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Warnung vor Kontrolleuren und Blitzern: Unerwünschte Solidarität im Verkehr

Adolf Rebler, Dr. jur.

12.08.2011

Facebook-Warner

© Jörg Hackemann - Fotolia.com

Es gibt sie schon für verschiedene Städte, die Facebook-Gruppen, mit denen vor Kontrolleuren in öffentlichen Verkehrsmitteln gewarnt wird. Das erinnert an Rundfunksender und lichthupende Fahrer, die vor Blitzern warnen. Aber ist das wirklich vergleichbar? Wer eigentlich wen solidarisch warnen darf, bevor es teuer wird im Verkehr, erklärt Adolf Rebler.

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Eine plötzliche Lichthupe aus dem Gegenverkehr ist so manchem Autofahrer schon begegnet. Das Zeichen weist das Gegenüber entweder auf ein nicht eingeschaltetes Licht hin oder es ist die Warnung vor einer Blitzanlage. Neuerdings kann auch der Facebook-Nutzer auf ähnliche Phänomene in der virtuellen Welt treffen, denn auch hier gibt es Solidarität: Zwischen den Benutzern von Bus und Bahn.

Die modern Kommunikationstechnik macht es möglich: Taucht irgendwo ein Kontrolleur auf, verbreitet sich die Information im Nu via Facebook. Die Facebook-Gruppen heißen alle ähnlich: "Schwarzfahren Dortmund" oder "Schwarzfahren Düsseldorf", es gibt sie für zahlreiche deutsche Großstädte. Die Mitgliederzahlen gehen in die Tausende. Sobald ein Kontrolleur auftacht, macht die Warnung die virtuelle Runde: "ACHTUNG!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! kontrolle haltestelle buberbacker deich". Erreicht werden die Leute meist über internetfähige Handys.

Die meisten Verkehrsbetriebe nehmen es wohl gelassen, obwohl es sich beim Schwarzfahren nicht gerade um ein Kavaliersdelikt handelt: Nach § 265 a Strafgesetzbuch (StGB) macht sich strafbar, wer die Beförderung durch ein Verkehrsmittel in der Absicht erschleicht, das Fahrgeld nicht zu zahlen. Da diese Absicht aber in der Praxis nur schwer nachzuweisen ist, verlangen die Verkehrsbetriebe von den ertappten Schwarzfahrern ein so genanntes "erhöhtes Beförderungsentgelt", rechtlich gesehen eine Vertragsstrafe.

Der freundliche Winker am Straßenrand

Das Facebook-Phänomen könnte jedoch bald schon die ersten Gerichte beschäftigen. Zumindest, wenn man einen Vergleich mit Warnungen vor mobilen oder fest montierten Blitzanlagen wagt. Gemeint sind die zumeist unbekannten und hilfsbereiten Personen, die an einer sensiblen Straßenstelle durch Winken oder Lichthupen-Signal dafür sorgen, dass man abrupt den Fuß vom Gas nimmt, um so der schon aufgestellten Radarfalle gerade noch zu entkommen.

Egal, wie sehr so mancher Verkehrsteilnehmer auf "seine" Rechte pocht – wenn es darum geht, dem Staat ein Schnippchen zu schlagen, wird die vielfach eingeforderte Solidarität unter Verkehrsteilnehmern ausgelebt. Doch macht sich nicht auch schon der bemühte Helfer strafbar? Oder muss er andere unliebsame Konsequenzen fürchten? Darüber sind sich nicht einmal die Gerichte einig.

Sehr streng geht beispielsweise das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen mit den hilfsbereiten Winkern am Straßenrand um. Mit Beschluss vom 17.01.1997 (Az. 5 B 2601/96) erklärte es eine polizeiliche Ordnungsverfügung für rechtmäßig, mit der einem Warner untersagt worden war, mit einem Schild mit der Aufschrift "Radar" auf Polizeikontrollen hinzuweisen.

Die Gerichte: Von rechtswidrig bis schon ok

Das Gericht sah durchaus eine Rechtsgrundlage für die polizeiliche Verfügung: Aufgrund der polizeilichen Generalklausel können die Freunde und Helfer die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Über die öffentliche Sicherheit sei auch die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen geschützt. Die Polizei sei dazu berufen, den ordnungsgemäßen Betrieb der staatlichen Einrichtungen vor Störungen  von außen zu sichern - unabhängig davon, ob diese einen Straf- oder Bußgeldtatbestand erfüllen.

Wenn jemand vor Radarkontrollen warnt, so die Richter weiter, beeinträchtige er die ordnungsgemäße Durchführung präventiv-polizeilicher Aufgaben auf dem Gebiet der Verkehrsüberwachung und begründe damit eine Gefahr für die öffentliche  Sicherheit.

In  dasselbe Horn stößt das Verwaltungsgericht (VG) Saarland (Beschl. v. 17.02.2004, Az. 6 F 6/04) wenn es eine Anordnung an einen Betroffenen für rechtmäßig erklärt, mit der diesem verboten wird, vor Geschwindigkeitsmessungen "mittels Handzeichen, Schildern, Transparenten und sonstigen Hilfsmitteln" zu warnen.

