Messerverbot im Fernverkehr: Warum das Apfel­schneiden zum Rechts­pro­blem wird

Gastbeitrag von Prof. Dr. Christian Laustetter

12.02.2025

Um die innere Sicherheit zu erhöhen, hat der Gesetzgeber ein neues Messerverbot im Fernverkehr ergänzt. Christian Laustetter analysiert es im Detail und kommt zu dem Schluss: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht – hier erst recht nicht.

Als Reaktion auf die in jüngster Vergangenheit erfolgten tödlichen Messerangriffe, wie zum Beispiel in Brokstedt oder Solingen, hat die Bundesregierung – wie sie selbst so auf ihrer Homepage angibt – "ihre Schlüsse gezogen" und ein Sicherheitspaket vorgelegt. Daraufhin ist am 31. Oktober 2024 das Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems in Kraft getreten, mit dem unter anderem das Waffenrecht geändert worden ist.

 Durch einen neu eingeführten § 42b Waffengesetz (WaffG) ist es nunmehr verboten, Messer in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personenfernverkehrs und in seitlich umschlossenen Einrichtungen des öffentlichen Personenfernverkehrs zu führen. "Führen" bedeutet dabei die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über das Messer außerhalb der eigenen Wohnung, von Geschäftsräumen oder des eigenen befriedeten Besitztums. Wer also im ICE, IC oder Flixtrain ein Messer dabeihat, sei es im Koffer, im Rucksack, im Kinderwagen oder in der Hosentasche, führt dieses auch im öffentlichen Personenfernverkehr. Mögliche Verstöße hiergegen stellen nach § 53 Abs. 1 Nr. 21c WaffG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann.  

Was auf den ersten Blick zunächst nachvollziehbar erscheinen mag, offenbart jedoch bei näherer Betrachtung zahlreiche handwerkliche Mängel.

Wann ist eine Haltestelle "umschlossen"?

So stellt sich zunächst die Frage, was eine "seitlich umschlossene Einrichtung des öffentlichen Personenfernverkehrs" sein soll. Das Gesetz selbst gibt als Beispiele hierzu Gebäude und Haltepunkte an. Das Gebäude ist im Strafgesetzbuch an verschiedenen Stellen als ein durch Wände und Dach begrenztes, mit dem Erdboden fest verbundenes Bauwerk, das dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden, bereits bekannt. Was hingegen genau ein Haltepunkt ist, musste der Autor dieses Beitrags, dem nur der Begriff der Haltestelle bekannt war, in Vorbereitung auf seine Waffenrechtsvorlesung mangels Erläuterung in der Gesetzesbegründung erst durch eine Google-Recherche ergründen, die ihn zur Fahrdienstvorschrift 408.0101A01 – Begriffe der DB Netz AG führte. Haltepunkte sind danach Bahnanlagen ohne Weichen, wo Züge planmäßig halten, beginnen oder enden dürfen.* Es sind also zumindest umgangssprachlich Haltestellen.  

In diesem Zusammenhang ergibt sich bereits die erste gesetzgeberische Ungenauigkeit, denn während die im Gesetz als Beispiele ("insbesondere") für seitlich umschlossene Einrichtungen genannten Gebäude naturgemäß stets seitlich umschlossen sind, setzen die ebenfalls als Beispiele hierfür genannten Haltepunkte mitnichten voraus, dass diese seitlich umschlossen sind. Was der Gesetzgeber eigentlich sagen wollte, aber gesetzgebungstechnisch unzutreffend formuliert hat: Zu den seitlich umschlossenen Einrichtungen des öffentlichen Personenfernverkehrs gehören auch entsprechende Haltepunkte, wenn diese seitlich umschlossen sind.

Zudem darf man sich durchaus weitere Fragen stellen: Heißt "seitlich umschlossen" auf zwei oder vier Seiten? Macht es aus Sicherheitsaspekten wirklich einen gerechtfertigten Unterschied, dass bei Bahnhöfen, bei denen ein Gleis "frei" von der Straße aus zugänglich ist (etwa das Gleis 1 am Bonner Hauptbahnhof) dort mangels seitlich umschlossener Einrichtung ein Messer geführt werden kann, auf Gleis 2, das dann nur durch eine Unterführung durch den Bahnhof als seitlich umschlossene Einrichtung erreicht werden kann, aber nicht? Ergibt es wirklich Sinn, dass bei Bahnhöfen, wo die Gleise komplett außerhalb des Bahnhofsgebäudes liegen, im Bahnhofsgebäude selbst kein Messer geführt werden darf, auf den Bahngleisen mangels seitlicher Umschlossenheit jedoch schon?

