Im Juni stellte die Justizministerkonferenz einen Gesetzentwurf zur Diskussion, um den elektronischen Rechtsverkehr zu fördern. Das Papier will auch ein für alle Zivil- und Arbeitsgerichte online abrufbares zentrales Schutzschriftenregister einführen. Dabei gibt es eine solche Seite schon. Bei dem privat betriebenen, gemeinnützigen Register auf freiwilliger Basis machen allerdings längst nicht alle mit.
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren muss es schnell gehen. In der Eile treffen die Gerichte häufig Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung nach § 937 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Damit das Gericht nicht allein aufgrund des Antrags verfügt, gibt es die Schutzschrift. Mit einem solchen vorsorglichen Schriftsatz kann der Antragsgegner bei Gericht seine Sicht der Dinge darstellen und so verhindern, dass die eigene Position bei Erlass der einstweiligen Verfügung keine Berücksichtigung findet.
Schutzschriften sind vor allem im gewerblichen Rechtsschutz wie auch im Urheber- und Medienrecht weit verbreitet, weil einstweilige Verfügungen, etwa gegen unwahre oder ehrverletzende Äußerungen, dort von großer Bedeutung sind. Zuletzt erlangte die Schutzschrift aber auch im Arbeitsrecht mediale Aufmerksamkeit: Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer wehrte sich präventiv mit Schutzschriften vor allen deutschen Arbeitsgerichten gegen mögliche vorläufige Unterlassungsanträge der Deutschen Bahn gegen die angekündigten Streiks.
Das Verfahren hat sich gewohnheitsrechtlich entwickelt. Eine gesetzliche Regelung existiert bisher nicht. Das soll sich nun ändern und gleichzeitig soll alles elektronisch werden. Die Justizministerkonferenz hat im Juni einen Diskussionsentwurf vorgestellt, den Hessen nach der Sommerpause gemeinsam mit sechs weiteren Bundesländern in den Bundesrat einbringen will. Das Bundesjustizministerium prüft derweil noch, ob es den Vorschlag der Länder in seinen eigenen Diskussionsentwurf zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs bei den Gerichten aufnehmen will.
Länder wollen ZPO und BRAO ändern
Die ZPO soll um einen § 945a erweitert werden. Die Vorschrift soll die Länder verpflichten, ein zentrales überregionales elektronisches Register für vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz einzuführen. Die Gerichte sollen darauf über ein automatisiertes Abrufverfahren zugreifen können.
Außerdem soll in die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ein § 49c eingefügt werden. Mit der Regelung sollen Rechtsanwälte verpflichtet werden, vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ausschließlich durch Einstellung in das zentrale Schutzschriftenregister einzureichen.
Die Idee ist nicht neu
Ganz neu ist die Idee der Justizminister nicht. Bereits seit 2007 gibt es das Zentrale Schutzschriftenregister (ZSR); eine Internetseite, auf der Schutzschriften hochgeladen und von Gerichten im Bedarfsfall online abgerufen werden können. Die Idee hierzu hatte Rechtsanwalt am Bundesgerichtshof (BGH) Axel Rinkler.
Schon damals Mitarbeiter in einer BGH-Kanzlei, hatte Rinkler zwar selbst nie mit Schutzschriften zu tun. Es kam ihm aber immer etwas merkwürdig vor, wenn Kollegen aus dem gewerblichen Rechtsschutz erzählten, sie hätten gerade wieder ganze Stapel Schriftsätze quasi per reisendem Boten zu irgendwelchen Landgerichten gebracht haben.
Oliver Brexl ist einer dieser Anwälte. Auch er fand sich immer wieder mit Umzugskartons bei der Post wieder. Grund dafür ist der fliegende Gerichtsstand im gewerblichen Rechtsschutz. Zuständig für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist danach jedes Gericht, in dessen Bezirk die Handlung, die unterlassen werden soll, bekannt geworden ist. Mit den Verbreitungsmöglichkeiten des Internets sind häufig bundesweit faktisch alle Gerichte örtlich zuständig. Und es gibt allein über hundert Landgerichte.
Tonnenweise Papier per Briefpost verschicken in einer Zeit, in der so viel online möglich ist? Das konnte Rinkler nicht glauben und registrierte die Domain schutzschriftenregister.de. In der Zeitschrift Multimedia und Recht stellte er seine Idee vor und es dauerte nicht lang, bis die Europäische EDV-Akademie des Rechts (EEAR), hinter welcher der Deutsche EDV- Gerichtstag und das Saarland stehen, ihr Interesse bekundete. Bereits ein Jahr später war das Zentrale Schutzregister da.
DAV begrüßt gesetzliche Regelung, ZSR-Gründer bevorzugt weiter freiwilliges Modell
Die Hinterlegung von Schriftsätzen dort kostet 45 Euro netto. Registrieren kann sich jeder, nicht nur Rechtsanwälte. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesratsinitiative soll die Hinterlegung lediglich zehn Euro kosten. Die Länder sollen das Register aber so beschränken können, dass nur Anwälte es nutzen können.
