Mehr Anwaltsumsatz mit Cross-Selling

"Einfach mal den Mandanten fragen"

von Pia LorenzLesedauer: 7 Minuten
Die Konkurrenz im Rechtsmarkt ist groß. Wer einen Mandanten einmal gewonnen hat, tut gut daran, ihn über das Mandat hinaus zu betreuen. Klingt eigentlich ganz leicht, dieses "Cross-Selling". Warum es in der Praxis trotzdem oft misslingt, und wie Anwälte in kleinen und großen Kanzleien sich richtig um ihre Mandanten kümmern, erklärt Johanna Busmann im Interview.

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LTO: Frau Busmann, was ist der Nutzen von Cross-Selling? Busmann: Das ist eigentlich ganz naheliegend: Eine Vertrauensbeziehung zum Mandanten, die der Anwalt durch die erfolgreiche Bearbeitung eines Mandats aufgebaut hat, soll für weitere Geschäfte genutzt werden. Wenn der Mandant nicht mehr "fremdgehen" muss, hat der Anwalt vieles richtig gemacht. LTO: Geht das ein bisschen konkreter? Busmann: Gelungenes Cross-Selling hat vier Komponenten: Der Mandant mandatiert sicher erneut, wenn er kein klassischer "Einzelfall-Mandant" ist, wenn er mit dem Erstmandat zufrieden war, wenn der Nutzen für das nächste Mandat für ihn größer ist als seine Bedenken und wenn die Hinleitung zum Ausweitungsthema rhetorisch elegant und zurückhaltend ankommt. Gelungenes Cross-Selling vertieft die Geschäftsbeziehung, reduziert den Wechselwillen des Mandanten auf rein fachlich begründete Fälle und erhöht spürbar die Anzahl seiner Weiterempfehlungen. Die Pflege der Kundenkartei fällt nur einmal an und bringt mehrfache Renditen. Kanzleiumsätze können, wie eine branchenübergreifende Studie der Unternehmensberatung "accenture" bereits im Jahr 2000 nachwies, allein durch Cross-Selling um bis zu 50 Prozent steigen. LTO: Wie erzielt man solche Erfolge? Busmann: Anwälte können dem Mandanten schon beim Abschluss des ersten Mandats passende, ergänzende Kanzleileistungen vorstellen. Mandanten bewerten es positiv, wenn ihr Anwalt sich – unaufdringlich natürlich - bei und nach Mandatsende um sie kümmert und Weitsicht bezüglich weiterer potenzieller Bedarfe beweist. Manche Mandanten sind darüber hinaus sogar bereit, bei einem "Alles-aus-einer-Hand"-Service einen höheren Preis zu zahlen, weil dieser für sie aus psychologischen und organisatorischen Gründen vorteilhaft ist. Gelungenes Cross-Selling hilft, Geld zu sparen; dauerhafte Mandatsbeziehungen sind Investitionen einer Anwaltskanzlei in langfristige Erträge und übrigens auch in eine belastbare Reputation.

Von Pastor bis Nagelstudio-Besitzer: Referenzgruppen perfekt betreuen

LTO: Wie genau soll das aussehen? Der Arbeitsrechtler hat womöglich bei einem Unternehmen, das er erstmalig erfolgreich beraten hat, ja relativ viele Möglichkeiten, weiteren Bedarf zu schaffen. Aber soll der Familienrechtler, der eine Scheidung erfolgreich abgewickelt hat, mit hilfreichen Tipps für die nächste Scheidung aufwarten? Oder der Verkehrsrechtler für den nächsten Verkehrsunfall? Busmann: Bei allen Prozessfächern (etwa Miet-, Familien-, Straf-, Arbeits-, Verkehrs- und Sozialrecht) ist die direkte Ausweitung von Mandanten schwieriger. In fast allen Fällen muss der Anwalt einen besonders langen Atem haben und exzellent zuhören. In vielen Fällen - längst nicht in allen! -  lohnt es sich, vom Mandanten die schriftliche Genehmigung zur Einladung zu kostenlosen Vorträgen in die Kanzlei zu erhalten. Dies bietet sich besonders bei organischen Referenzgruppen an. Das sind solche Personen, die automatisch in ihren Peergroups oder auch mit ihren Kunden ihre Erfahrungen an potenzielle Mandantschaft weiter geben: Pastoren, Steuerberater, Friseure, Journalisten, Nagelstudio-Besitzer oder EDV Berater gehören zum Beispiel dazu. Es ist sehr wichtig, diese perfekt zu betreuen. Zusätzlich gibt es sogenannte Cross-Selling-Familien. Innerhalb der Familie der Prozessfächer gibt es klassische Ergänzungsmöglichkeiten: Das Mietrecht kann oft zum Beispiel an das Tierrecht gekoppelt werden, das Familien- an das Erbrecht, das Immobilien- an das Steuerrecht, das Verkehrs- an das Gewährleistungsrecht, das Medizin- an das Sozialrecht - und natürlich jeweils umgekehrt. Eine großartige Verkaufsmöglichkeit liegt hier in der Gemeinsamkeit aller Prozessfächer: "Ich helfe gern wieder, wenn es mal wieder zu Gericht geht".

