Sollte man kennen: Zehn wich­tige BGH-Ent­schei­dungen aus 2024

von Dr. Markus Sehl und Entela Hoti

06.01.2025

Vom ersten Leitentscheidungsverfahren bis hin zum vermutlich letzten KZ-Strafverfahren vor einem deutschen Gericht: Auch im Jahr 2024 hat der BGH wichtige Entscheidungen gefällt, von denen man gehört haben sollte.

Das Jahr 2024 war geprägt von wichtigen zivilrechtlichen BGH-Entscheidungen.

So veröffentlichte der BGH seine erste Entscheidung im neuen Leitentscheidungsverfahren und entschied dabei den sog. Scraping-Komplex erstmals höchstrichterlich. Auch prüfungsrelevante Themen wie etwa die Aufrechnung eines Vermieters mit einem verjährten Anspruch oder die Haftung eines Waschanlagenbetreibers hat der BGH entschieden  

2024 dürfte auch das Jahr gewesen sein, in welchem letztmalig ein Strafverfahren zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Massenmorde entschieden wurde.

Im Strafrecht entschied der BGH, dass K.O.-Tropfen kein gefährliches Werkzeug darstellen.

 

Verurteilung einer 99-jährigen KZ-Sekretärin wegen Beihilfe zum Massenmord

Das vermutlich letzte Strafverfahren zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Massenmorde: Die heute 99-Jährige Irmgard F. arbeitete ab 1943 als Zivilangestellte in der Kommandantur des Konzentrationslagers Stutthof. Sie war dort die erste "Chefsekretärin" des KZ-Lagers. Jeder Schriftverkehr zur Organisation und Durchführung des industriellen Massenmordes ging über ihren Schreibtisch. Das Landgericht (LG) Itzehoe entscheid, dass sie damit Beihilfe zum heimtückischen und grausamen Mord in 10.505 Fällen sowie versuchten Mord in fünf weiteren Fällen beging. Die Angeklagte legte Revision ein, der Fall gelangte wegen der grundsätzlichen Fragen zur Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord in Konzentrationslagern zum BGH. 

Der BGH bestätigte die Einschätzung des LG Itzehoe (Urt. V. 20.08.2024, Az. 5 StR 326/23), wonach die ehemalige KZ-Sekretärin durch ihre Dienstbereitschaft den verantwortlichen des Konzentrationslagers bei der systematischen Tötung von Inhaftierten psychische Beihilfe geleistet habe. Über ihren Schreibtisch war fast die gesamte Korrespondenz des Lagers gegangen, inklusive Bestellung des Blausäuregases Zyklon B. Nach den Feststellungen des LG Itzehoe hatte die Angeklagte auch den allgegenwärtigen Geruch von verbrannten Leichen zweifellos wahrnehmen müssen. Der BGH stellte bei seiner Entscheidung auf die in der Beihilfedogmatik entwickelte Figur der "berufstypisch neutralen Handlung mit Alltagscharakter" ab. Er stellte klar, dass wegen des Wissens der ehemaligen KZ-Sekretärin um die Verbrechen ihrer Vorgesetzten und die mit den gleichwohl erbrachten Diensten einhergehende Solidarisierung mit diesen Taten jeglicher "Alltagscharakter" verloren gegangen sei.

Zitiervorschlag

Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 06.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56269 (abgerufen am: 18.01.2025 )

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