Wesentlich entspannter reagiert das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Beschl. v. 29.01.1997, Az. 4 Ss 33/97). Nach Meinung der Richter aus dem Ländle ist das Warnen anderer Verkehrsteilnehmer zumindest nicht ordnungswidrig, solange durch die Warnung kein anderer Verkehrsteilnehmer in seiner Fahrweise gefährdet, behindert oder belästigt wird.

§ 16 Straßenverkehrsordnung (StVO) besagt, dass Schall- und Leuchtzeichen nur geben darf, wer sich oder andere gefährdet sieht. Zwar mag man in der Radarkontrolle durchaus eine Gefährdung des Geldbeutels erblicken, doch ist das mit § 16 StVO sicher nicht gemeint. Das OLG Zweibrücken (Beschl. v. 29.09.1982, Az. 1 Ss 257/82) sieht aber immerhin keinen Anlass, einen "Warner" schwerer zu bestrafen als jemanden, der nur aus Übermut die Hupe oder Lichthupe gebraucht.

Alle warnen darf man: Die Meldungen der Rundfunksender

Aber warum ist es dem Einzelnen verboten, was etwa die Rundfunksender dürfen? In der Regel nach den Verkehrsnachrichten vermelden vor allem Lokalsender aktuelle Blitzerstandorte und fordern die Hörer dazu auf, langsam zu fahren. Auch auf diese Frage hatte das OVG Nordrhein-Westfalen eine Antwort: weil behördliche Hinweise auf Radarkontrollen durch Durchsagen oder Schilder die staatliche Tätigkeit nicht unterlaufen, sondern sie vielmehr ergänzen.

Mit ähnlicher Begründung urteilt auch das VG Saarland über den Sachverhalt, in dem einzelne Hörer die Radiosender über entdeckte Blitzanlagen informieren: Meldungen über die von einem Publikum gemeldeten Blitzer seien an eine Vielzahl von anderen Hörfunkteilnehmern gerichtet und deshalb genau wie die behördlichen Hinweise ein pauschaler Appell an die Beachtung der zulässigen Geschwindigkeit.

Angesichts des großen Adressatenkreises bestehe nur ganz allgemein die Möglichkeit, dass auch Verkehrsteilnehmer, die sich dem Kontrollpunkt nähern, gewarnt werden und ihre Geschwindigkeit anpassen. Wer durch Winken oder Betätigen der Lichthupe warnt, wirke dagegen gezielt auf diejenigen ein, die sich der Messstelle nähern und dabei zu schnell unterwegs sind.

Busfahren ist privatrechtlich und Kontrolleure keine Polizisten

Was bedeutet diese ohnehin schon uneinheitliche Rechtsprechung für die neue Variante der solidarischen Warnungen über Facebook? Sie kann wohl schon deshalb nicht herangezogen werden, weil es nicht um die Funktionsfähigkeit staatlicher Organe geht. Städtische Verkehrsbetriebe sind privatrechtlich, sie firmieren als AG oder GmbH. Wer mit dem Bus oder mit der Bahn fährt, schließt mit dem Verkehrsunternehmen einen privatrechtlichen Beförderungsvertrag. Aufgrund dieses Vertrags ist das Unternehmen verpflichtet, den  Fahrgast zu befördern.

Wenn der Kunde den Fahrpreis nicht bezahlt, bleibt dem Verkehrsunternehmen nur die Möglichkeit, den Zahlungsunwilligen des Busses zu verweisen und ein "erhöhtes Beförderungsentgelt" zu verlangen.  Die Kontrolleure sind aber keine staatlichen Organe. Sie üben für das Verkehrsunternehmen nur das Hausrecht aus. Sie haben keine öffentlich-rechtliche Legitimation.

Wer vor Kontrollen warnt, verhält sich im Prinzip nicht anders als die Person, die ihren Nachbarn vor dem Anrücken eines unliebsamen Besuchers warnt. Auch daraus, dass § 265 a StGB das Schwarzfahren als "Erschleichen von Leistungen" unter Strafe stellt, ergibt sich nichts anderes. Denn strafbar macht sich hier nur der Schwarzfahrer selbst. Der nahe liegende Straftatbestand der Strafvereitelung nach § 258 StGB würde jedenfalls voraussetzen, dass die Straftat schon begangen wurde, die vereitelt werden soll. Die Facebook-Warner aber verhindern ja gerade, dass andere User die kontrollierten Verkehrsmittel überhaupt betreten, zumindest aber wenden sie die Vollendung der Straftat ab. Letztlich richten sie ihre Meldung an eine unbestimmte Vielzahl von Personen, was sie mit den Rundfunkwarnern gemein haben.

Was also können die Verkehrsbetriebe gegen die freundlichen Warnungen aus Facebook tun? Wohl das, was die meisten bisher auch schon machen - gelassen bleiben. Der findige Jurist könnte einen Anspruch aus einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Verkehrsunternehmens konstruieren, doch wird dieser an der Unmittelbarkeit der Verletzung scheitern. Ansonsten bliebe nur noch auf den Sinn des Ganzen zu verweisen, und letztlich gilt: für nicht ertappte Schwarzfahrer zahlen alle mit, die ehrlich sind.

Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.

 

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Adolf Rebler, Warnung vor Kontrolleuren und Blitzern: . In: Legal Tribune Online, 12.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4010 (abgerufen am: 12.06.2025 )

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