Es ist eines der zentralen Themen der Piraten: die Anpassung des Urheberrechts an die Möglichkeiten des Internets. Aber auch die anderen Parteien geben sich Mühe, illegale Downloads, öffentliche WLAN-Zugänge und eine Vergütung der Verlage anzugehen. Ihre Vorschläge: eine Kulturflatrate, eine Beschränkung der Haftung von WLAN-Betreibern und eine Verkürzung der Schutzfristen für Urheberrechte.
Die Zahl illegaler Downloads geht seit ein paar Jahren stetig zurück, das Unrechtsbewusstsein in der Bevölkerung steigt. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine jährliche Studie von Musikindustrie, Filmbranche und Buchhandel. So richtig gelöst ist das Problem dennoch nicht und auch die Parteien haben kein Patentrezept parat.
Relativ eindeutig zeichnet sich die Ablehnung der sogenannten Three-Strikes-Lösung ab, nach der illegale Filesharer zweimal verwarnt werden sollen, bevor bei einer dritten Urheberrechtsverletzung eine Sperrung des Internetzugangs folgt. CDU-Mann Siegfried Kauder hatte im Herbst 2011 eine solche Lösung auch für Deutschland ins Gespräch gebracht. Zwischenzeitlich sprach sich die Bundesregierung jedoch gegen Internetsperren aus.
Warnhinweise ohne Internetsperre
Der Kölner Juraprofessor Rolf Schwartmann untersuchte im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums in einer im Januar 2012 vorgelegten Studie die Internetpiraterieproblematik. Er schlug ein alternatives Modell vor. Danach sollte es zu Warnungen kommen, aber nicht zu einer Internetsperre. Für ein solches Warnhinweismodell spricht sich indes keine Partei in ihrem Wahlprogramm aus. Die Grünen und die Piraten lehnen es sogar ausdrücklich ab. Letztere befürchten, dass dafür eine Überwachung der Internetnutzung nötig wäre.
Schwartmann teilt das nicht und hält es für einen praktikablen Ansatz. "Damit würde man auf Kooperation zwischen Rechteinhabern und Providern setzen. Sie läge in der gemeinsamen Aufklärung der Nutzer durch sanktionslose Warnungen im Innenverhältnis zwischen Provider und dessen Kunde. Eine Identifikation des Nutzers stünde wie derzeit unter Richtervorbehalt." Leider sei die Idee am Widerstand der Provider gescheitert, die nicht nur den organisatorischen Mehraufwand gefürchtet hätten, sondern auch negative Auswirkungen auf ihre Beziehung zu den Kunden.
Datenschutzrechtliche Probleme hält der Medienrechtler im Gegensatz zu den Piraten für lösbar. "Die Provider hätten keinerlei Daten an die Rechteinhaber weitergegeben." Der Gesetzgeber hätte die Internetdiensteanbieter aber zu einer anlassbezogenen, kurz befristeten Speicherung der IP-Adresse mit begrenzter urheberrechtlicher Zweckbestimmung ermächtigen müssen.
Eine Deckelung der Abmahnkosten in Verfahren gegen Private, wie sie der Bundestag im Juni beschlossen hat, hält der Kölner Juraprofessor für eine Bagatellisierung. "Das ist mit Blick auf die Aufklärung der Nutzer über den Urheberrechtsverstoß so kontraproduktiv wie die Reduzierung des Bußgeldrahmens für Verkehrsverstöße." Sein Münsteraner Kollege Thomas Hoeren hält den Weg hingegen für richtig, wäre der Gesetzgeber ihn denn konsequent zu Ende gegangen: "Die Ausnahme, die das Gesetz jetzt enthält, wonach die Deckelung des Streitwertes nicht gilt, wenn sie im Einzelfall unbillig wäre, macht ja alles wieder rückgängig. Auf diese Ausnahme werden sich die Richter stürzen."
Kulturflatrate zu welchem Preis?
