Auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat erkannt, dass viele Internetnutzer besonders gut über soziale Netzwerkezu erreichen sind. Doch für ARD und ZDF könnten Auftritte auf Facebook bald der Vergangenheit angehören. Denn Werbefreiheit gibt es künftig nicht mehr zum Nulltarif. Wieso Rundfunkanstalten dennoch Geld in Social Media investieren sollten, weiß Ermano Geuer.
Internetnutzer verbringen ein Fünftel ihrer Zeit bei Facebook. Von dieser Aufmerksamkeit möchten viele Unternehmen profitieren. Da bilden auch Rundfunkanstalten keine Ausnahme. Fanseiten von öffentlich-rechtlichen Sendern gibt es deshalb zuhauf: Einzelne Fernseh- und Radiosender haben ebenso einen eigenen Facebook-Auftritt wie bestimmte Sendungen. Diese Seiten könnten jedoch bald wieder aus dem sozialen Netzwerk verschwinden.
Schuld ist die Werbestrategie von Facebook. Das Unternehmen will auf den Fanseiten der Rundfunkanstalten Werbung platzieren. Dies läuft aber § 11d Abs. 5 des Rundfunkstaatsvertrags zuwider. Die Norm legt fest, wie öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Telemedienangebote zu gestalten haben. Dazu zählen die Internetseiten der Sender, aber auch offizielle Auftritte bei Facebook.
Aus der Vorschrift ergibt sich unmissverständlich die Pflicht, auch Facebook-Auftritte in einem werbefreien Umfeld zu betreiben. Jegliche Online-Aktivität in Bezug auf Telemedien, die direkt mit Werbung in Verbindung steht, ist nach dem Rundfunkstaatsvertrag verboten. Auch Werbeanzeigen auf Facebook bilden da keine Ausnahme.
Werbefreiheit nur noch gegen Bares
Facebook wäre zwar bereit, auch weiterhin werbefreie Fanseiten zur Verfügung zu stellen, jedoch nicht ohne finanzielle Gegenleistung. Ein Preis von umgerechnet ca. 38.000 Euro pro Seite und Jahr wären wohl bald für ein bislang kostenfreies so genanntes "whitelisting" fällig. Für diesen Betrag wird ein werbefreies Umfeld im Netzwerk garantiert. Würde allein das ZDF seine ca. 20 Seiten beibehalten, beliefe sich die zu berappende Summe auf 760.000 Euro jährlich.
Auf Seiten des Zweiten stieß der Vorstoß von Facebook deshalb auf Ablehnung. Man sei nicht bereit, Gebührengelder an Facebook zu bezahlen, Sagte Eckart Gaddum, Leiter Neue Medien bei der Mainzer Sendeanstalt. Konsequenz wäre, dass die Fanseiten der Rundfunkanstalten in ihrer jetzigen Form komplett aus Facebook verschwinden müssten, sobald das soziale Netzwerk auf diesen Werbeanzeigen schaltet. Die Senderverantwortlichen haben bereits angekündigt, die Seite des ZDFneo-Formats "neoParadise" am 20. Februar zu schließen.
Dieses Dilemma ist jedoch kein Hinweis dafür, dass der Rundfunkstaatsvertrag nicht fortschrittlich genug ist. Vielmehr haben ARD und ZDF eine mehr als ausreichende Möglichkeit zur Teilnahme an Telemedien. Genau wie in Server und Pflege der eigenen werbefreien Internetseiten investiert werden muss, wird über kurz oder lang auch Geld in Social Media gesteckt werden müssen, wenn das Angebot werbefrei sein soll. Auch ein Facebook-Auftritt muss schließlich gepflegt und mit Inhalten gefüllt werden. Bei Facebook handelt es sich nun mal eine werbefinanzierte Plattform.
Investition in die digitale Zukunft
Im Vergleich zum Ausland stehen deutsche Landesrundfunkanstalten auch gut da. Nicht viele Regelwerke zeigen sich so technikoffen wie der deutsche Rundfunkstaatsvertrag. So hat beispielsweise die Kommunikationsbehörde Austria Ende Januar dem Österreichischen Rundfunk (ORF) einen Komplettrückzug aus Facebook befohlen. Grund ist das ORF-Gesetz, das dem ORF Kooperationen mit sozialen Netzwerken jeglicher Art verbietet. In Deutschland ist es den Sendern hingegen nicht untersagt, Geld in Facebook-Auftritte zu investieren.
Eine Möglichkeit, ihre Inhalte auch kostenlos in Facebook anzubieten, haben die Rundfunkanstalt aber vielleicht noch: Sie können sich einer so genannten Open-Graph-Seite bedienen, um die Werbebanner zu umgehen. Dann hat der Sender zwar keine eigene Seite bei Facebook, dennoch können User aber auf der Internetseite des Senders über den "Like"-Button bestimmte Infos aus dem sozialen Netzwerk abonnieren. Diese erscheinen dann auf der eigenen Seite des Nutzers.
Ob dieses Angebot von den Internetnutzern angenommen wird, darf bezweifelt werden. Viele haben sich an die Fanseiten gewöhnt. Parallel dazu werden private Fernseh- und Radiosender sowie Printmedien, für welche die Einblendung von Werbung kein Problem ist, Facebook wohl weiter auf diese Weise nutzen. ARD und ZDF sollten, um hier nicht den Anschluss zu verlieren, lieber in ihren Auftritt investieren. Wer wie das ZDF 54 Millionen Euro für 18 – wenn auch sicherlich sehenswerte - Fußball-Champions League-Spiele ausgibt, dem sollte auch ein weitaus geringerer Betrag für Social Media nicht zu viel sein.
Der Autor Ermano Geuer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht an der Universität Passau.
Ermano Geuer, Werbefreiheit nur noch gegen Geld: . In: Legal Tribune Online, 16.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5576 (abgerufen am: 09.10.2024 )
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