Sollte man kennen: Zehn wich­tige BGH-Ent­schei­dungen aus 2024

von Dr. Markus Sehl und Entela Hoti

06.01.2025

K.O.-Tropfen sind kein "gefährliches Werkzeug” 

Wichtige Klarstellung des BGH: Wer jemandem mit einer Pipette heimlich K.O.-Tropfen ins Getränk träufelt, um die Person sexuell gefügig zu machen, begeht zwar Gewalt. Aber er verwendet dabei kein "gefährliches Werkzeug" im Sinne des StGB. 

Im konkreten Fall hatte ein Mann zwei Frauen in seine Wohnung eingeladen und sich entschlossen, ihnen heimlich sogenanntes Gamma-Butyrolacton (GBL) zu verabreichen, das im Körper zu Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB; gemeinhin bekannt als "Liquid Ecstasy" oder auch "K.O.-Tropfen") umgewandelt wird. Er wollte dadurch die Frauen sexuell enthemmen, um dann mit und an ihnen sexuelle Handlungen zu vollziehen. Der Mann träufelte also beiden das GBL in ihre jeweiligen Getränke und erzielte im Verlauf des Abends auch diese von ihm erhoffte Wirkung. 

Die Vorinstanz, das Landgericht (LG) Dresden, verurteilte den Mann unter anderem wegen eines besonders schweren sexuellen Übergriffs (§ 177 StGB) und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten unter Annahme eines minderschweren Falls. Mit der Verabreichung von K.O.-Tropfen habe der Angeklagte nicht nur Gewalt im Sinne von § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB ausgeübt, sondern auch ein "gefährliches Werkzeug" nach § 177 Abs. 8 Nr. 1 bei seiner Tat verwendet. 

Dieser rechtlichen Würdigung erteilte der 5. Strafsenat nun eine Absage (Beschl. v. 08.10.24, Az. 5 StR 382/24). Laut BGH stellten K.O.-Tropfen für sich genommen kein Werkzeug dar. Eine solche Auslegung lasse sich ohne eine Verletzung des in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) geregelten Bestimmtheitsgrundsatzes nicht mit dem Wortlaut der Norm vereinbaren. Dabei komme es auf die konkrete Dosierung oder die Gefährlichkeit des Mittels nicht an. "Bei einem Werkzeug handelt es sich nach allgemeinem Sprachgebrauch um einen für bestimmte Zwecke geformten Gegenstand, mit dessen Hilfe etwas bearbeitet wird. Unter einem Gegenstand versteht man gemeinhin nur feste Körper. Da Flüssigkeiten, wie hier die GBL-Tropfen, aber auch Gase keine feste Form haben, sind sie keine Gegenstände und ihnen kann damit auch keine Werkzeugqualität zukommen." 

Auch dass der Mann die Tropfen mittels eines Gegenstandes, nämlich einer Pipette, in ein Getränk geträufelt habe, führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Vielmehr sei die Pipette im konkreten Fall nicht als "gefährliches Werkzeug", sondern als "Mittel der Beibringung eines gesundheitsgefährdenden Stoffes" anzusehen. 

Zitiervorschlag

Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 06.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56269 (abgerufen am: 20.05.2025 )

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