Die SPD schlägt vor, stattdessen gegen die illegalen Plattformen vorzugehen, auf denen 90 Prozent aller Rechtsverletzungen stattfinden. Diese sollen sich nicht mehr auf allgemeine Haftungsprivilegien berufen können. Die Finanzierung der Plattformen soll unterbunden werden, indem Kooperationen mit Werbetreibenden und Zahlungsdienstleistern sanktioniert werden.
Ähnlich liest sich auch das Programm der FDP: Illegale Angebote sollen gezielt bekämpft werden und dürfen für die Betreiber nicht mehr lukrativ sein.
Die Grünen machen sich für eine Kulturflatrate stark. Die nichtkommerzielle Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken soll legalisiert werden. Im Gegenzug soll für Breitbandanschlüsse eine pauschale Gebühr gezahlt werden, die an die Rechteinhaber weitergegeben werden soll.
Schwartmann bezweifelt nicht nur, dass dieser Vorschlag praktikabel umgesetzt werden kann, sondern auch seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit. "Wenn der Staat Preise festsetzt, dann ist das ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit. Die Urheber würden ihre Selbstbestimmungsfreiheit über den Preis für ihre Werke verlieren."
Außerdem stelle sich die Frage: Eine Flatrate für welche Inhalte zu welchem Preis? 20, 50 oder 100 Euro? "Ich zahle schon die Rundfunkgebühr, außerdem für Simfy und Audible. Das ist ja quasi schon eine Flatrate für bestimmte Inhalte." Schon die Rundfunkgebühr betrage knapp 20 Euro. "Eine Flatrate für 100 Euro für alle Inhalte wäre fast ein Schnäppchen."
Für einen kleinen Bereich kann sich Hoeren eine solche Flatrate vorstellen, und zwar für die Wissenschaft. "Studenten könnten mit dem Semesterbeitrag eine solche Pauschale zahlen und dann Zugriff auf bestimmte wissenschaftliche Literatur haben." Das sei eine überschaubare Gruppe, die in ihren Bedürfnissen so homogen sei, dass eine Flatrate umsetzbar sein sollte.
2/2: Offene WLANs: Ein Raum, in dem sich keiner verantworten muss?
Eng verknüpft mit dem Kampf gegen illegale Downloads ist die Haftung für offene WLAN-Zugänge. Dass diese in Deutschland nicht so verbreitet sind wie in anderen Ländern, liegt an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). "Sommer unseres Lebens" heißt das Urteil, mit dem die Karlsruher Richter Anschlussinhaber dazu verpflichteten, ihren WLAN-Anschluss angemessen vor Urheberrechtsverletzungen durch Dritte zu sichern.
Andernfalls wird für illegale Downloads verschuldensunabhängig gehaftet (Urt. v. 12.05.2010, Az. I ZR 121/08). Was der BGH für die Sicherung privater WLAN-Anschlüsse festgestellt hat, haben untere Gerichte später auch auf öffentliche Zugänge ausgedehnt.
Diese Rechtsprechung wollen die Oppositionsparteien und die FDP mit einer Gesetzesänderung entschärfen. Die CDU äußert sich nicht zu der Frage.
Bereits im Juni stand das Thema auf der Tagesordnung des Bundestags. Die SPD hatte einen Entschließungsantrag vorgelegt, die Linken einen fertigen Gesetzentwurf. Beide Parteien wollten erreichen, dass die Haftungsregeln des Telemediengesetzes (TMG) für Telekommunikationsanbieter auch für Anbieter von öffentlichen WLAN-Zugängen gelten. Nach § 8 TMG sind Telekommunikationsanbieter in der Regel nicht für fremde Informationen verantwortlich, die sie übermitteln oder zu denen sie den Zugang vermitteln. Die Regierungsfraktionen lehnten das Anliegen jedoch ab.
Schwartmann hält nichts von solchen Haftungsbeschränkungen: "Das würde dazu führen, dass niemand mehr für Rechtsverstöße im Internet verantwortlich ist. Man schafft einen Raum, wo Nutzer gezielt Rechtsverletzungen begehen können, ohne dass sich irgendeiner verantworten muss." Die Folge wären viele Opfer und viele anonyme Täter und das nur aus dem Wunsch, immer und überall online zu sein.
