Die erste erfolgreiche Klimaklage, eine Bluttransfusion für eine Zeugin Jehovas und zwei Mütter für einen Sohn: Der EGMR hat sich in diesem Jahr mit einem breiten Spektrum an Themen beschäftigt.
Denkt man an das Jahr 2024 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zurück, kommt man an den Klimaseniorinnen nicht vorbei. Denn ihre Klimaklage gegen die Schweiz war die erste, die in Straßburg Erfolg hatte.
Außerdem verurteilte der EGMR Russland wegen Menschenrechtsverletzungen auf der Krim – dabei ging es um Russlands Verhalten nach der Annexion im Februar 2014. Selbst die Folgen des Cum-Ex-Skandals landeten vor dem EGMR, die Beschwerde des Bankiers Christian Olearius blieb aber ohne Erfolg.
Auch zwei weitere Verfahren betrafen Deutschland: Die Abschiebung eines syrischen Flüchtlings nach Griechenland verstoße gegen das Verbot der unmenschlichen Behandlung, so der EGMR. Deutschland hätte sicherstellen müssen, dass der Syrer dort ein angemessenes Asylverfahren erhalte und keiner Misshandlung ausgesetzt sei. Dagegen beanstandete der EGMR es nicht, dass bei einem lesbischen Paar nur eine der beiden direkt als Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen wird und die andere das Kind erst adoptieren muss.
In einem wegweisenden Urteil zum Selbstbestimmungsrecht von Patienten hat der EGMR außerdem Spanien verurteilt. Entgegen ihrer Patientenverfügung hatte eine Zeugin Jehovas dort eine Bluttransfusion bekommen.
Neben spannenden Themen gab es beim EGMR in diesem Jahr auch einen Wechsel an der Spitze: Neuer Präsident ist seit Juli der Slowene Marko Bošnjak, der auf die Irin Síofra O’Leary folgt.
1/6 Klimaseniorinnen siegen vor dem EGMR
Wohl kaum ein Urteil des EGMR hat in diesem Jahr für so viel Aufsehen gesorgt wie das im Fall der Klimaseniorinnen. Auch Greta Thunberg reiste zur Urteilsverkündung nach Straßburg. Die Schweiz muss mehr für den Klimaschutz tun, das steht nach der Entscheidung fest.
Der EGMR stellte den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten her: Staaten können Rechte ihrer Bevölkerung aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzen, wenn sie ihrer Pflicht zum Klimaschutz nicht ausreichend nachkommen. Konkret sah der EGMR eine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben aus Art. 8 EMRK sowie des Rechts auf ein faires Verfahren aus Art. 6 EMRK.
Sowohl die Klimaseniorinnen als Verein als auch vier Einzelklägerinnen – alle über 80 Jahre alt und somit besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels – hatten Individualbeschwerde erhoben. Bemerkenswert ist, dass der EGMR nicht die Beschwerde der Klägerinnen, sondern die des Vereins als zulässig erachtete. Verbände können also im Namen von Betroffenen für mehr Klimaschutz klagen. Es ist davon auszugehen, dass viele Verbände und Umweltorganisationen dem Beispiel der Klimaseniorinnen folgen werden.
Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 02.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56245 (abgerufen am: 14.01.2025 )
Infos zum Zitiervorschlag