Man merkt bereits hier, dass das Gesetz mit "heißer Nadel" gestrickt ist und teilweise zumindest zweifelhafte Ergebnisse liefert. Hier sind Unsicherheiten bei Reisenden und der kontrollierenden Polizei gleichermaßen sowie im Übrigen auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz vorprogrammiert.  

Was zählt eigentlich als Messer?

Ein weiteres Problem: Was ist eigentlich ein Messer? So unübersichtlich das WaffG teilweise auch scheinen mag, in dessen Anlage 1 sind nahezu alle wichtigen Begriffe definiert. Darauf, dort eine dringend benötigte Begriffsbestimmung des Messers aufzunehmen, hat man jedoch auch bei der jetzigen Änderung des WaffG verzichtet. Klar ist jedenfalls: die Art und die Länge spielen keine Rolle. Auch ein zwei Zentimeter langes kleines Multifunktionstaschenmesser ist daher genauso erfasst wie das 15 Zentimeter lange Steakmesser.  

Die Antwort auf die andere wichtige Frage, die etwa bereits der Sachverständige Nils Heinrich in seinem Sachverständigengutachten für den Bundestag völlig zu Recht aufgeworfen hat, bleibt damit weiter unklar: "Sind Messer aus Stahl oder auch aus anderen Materialen, wie z.B. Kunststoff, Bronze, Holz, Stein? Ab wann zählt ein Gegenstand als Messer, muss er dafür über eine schneidfähige Kante verfügen oder ist das Fischmesser aus dem Besteckkasten auch ein Messer?" Man kann diese Fragen zudem auch beliebig weiterführen: Was ist mit einem Brieföffner? Kann man auch eine kleine Einhandaxt oder ein Schwert (das ohnehin schon als Waffe zählt) noch unter den Begriff des Messers fassen?  

Nach gewöhnlichem Sprachgebrauch sowie herkömmlichen Begriffsbestimmungen in Lexika dürfte vom Erfordernis einer schneidfähigen Klinge für ein Messer auszugehen sein. Andererseits hat das Bundeskriminalamt jedoch beispielsweise ein nicht angeschliffenes Butterflymesser aus Edelstahl gleichwohl als verbotenes Butterflymesser eingestuft, da die vollständige Messereigenschaft (also die schneidfähige Klinge) mit gebräuchlichen Werkzeugen (Feile, Schleifstein) uneingeschränkt herstellbar sei (vgl. BKA-Feststellungsbescheid vom 13.06.2016, Az. SO 11-5164.01-Z-388, "Crimson Web Butterfly").  

Für Reisende wie auch die kontrollierende Polizei gilt hier ebenso: Rechtliche Unsicherheiten, so weit das Auge reicht.  

Ausnahmeprobleme: Ein Messer zum Apfelschneiden?

Weil es vom Verbot des Führens von Messern im öffentlichen Personenfernverkehr naturgemäß für bestimmte Fälle Ausnahmen geben muss, hat der Gesetzgeber durch Verweis auf § 42 Absatz 4a Satz 2 WaffG zehn Ausnahmetatbestände geschaffen, unter die zum Beispiel das DB-Personal im Bordbistro fällt. Für den "normalen" Bahnfahrer im Fernverkehr, der im Zug mittels eines Messers einen Apfel schneiden oder mittels des am Taschenmesser befindlichen Flaschenöffners ein Getränk öffnen möchte, ist die Ausnahme nach § 42 Absatz 4a Satz 2 Nr. 10 WaffG relevant. Danach sind vom Verbot Personen ausgenommen, die Messer im Zusammenhang mit einem allgemein anerkannten Zweck führen.  

