Anwaltsmarkt: Im Umbruch

von Prof. Dr. Leo Staub

08.09.2017

2/2 Rechtsberater 4.0: Geschäftspartner und Service-Dienstleister

Ein Dauerbrenner bei Studien zur Mandantenzufriedenheit ist die Beanstandung, dass Anwälte zu wenig vom Geschäft verstehen, in welches ihr Rechtsrat eingebettet ist. Mandanten lassen sich immer weniger mit einem rein juristischen Ratschlag abspeisen. Sie verlangen nach Lösungen, die auch ökonomisch Sinn ergeben. Anwälte, die neben juristischem Sachverstand Kenntnisse des Geschäfts ihrer Mandanten mitbringen, können hier punkten und sind weniger leicht austauschbar. Unternehmensmandanten suchen nämlich nicht einfach Anwälte, sondern Geschäftspartner, die ihnen helfen, im Markt erfolgreich zu sein.

Ein weiterer wichtiger Trend in unserem Geschäft ist die Zunahme des Gewichts der Serviceelemente anwaltlicher Dienstleistungen.? Traditionell war es für Anwälte ausreichend, über juristische Expertise zu verfügen. Das ist zwar auch heute noch selbstverständliche Grundlage für unser Geschäft. Juristische Expertise wird vorausgesetzt. Ein besonderes Profil am Markt lässt sich damit aber nicht mehr erreichen.

Gefragt ist heute eine tadellose Serviceleistung: jederzeitige Verfügbarkeit, schnelle Antwortzeiten, zeitnahe und empathische Kommunikation und eine ausgeprägte Service-Haltung in der Interaktion mit Mandanten. Diese Elemente der anwaltlichen Dienstleistung sind es im Übrigen auch, deren Qualität vom Mandanten schlüssig beurteilt werden kann. Wer als Anwalt, als Anwältin eine gute Serviceleistung erbringt, kann sich deshalb möglicherweise entscheidend vom Wettbewerb abheben.

Die neuen Partner: Lieber Leben als Karriere

Eine Auswahl der wesentlichen Trends im Anwaltsmarkt ist unvollständig, wenn nicht das Phänomen der Generation Y, oft auch Millennials genannt, aufgegriffen wird. Das sind die in den 80-er und 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Geborenen, die heute an die Tür zur Partnerschaft in der Kanzlei klopfen.

Die Generation Y ist geprägt durch ein starkes Bedürfnis nach Individualisierung, sucht in allen Lebenslagen Optionen und will nichts wissen von Tradition als Referenzpunkt für persönliche Entscheidungen. Die Generation Y ist Technologie-affin und verlangt nach Diversität im beruflichen und privaten Umfeld.

Das hat zur Folge, dass individuelle Lebensgestaltungsmodelle oft Vorrang vor Standardwegen der beruflichen Karriere haben, dass Familien- und Freundeszeit wichtiger sind als ein hoher Bonus für (zeitlich) herausragende Leistung oder dass Home Office zur zentralen Forderung bei der Flexibilisierung des Arbeitsalltags wird. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass viele dieser Aspekte mit den üblichen Vorstellungen, die wir von künftigen Partnern in einer Anwaltskanzlei haben, auf Kriegsfuß stehen.

Wir leben wahrlich in spannenden Zeiten. Anwälte sind es gewohnt, sich immer wieder auf neue Situationen einzustellen. Moderne Technologien, neue Honorarmodelle, die Globalisierung des Rechtsmarktes oder die Integration der Generation Y haben zwar das Potenzial, tradierte Geschäftsmodelle in der Kanzleiwelt zu bedrohen. Diese Phänomene können sich aber auch als bereichernde Treiber zur Erneuerung und Dynamisierung unseres Geschäfts auswirken. Es liegt an jedem und jeder von uns, sich dieser Herausforderung zu stellen - mit der einen oder der anderen Haltung.

Prof. Dr. Leo Staub, Rechtsanwalt & Direktor des Geschäftsbereichs Law & Management der Executive School of Management, Technology & Law der Universität St. Gallen (ES-HSG). 

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Leo Staub, Anwaltsmarkt: Im Umbruch . In: Legal Tribune Online, 08.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24393/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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