeugnisse von Bewerbern daher inzwischen vor allem als Hinweisgeber für ihre Fragen im Bewerbungsgespräch. "Ich würde niemals alleine aufgrund eines Zeugnisses ein Urteil über den Bewerber fällen", so die Rechtsanwältin. "Es kann ja immer sein, dass ein Arbeitgeber wegen irgendeines Vorkommnisses vergrätzt war oder die Personen einfach nicht zusammen gepasst haben."

Für sinnvoller als die deutsche Zeugnistradition hält sie daher die Praxis im angloamerikanischen Raum: "Dort gibt es gar keine Zeugnisse, sondern es wird ausschließlich mit Referenzen gearbeitet". Zwar würden auch dort natürlich nur Personen angegeben, die Gutes zu berichten wüssten. Man könne aber mit den Referenzen viel schneller auf die für die eigene Kanzlei wesentlichen Kriterien zu sprechen kommen.

Wichtiger als das Zeugnis oder die Referenzen seien ohnehin die Examensnoten, sagt eine andere Recruiterin. Wer da gute Ergebnisse vorweisen könne, werde eingeladen. Die Anzahl guter Kandidaten sei so gering, dass die Kanzleien es sich gar nicht mehr leisten könnten, aufgrund einer Zeugnisnote auszusortieren.

Bei kleineren Kanzleien läuft es anders

Das kann bei kleineren Kanzleien allerdings auch mal anders laufen. "Wir haben nicht die Zeit, uns 30 Bewerber anzusehen", sagt Christian Hein, in dessen Kölner Kanzlei sechs Anwälte tätig sind. Es gebe so viele Juristen, die eine Anstellung suchen, da müsse er die Bewerber auswählen, die zum Gespräch eingeladen werden. Wenn ein durchschnittliches oder sogar unterdurchschnittliches Zeugnis dabei sei, würde dies zum Aussortieren der Bewerbung reichen.

Wenn der an sich positive Eindruck allerdings nur von einem einzelnen negativen Zeugnis getrübt werde, würde zum Telefon gegriffen: "Im Zweifel fragt man einfach mal nach, was da los war."

Wirklich schlechte Zeugnisse hat Frank Nolte, Partner bei RWP Rechtsanwälte, bei Juristen allerdings noch nie gesehen. Er liest alle Arbeitszeugnisse der Bewerber, und dabei machen ihn eher solche mit einem 'sehr gut' skeptisch. "Keiner ist perfekt und ein 'sehr gut' klingt für mich eher danach, dass ein Mitarbeiter weggelobt wurde", so der Rechtsanwalt der mittelständischen Düsseldorfer Kanzlei. Er rät sogar dazu, sich bei Diskussionen über das Zeugnis auf die Note "gut" zu einigen. Die sei jedenfalls glaubwürdiger.

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