"Interessiert und zuvorkommend statt übergriffig und geldgierig wirken"

LTO: Und wie gelingt das alles, ohne allzu plump zu wirken? Busmann: Anwälte reden oft zu viel und fragen immer zu wenig beziehungsweise hören nicht genug zu. Andeutungen weiterführender Bedarfe während der Abwicklung des Erstmandats werden daher häufig gar nicht wahrgenommen, schlimmstenfalls wirkt der Anwalt schwatzhaft, besserwisserisch oder arrogant. Um das zu ändern, sollten Anwälte rhetorische Figuren beherrschen. So zum Beispiel das Paraphrasieren, also die Zusammenfassung des Gehörten. Sie sollten Fragetechniken nutzen, um einen möglichen Bedarf beim Mandanten zu erkennen  und – das ist sehr wichtig - die Nutzenargumentation beherrschen. Das bedeutet: Ich sage dem Mandanten nicht, was ich alles kann und habe, sondern vielmehr, was ihm das nützt. So kann der Mandant seinen Bedarf überhaupt erst einmal in Ruhe erkennen und vor allem selbst benennen. Auch den sogenannten Perspektivwechsel sollte der Anwalt kennen. Einen solchen verwendet man beispielsweise, wenn der Mandant von sich aus gar keinen weiteren Bedarf erkennen lässt. Der Anwalt sagt dann: "Viele meiner Mandanten in Ihrer Situation machen sich zusätzlich Sorgen wegen X und wollen auf keinen Fall mehr als nötig für die Y zahlen. Wie steht es damit bei Ihnen?" Dadurch wirken sie interessiert und zuvorkommend, statt übergriffig und geldgierig. Im Idealfall ist der Kollege, Fachanwalt für das X– Problem, bereits vorab informiert und wartet im Nebenraum auf seine persönliche Vorstellung.

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2/2: "Unterschiedliche Herausforderungen in großen und kleinen Kanzleien"

LTO: Das alles klingt eigentlich recht naheliegend und wenig innovativ. Etwas weniger hochgestochen ausgedrückt könnte man sagen, dass Anwälte vielleicht nur ihren Geschäftssinn noch etwas verbessern müssen, oder? Busmann: Das ist richtig – aber nicht nur. Für erfolgreiches Cross-Seling müssen sowohl die organisatorischen Vorkehrungen in der Kanzlei als auch die rhetorischen Fähigkeiten des Anwalts stimmen. Gerade in Großkanzleien geht es oft auch um Abstimmung und Kommunikation: Riesensummen gehen den Law Firms verloren, weil eine Abteilung versucht, ein Unternehmen kostenintensiv zu akquirieren, das mit einer anderen Abteilung derselben Kanzlei längst in intensivem Austausch steht. Damit so etwas nicht vorkommt, müssen die CRM (Customer Relationship Management)-Systeme akribisch gepflegt werden, und außerdem muss ein aktiver, abteilungsübergreifender Austausch der Anwälte untereinander stattfinden. Auch das klingt profan, aber es bedeutet zunächst, dass die Anwälte diese Systeme auch einsehen und nutzen müssen – und zwar alle und ganz regelmäßig.
In kleineren Kanzleien erfahren Mandanten oft erst gar nicht, welche weiteren Angebote dieselbe Kanzlei machen könnte. Und auch dort fehlen oft die für Cross-Selling unabdingbaren Informationen.

