Zehn Jahre "Patriot Act": The American Way of Terrorbekämpfung

von Robert Peres

04.11.2011

Am 26. Oktober 2011 feierte in den USA der "Patriot Act" seinen zehnten Geburtstag. Das Gesetz räumt innerstaatlichen Ermittlungsbehörden wie dem FBI weitreichende Befugnisse im Kampf gegen Terroristen ein.  Robert Peres erklärt, was die Behörden konkret dürfen und warum es in der amerikanischen Bevölkerung zunächst kaum Widerstand gegen die staatliche Überwachung gab.

Genau 45 Tage nach den Anschlägen des 11. September 2001, als sich die amerikanische Nation nach den Terrorangriffen in einem traumatisierten Zustand befand, wurde von einer großen Mehrheit des US-Kongresses ein Gesetz beschlossen und von dem damaligen Präsidenten George W. Bush unterzeichnet. Zusammengeschnürt hatte das unter dem Titel "USA Patriot Act" erarbeitete Gesetzespaket das Justizministerium unter Anleitung des damaligen Attorney General John Ashcroft. Die Regelungen sollten tief in die amerikanischen Bürgerrechte einschneiden. Der Titel stand für "Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act of 2001", zu deutsch so viel wie: "Gesetz zur Stärkung und Einigung Amerikas durch Bereitstellung geeigneter Instrumente, um Terrorismus aufzuhalten und zu blockieren".

Das Gesetzespaket wurde in einer Rekordzeit von nur 3 Tagen durch den Kongress gepeitscht und erhielt im Repräsentantenhaus 66 und im Senat sogar nur eine einzige Gegenstimme von dem demokratischen Senator Russ Feingold. Der Grund für die schnelle Verabschiedung ist sicherlich auf die Angst der Politiker zurückzuführen. So erklärte etwa die Abgeordnete Lynn Woosley, dass "der Kongress Blut an seinen Händen hätte, würde während der Beratungsphase ein weiterer Terrorakt geschehen". In der Öffentlichkeit regte sich vereinzelt Widerstand, die große Mehrheit der Bevölkerung stand jedoch hinter den Maßnahmen.

Die Ermittlungsbehörden wurden ermächtigt, im großen Stil Daten untereinander auszutauschen und eine weitreichende Überwachung und Kontrolle der Zivilbevölkerung durchzuführen.

Mithören und Mitlesen ohne Richtererlaubnis

So wurde beispielsweise das Erfordernis richterlicher Genehmigung von Telefon- und Internetüberwachung weitgehend aufgehoben und Abhörrechte des FBI erheblich erweitert. Richter mussten lediglich informiert werden, die Maßnahmen aber nicht genehmigen. So verpflichtete der Patriot Act auch Telefongesellschaften und Internetprovider, ihre Daten offenzulegen.

In Titel II des Gesetzes unter der Überschrift "Enhanced Surveillance Procedures" (verstärkte Überwachungsmaßnahmen), wurden Hausdurchsuchungen ohne Wissen des Betroffenen ermöglicht. Die Pflicht zur  Benachrichtigung bezeichnete das Gesetz als "flexibel handhabbar". Im Jahr 2007 wurde diese als "sneak and peek" (schleiche und schaue) bezeichnete Praxis allerdings von einem Gericht in Portland als verfassungswidrig bezeichnet und niedergeschlagen.

Auch Bankkunden wurden gläsern: dem FBI wurde das Recht eingeräumt, Einsicht in  finanzielle Daten zu nehmen, ohne dass Beweise für ein Verbrechen vorlagen. Ein Terrorismusverdacht allein reichte aus, um alle diese grundrechtsbeschränkenden Maßnahmen durchführen zu können.

Wenig Widerstand von den Nicht-Patrioten

Einschneidende Veränderungen gab es auch für Menschen ohne amerikanische Staatsbürgerschaft. Die als "lone wolf" (einsamer Wolf) bekannte Bestimmung erlaubte die spezielle Überwachung von Einzelpersonen, die keiner Terrorvereinigung zuzuordnen waren. Dazu war etwa auch der CIA ermächtigt, der vorher nur im Ausland tätig sein durfte. Der Patriot Act bestimmte überdies, dass Ausländer bei vorliegendem Verdacht ohne Gerichtsverfahren auf Anweisung des Justizministers für unbestimmte Zeit festgehalten werden dürfen. Falls sie der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtigt waren, konnten sie ohne viel Federlesen abgeschoben werden.

Anders als bei den deutschen Notstandsgesetzen von 1968, die aufgrund ihrer Einschnitte in die Grundrechte Mitauslöser der Studentenunruhen waren, gab es in der amerikanischen Gesellschaft zunächst wenig Kritik am Patriot Act. In der Phase direkt nach dem 11. September 2011 waren die Amerikaner bestrebt, alles zu tun, um weitere Anschläge zu verhindern. Wer Kritik äußerte, war unpatriotisch. Der Name des Gesetzes alleine war bereits so programmatisch ausgelegt, dass Kritiker von vorne herein ausgegrenzt werden sollten.

In den zehn Jahren seit der Inkraftsetzung des Patriot Act mehrten sich jedoch die kritischen Stimmen von Bürgerrechtsvereinigungen und Datenschützern. So wird moniert, dass die Behörden ihre ungehinderten Ermittlungsmethoden nun weitgehend im normalen Deliktsbereich, zum Beispiel bei Drogenhändlern einsetzen.

Einige wenige der zunächst erlassenen Maßnahmen sind inzwischen zurück genommen worden, bzw. sind ausgelaufen. Die überwiegende Mehrheit der Bestimmungen sind jedoch jüngst durch Barack Obama bestätigt worden und gelten nun fort bis 2015. Und das, obwohl Obama vor der Wahl versprach, das Gesetz "zurückzuschrauben".

Robert Peres, Rechtsanwalt und Kanzleiberater, arbeitete viele Jahre für große Sozietäten in Deutschland und den USA.

 

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Zitiervorschlag

Robert Peres, Zehn Jahre "Patriot Act": The American Way of Terrorbekämpfung . In: Legal Tribune Online, 04.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4723/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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