Sein Münsteraner Kollege spricht sich dagegen dafür aus, WLAN-Anbieter gesetzlich als Access-Provider einzustufen und ihnen damit die gleichen Haftungsprivilegierungen zukommen zu lassen. Wie man illegalen Filesharern dann auf die Spur kommen kann, sei eine Folgefrage. "Da müsste man über entsprechend Auskunftsansprüche nachdenken."
Goethe-Groschen statt verkürzter Schutzfristen?
Ein weiteres Thema, welches die Piraten beschäftigt, ist die Schutzfrist für Urheberrechte. Diese sei mit derzeit 70 Jahren ab dem Tod des Urhebers zu lang und führe den Sinn des Urheberrechts, nämlich den Urheber zu schützen, ad absurdum. Kein Urheber habe persönlich etwas davon, wenn sein Werk bis weit nach seinem Tod geschützt ist.
Die Partei will die Dauer des Urheberrechts deshalb auf höchstens zehn Jahre nach dem Tod des Urhebers begrenzen. Bei bestimmten Werkarten sollen die Fristen bereits ab der Veröffentlichung laufen, etwa bei Filmen (50 Jahre nach Veröffentlichung) und Software (20 Jahre nach Veröffentlichung). Ähnliches – wenngleich weniger konkret – fordern die Linken.
Schwartmann sieht keinen Grund dafür, an der Länge der Schutzfristen zu rütteln. "Das geistige Eigentum wird damit ja schon schlechter behandelt als das körperliche Eigentum, weil es flüchtiger ist." 70 Jahre – das entspreche einem Menschenleben und damit sei man bisher ganz gut klargekommen. Einer Sozialisierung des Eigentums, sei es des geistigen oder des körperlichen, stehe er zurückhaltend gegenüber.
Hoeren hält den "Goethe-Groschen" für eine gute Idee: Danach soll die Schutzfrist weiter 70 Jahre betragen, während der letzten 20 Jahre sollen die Erträge jedoch einem Fonds zugunsten junger Künstler zugutekommen.
Stiftungsmodelle statt Leistungsschutzrecht?
Zu guter Letzt noch ein Blick auf die Standpunkte der Parteien zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Anfang März verabschiedete der Bundestag das Gesetz, zum 1. August trat es in Kraft.
Gegen Ende der Beratungen schaffte es noch eine Ausnahme für "Snippets" in den Gesetzentwurf. Danach fallen kleinste Textausschnitte nicht unter das ausschließliche Recht der Verleger, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. "Diese Formulierung ist unglaublich schlecht", sagt Hoeren. "Ich möchte nicht als Richter darüber entscheiden müssen, was 'kleinste' Textausschnitte sind."
SPD, Grüne und Linke würden das Leistungsschutzrecht am liebsten gleich wieder abschaffen. Es berge die Gefahr, online verfügbare Informationen und die Medienvielfalt einzuschränken, so die Grünen, die stattdessen eine Debatte über Stiftungsmodelle und die Rolle des Bürgerjournalismus führen wollen. Auch die SPD will nach einem besseren Vorschlag suchen. Gefunden hat sie bisher wohl noch keinen.
Stiftungsmodelle hält Schwartmann für verfassungsrechtlich schwierig. Die Staatsfreiheit der Medien sei gefährdet, wenn der Staat über die Entscheidung der Mittelzuwendung in die Freiheit und Unabhängigkeit der Medien eingreifen könnte. Hoeren meint, man sollte zumindest einmal darüber nachdenken, wenngleich auch hier wieder die Verteilungsgerechtigkeit zum Problem werden könnte.
Wahlprogramme – Teil 7: Mindestlohn als Betondecke zum Keller
Claudia Kornmeier, Wahlprogramme – Teil 8: Zwischen Goethe-Groschen und Kulturflatrate . In: Legal Tribune Online, 17.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9571/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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