Die Landgerichte (LG) Saarbrücken, Mannheim und Bremen hatten sich als Piloten für die erste Projektphase zur Verfügung gestellt. Man sah in dem Register einen wesentlichen Beitrag zur effektiven Rechtsverfolgung, so das LG Saarbrücken. Die erste Version ging im September 2007 online. Seitdem haben sich 45 Landgerichte und 17 Amtsgerichte registriert.
Darunter sind auch die Landgerichte Hamburg, Frankfurt am Main und Düsseldorf, nicht jedoch Berlin, München und Köln. "Das sind natürlich sehr wichtige Gerichte", räumt Brexl ein, auch wenn das seine Begeisterung über das Online-Register kaum zu schmälern vermag. Nach Angaben des LG Saarbrücken wird das Register dort allerdings nur sehr zurückhaltend genutzt, schätzungsweise würden höchstens fünf Prozent der eingehenden Schutzschriften elektronisch hinterlegt.
Der Deutsche Anwaltverein, dem auch Brexl als Vorsitzender des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Geistiges Eigentum und Medien angehört, hat sich für eine gesetzliche Regelung eines Online-Registers eingesetzt. Grund für dieses Engagement war nicht zuletzt, dass sich im ZSR bisher kein einziges Arbeitsgericht registriert hatte. Der Diskussionsentwurf der Länder verpflichtet daher nun auch die Arbeitsgerichte zur Registrierung.
ZSR-Gründer bevorzugt freiwilliges Modell
Die Länder verkennen nicht, dass mit dem ZSR bereits ein Online-Register existiert. Sie gehen aber nicht davon aus, dass sich die Gerichte flächendeckend und in absehbarer Zeit registrieren. Zudem biete ein auf freiwilliger und privater Basis betriebenes Register keine verbindliche Gewähr dafür, dass dort eingestellte Schutzschriften von den Gerichten abgerufen und berücksichtigt werden. Denn die Gerichte seien nicht verpflichtet, sich über mögliche Einwendungen einer Partei aus externen Datensammlungen zu informieren. Der Anreiz sei daher groß, Schutzschriften schon in Anbetracht des anwaltlichen Haftungsrisikos weiterhin direkt bei den Gerichten einzureichen.
Rinkler bevorzugt trotzdem weiterhin das freiwillige Modell. "Wenn das jetzt hochoffiziell wird, besteht doch die Gefahr, dass zusätzliche Anforderungen gestellt werden. Sei es aus Gründen des Datenschutzes oder wegen der Gebühren- und Kostenverteilung." Er schlägt vor, dass die Bundesrechtsanwaltskammer als Träger des Registers auftreten könnte, um das Projekt so im Bereich der Selbstverwaltung zu behalten. "Die Leute, die damit arbeiten müssen, sollten das auch umsetzen."
Rinkler hielte es auch nicht für sinnvoll, wenn die Länder nun ein komplett neues Register entwickelten. "Dann wäre wieder eine Übergangsphase zur Umstellung erforderlich, während der beide Register genutzt werden können." Der Plan der Bundesländer sieht aber wohl anders aus. Wahrscheinlich werde eher ein neues, ländergestütztes Register entstehen, sagt der zuständige Referatsleiter im Hessischen Innenministerium Holger Hofmann.
Der Vorschlag vom Anwalt: Automatischer Benachrichtigungsdienst
Einen Verbesserungsvorschlag hat Brexl noch. Er würde gerne darüber benachrichtigt werden, wenn ein Gericht seine Schutzschrift abruft. Denn eine Schutzschrift löst anwaltliche Gebühren aus. Wenn die gegnerische Partei einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dann gar nicht stellt, hat der Mandant Pech gehabt. Er war übervorsichtig und bleibt auf den Kosten sitzen.
Häufig werde aber durchaus ein Antrag gestellt, der Richter sieht die Schutzschrift, informiert den Antragsteller darüber und teilt ihm mit, bei Berücksichtigung der Schutzschrift den Antrag zurückzuweisen oder zumindest eine mündliche Verhandlung anzuordnen. Der Hinterlegende wird darüber nicht informiert. Nimmt der Gegner seinen Antrag daraufhin zurück, hat die Schutzschrift zwar ihren Zweck erfüllt.
Auf seinen Kosten kann der Mandant dennoch sitzen bleiben. Denn nicht jedes Gericht erteilt bereitwillig Auskunft darüber, ob es die Schutzschrift abgerufen hat. Auch hier hat sich eine uneinheitliche Praxis entwickelt. "Daher wäre es fantastisch, wenn man automatisch über den Abruf einer Schutzschrift informiert würde", sagt Brexl.
Claudia Kornmeier, Zentrales Schutzschriftenregister: Alles online statt mit Umzugskarton zur Post . In: Legal Tribune Online, 28.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6936/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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