Arbeitsrecht at its best: Nicht krankfeiern nach einer Kündigung, AGG-Entschädigung nur bei echtem Jobinteresse fordern und den Kündigungsprozess nicht auf dem Sofa aussitzen: In Erfurt trafen sich das Recht und gesunder Menschenverstand.
Eines kann man dem Gericht in Erfurt nicht nachsagen, nämlich dass es sich zu sehr für die Interessen der Beschäftigten einsetze. Dieses Jahr hat gezeigt: Es geht um Fairness. Und so war keine einzige Entscheidung der Richter und Richterinnen am Bundesarbeitsgericht (BAG) überraschend. Wie interessengerecht das BAG dabei agiert, zeigen vor allem zwei Entscheidungen, die für alle am Arbeitsleben Beteiligten von besonderer Relevanz sind: Zum einen ging es noch einmal um den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU), zum anderen um Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte.
Wer sich nach einer Kündigung krankmeldet, kann sich nicht darauf verlassen, dass der gelbe Schein über alle Zweifel erhaben ist. Das gilt auch, wenn Mitarbeitende bis zum Ende der Kündigungsfrist mehrere AU einreichen und diese nicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ausgestellt sind. Diese Rechtsprechung ist eine angemessene Verschärfung des Umgangs mit Krankschreibungen. Ernsthaft erkrankte Menschen können ihre Arbeitsunfähigkeit unverändert nachweisen. Wer sich aber auf dem sozialen System der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu Lasten anderer ausruhen möchte, kommt damit nicht mehr so einfach durch.
Das BAG hat auch entschieden, dass Teilzeitkräfte ab der ersten Überstunde ebenso einen Zuschlag bekommen wie Kolleg:innen in Vollzeit. Die Vereinbarung über eine Teilzeit sieht einen gewissen Stundenumfang gegen ein konkretes Gehalt vor, Karriere- und Renteneinbußen tragen allerdings die Teilzeitbeschäftigten. Wer sich aber in dieser Situation entgegen dem eigenen Lebensentwurf auf Überstunden einrichtet, muss auch sofort den Zuschlag erhalten.
Einige wichtige Themen aus dem Arbeitsrecht liegen darüber hinaus noch beim Europäischen Gerichtshof (EuGH): So etwa Fragen zur Massenentlassungsanzeige und zur Diskriminierung beim Kirchenaustritt.
1/12 Der Beweiswert der Krankschreibung
Mit dieser Entscheidung hat das BAG einem üblichen, aber oft verwerflichen Treiben weitere Schranken gesetzt: Wer kündigt und sich zeitnah mehrfach arbeitsunfähig meldet, riskiert die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Denn der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann auch dann erschüttert sein, wenn Arbeitnehmende sich innerhalb der Kündigungsfrist mehrfach krankmelden und zugleich während dieser Zeit berufliche Tätigkeiten ausführen (BAG, Urt. v. 18.09.2024, Az. 5 AZR 29/24). Entscheidend ist für das BAG allerdings eine Gesamtschau aller Umstände, der Senat hat die Sache daher ans Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen.
Das BAG hatte bereits im Vorjahr entschieden, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) bei einer passgenauen Krankschreibung zum Ende der Kündigungsfrist erschüttert werden kann (BAG, Urt. v. 13.12.2023, Az. 5 AZR 137/23). Nun hat der 5. Senat diese Rechtsprechung ausgedehnt: Es kann für die Erschütterung ausreichen, dass zwischen der Übergabe der Kündigung und der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht.
Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 01.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56237 (abgerufen am: 12.02.2025 )
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