"Die klare Unternehmer-Rolle scheuen Anwälte immer noch"

LTO: Welche sind das? Was sollten Anwälte über ihre Mandanten speichern? Busmann: Neben Selbstverständlichkeiten wie aktuelle Kontaktdaten vor allem die Kontakthistorie, derzeitige Kontakt-Aktivitäten, bisherige Kontakte nach dem Erstmandat, Vortragseinladungen, kurze Anrufe zwischendurch, Einladungen zum Lunch, geplante Aktivitäten anderer Kollegen derselben Kanzlei bezüglich dieses Mandanten sowie Veränderungen in seinem Umfeld. LTO: Was hindert Anwälte dann daran, ihre Mandate auszuweiten? Ist es denn noch immer nicht angekommen, dass Anwälte auch Unternehmer sein müssen, um dauerhaft am stark umkämpften Markt zu bestehen? Busmann: Anwälte geben mir gegenüber noch immer hauptsächlich psychologisch motivierte Gründe an: Sie fürchten, wie Versicherungsvertreter zu wirken, wenn sie ihrem Mandanten ungefragt weitere Leistungen anbieten. Sie sehen sich schnell in der Rolle desjenigen, der sich "anbiedert" und befürchten, den Eindruck eines bevorstehenden sozialen Abstiegs zu erwecken. Die klare Unternehmer-Rolle meiden viele von ihnen noch immer, das entsprach einfach zu lange nicht dem anwaltlichen Selbstbild. Geschäfts-Mandanten werden in der Regel in anderen Bereichen durch konkurrierende Anwälte vertreten; es besteht die Sorge, dass die unverlangte Präsentation eigener Zusatzleistungen da wie die Einmischung in das Mandatsverhältnis eines Berufskollegen wirken könnte. Soweit das Cross-Selling in der Empfehlung an einen für das Mandat besser qualifizierten Kollegen besteht, fürchten Anwälte zudem einen Imageverlust.

Großkanzleien: Wie "Eat what you kill“ Umsätze vernichtet

LTO: Das Image scheint bei Anwälten noch erstaunlich oft Thema zu sein. Busmann: Absolut. Vor allem in Großkanzleien und auch in manchen Boutiquen ist das Image des Jägers, also für ein neu akquiriertes Mandat, kanzleiintern noch glanzvoller als das Image des Hegers, also desjenigen, der ein bestehendes Mandat erweitert.   Es geht wieder ums Geld: Vor allem in Großkanzleien verhindert oft die Entnahmepolitik ein gezieltes Cross-Selling: "Eat what you kill" (meine Mandate – mein Umsatz) honoriert lediglich die Neuakquise. Das Weiterreichen von Mandanten an andere Abteilungen beziehungsweise Anwälte belohnt es nicht – und verhindert es damit. Ein Lockstep-System, also die Entnahme nach Kanzleizugehörigkeit würde dagegen das Cross-Selling befördern, ebenso wie ein "proliferation fee", bei dem der Anwalt, der ein Mandat an einen Kollegen vermittelt, hierfür einen Bonus erhält. LTO: Woran hapert es noch? Busmann: Auch das dringend anzuratende Abschlussgespräch zur ruhigen und eleganten Einleitung eines weiterführenden Mandats wird häufig als zu teuer und aufwändig abgelehnt. Und für Laien ganz unverständlich: Nach einem Mandat versorgen noch längst nicht alle Anwälte ihre Ex-Mandanten pro-aktiv und unverlangt mit Informationen über die konkreten Rechts-Folgen eines höchstrichterlichen Urteils! Schließlich verzichten viele Kanzleien wider besseres Wissen auf ein systematisches Kunden-Feedback. Eine Studie der Zeitschrift "Betriebsberater" aus 2011 lässt in dieser Hinsicht tief blicken: 85 Prozent der Anwälte in jeder Kanzleigröße kennen nach eigener Einschätzung die Bedürfnisse und Anforderungen ihrer Mandanten, doch nur neun Prozent derselben befragten Anwälte geben an, regelmäßige Mandantenbefragungen durchzuführen. Da reibt man sich doch als Externer erstaunt die Augen und fragt sich: Wie passt das nun wieder zusammen? LTO: Frau Busmann, vielen Dank für das Gespräch. Johanna Busmann ist als selbständiger Coach spezialisiert auf die Beratung von Rechtsanwälten und Richtern. Sie doziert an verschiedenen juristischen Fakultäten. Ihr Buch "Chefsache Mandantenakquisition" ist im Dezember 2012 erschienen.
Das Interview führte Pia Lorenz.

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