Streit um akademische Grade

Bei der Ehre gepackt

von Constantin Baron van LijndenLesedauer: 4 Minuten
So ein "Prof. Dr. h.c." macht sich gut im Briefkopf, und lockt sicher den einen oder anderen Mandanten in die Kanzlei. "Fahri Doktora" und "Fahri Profesör" klingen hingegen ziemlich fremd und für den deutschen Rechtssuchenden eher nichtssagend. Darüber, ob ein Stuttgarter Anwalt nun den einen, den anderen oder gar keinen Ehrengrad tragen darf, entscheidet am Dienstag das OLG Stuttgart.

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Nein, es ist keine staatstragende Frage, über die das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart am Dienstag zu urteilen hat. Böse Zungen könnten den Streit sogar als haarspalterisch bezeichnen, wozu immerhin passt, dass hier der eine Rechtsanwalt mit dem anderen im Clinch liegt. In einem Clinch wohlgemerkt, bei dem beide Seiten so reichlich mit akademischen Graden dekoriert sind, dass man glatt die Übersicht zu verlieren droht. Auf der einen Seite steht Prof. Dr. iur. utr. Norbert P. Flechsig, Verfügungskläger, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und ansässig im OLG-Bezirk Stuttgart, auf der anderen Prof. Dr. Dr. h.c. Rolf Gutmann, Verfügungsbeklagter und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, gleichfalls ansässig im OLG-Bezirk Stuttgart. Den Professor und den Ehrendoktortitel – nicht aber den regulären Doktor - verdankt Gutmann der Yeditepe Universität in Istanbul, die ihm die Grade 2010 verlieh. Das ist weniger halbseiden, als es zunächst klingen mag: Gutmann ist Experte für Ausländerrecht und nimmt an der türkischen Universität seit 2008 einen Lehrauftrag wahr. Ob er sich deshalb auch in Deutschland in der bisherigen Form mit den Bezeichnungen schmücken darf, bezweifelt Berufskollege Flechsig allerdings. Dessen ungewöhnliches "utr." im Titel steht übrigens für "utriusque", und bedeutet so viel wie "beides". Flechsig ist also "Doktor beider Rechte", des kirchlichen und des weltlichen.

Streit über mehrere Instanzen

Mit Letzterem rückt er Gutmann zu Leibe. Dieser rufe bei Rechtssuchenden einen Irrtum über die eigene Qualifikation hervor und verhalte sich wettbewerbswidrig, indem er die türkischen Titel in Deutschland als Prof. Dr. h.c. führe. Deshalb erwirkte Flechsig gegen Gutmann bereits am 8. Mai 2013 eine einstweilige Verfügung, derzufolge jener die Titel im geschäftlichen Verkehr nur noch im türkischen Original und unter Verweis auf die Yeditepe Universität verwenden dürfe. Damit wäre die korrekte Bezeichnung wohl Fahri Profesör Fahri Doktora (Yeditepe Universität Istanbul) Dr. Gutmann, was zwar exotischen Charme versprühen mag, aber hierzulande vielleicht nicht den gleichen wissenschaftlichen Glanz hat wie die deutsche Entsprechung. So leicht gab sich Gutmann selbstredend nicht geschlagen, sondern legte Widerspruch beim Landgericht (LG) Stuttgart ein. Der Titel sei ihm gar nicht in türkischer, sondern in englischer Sprache verliehen worden und richtig ins Deutsche übersetzt; eine Führung in der Originalsprache sehe das Gesetz nicht zwingend vor. Eine Nennung der Yeditepe als verleihende Universität sei zwar möglich, aber nur in Form eines gesonderten, mit einem Sternchen-Vermerk gekennzeichneten Hinweises, nicht im Briefkopf selbst.

Konkurrenzverhältnis trotz Spezialisierung?

Der dortige Richter gab allerdings einem anderen Argument Gutmanns den Vorzug: Da dieser im Ausländerrecht, sein Kontrahent hingegen im Urheber- und Medienrecht spezialisiert sei, handele es sich bei den Streithähnen trotz räumlicher Nähe und anwaltlicher Tätigkeit auf beiden Seiten nicht um Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Folgerichtig mangele es Flechsig an der Klagebefugnis gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG (LG Stuttgart, Urt. v. 29.08.2013, Az. 35 O 40/13 KfH). Für dieses sehr restriktive Verständnis des Mitbewerberbegriffes hat das OLG Stuttgart trotz des zweifellos vorhandenen Trends zur anwaltlichen Spezialisierung wohl nur wenig übrig. Bereits in der Verhandlung am 25. Februar ließ der Vorsitzende Richter Oleschkewitz durchblicken, dass er ein Konkurrenzverhältnis durchaus annehme. Und auch im Übrigen klangen die Andeutungen des Gerichts so, als werde es den Argumenten des Klägers überwiegend den Vorzug geben. Von der Notwendigkeit, die Titel im türkischen Original zu benennen, schien die Kammer indes nicht überzeugt. Die Urteilsverkündung ist für Dienstagnachmittag anberaumt. Sollte Gutmann unterliegen, so dürfte die korrekte Titulatur für ihn in Zukunft lauten: "Prof. h.c. Yeditepe Univ. Istanbul Dr. h.c. Yeditepe Univ. Istanbul Dr. Rolf Gutmann" – und wäre damit vielleicht nicht die klingendste, aber wohl die längste Titelgirlande, die sich ein Anwalt hierzulande vor den Namen heftet. Fast muss man hoffen, dass mit den Jahren nicht noch weitere Ehrengrade hinzutreten, sonst könnte wohl nur noch das "mult." vor einer endgültigen Sprengung des Rahmens bewahren. Falls nicht auch dagegen wettbewerbsrechtliche Bedenken bestehen.

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