Obwohl es zunächst nicht so erscheinen mag, ist die Ausnahme jedoch durch die Formulierung "im Zusammenhang" sehr eng formuliert. Die Begrifflichkeit "im Zusammenhang" ist dem Waffenrecht nicht fremd, sie gilt zum Beispiel für bestimmte Tätigkeiten des Jägers (§ 13 Abs. 6 WaffG). "Im Zusammenhang" setzt also immer eine zeitliche wie räumliche Nähe zu der in Rede stehenden Tätigkeit voraus. Dies soll laut Gesetzesbegründung im Fall des Führens von Messern im Personenfernverkehr zum Beispiel dann der Fall sein, wenn das Messer kurzzeitig für das Schälen oder Schneiden von mitgebrachten Speisen benutzt wird.  

Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass das bloße Mitführen des Messers, um dieses irgendwann auf der Fahrt zu einem bestimmten an sich anerkannten Zweck (zum Beispiel zum Essen oder Flasche öffnen) zu benutzen, nach Auffassung des Gesetzgebers gerade nicht unter die Ausnahmevorschrift nach § 42 Absatz 4a Satz 2 Nr. 10 WaffG fallen soll. Vielmehr muss sich das Mitführen des Messers in diesem Fall bis zum Auspacken des Messers zur konkreten Benutzung an der Ausnahmevorschrift nach § 42 Absatz 4a Satz 2 Nr. 3 WaffG messen lassen. Danach sind vom Messerführverbot Personen ausgenommen sind, die ein Messer nicht zugriffsbereit von einem Ort zum anderen befördern.  

Für diese enge Auslegung spricht, dass ansonsten die Ausnahme für Personen, die ein Messer von A nach B bringen (§ 42 Absatz 4a Satz 2 Nr. 3 WaffG) und das Messer irgendwann auf der Fahrt benutzen wollen, komplett leerliefe. Andererseits kann der Gesetzgeber aber auch nicht gewollt haben, dass ein Fahrgast ein Messer in Erwartung einer anerkannten Tätigkeit (§ 42 Absatz 4a Satz 2 Nr. 10 WaffG) über die gesamte Fahrt hinweg griffbereit hat, nur weil er auch einen Apfel mitführt und angibt, diesen später irgendwann schneiden zu wollen. Umgehungsmöglichkeiten wären so auch Tür und Tor geöffnet.

Definitionsprobleme: Wann ist ein Messer "nicht zugriffsbereit"?

So unpraktisch das für Bahnreisende auch ist, heißt das nach aktueller Rechtslage: Bis zum Auspacken des Messers zur konkreten Benutzung (etwa Apfel schneiden oder Flasche öffnen) müssen für den Transport des Messers die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift nach § 42 Absatz 4a Satz 2 Nr. 3 WaffG erfüllt sein, das Messer muss also nicht zugriffsbereit befördert werden.  

Hier ergeben sich dann gleich die nächsten Schwierigkeiten: Ein Messer ist nach der neu ins WaffG aufgenommenen Definition nicht zugriffsbereit, wenn es nur mit mehr als drei Handgriffen erreicht werden kann. Ist etwa bei eingeklappten Klappmessern wie dem klassischen Taschenmesser das mögliche Ausklappen der Klinge, um das Messer "einsatzbereit" zu machen, ebenfalls noch als Handgriff zu werten? Oder ist das Erreichen des eingeklappten Messers mit dem dritten Handgriff bereits als "zugriffsbereit" zu klassifizieren?

Das Messer als Fahrgast einfach im Rucksack, Koffer oder Handtasche zu verstauen, reicht jedenfalls in der Regel für eine fehlende Zugriffsbereitschaft nicht aus, es sei denn, es ist auch im Transportbehältnis noch so gesondert verstaut, dass mehr als drei Handgriffe zum Erreichen erforderlich sind. Besondere Kreativität für eine fehlende Zugriffsbereitschaft setzt eine Reise mit Messer ohne Gepäck voraus. Es empfiehlt sich daher für die zukünftige Bahnreise, ausreichend Frühstückstüten mitzuführen, in die beispielsweise das Taschenmesser nacheinander verpackt werden kann.

Anlasslose Kontrollen obendrein

Zugleich hat die Polizei in § 42c WaffG nunmehr vom Gesetzgeber die Befugnis eingeräumt bekommen, das Mitführverbot von Messern im Personenfernverkehr durch Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen sowie Durchsuchung der Reisenden anlasslos zu kontrollieren. Das ist als polizeiliches Instrumentarium aus Sicherheitsaspekten zwar nachvollziehbar, schießt in der Gesamtschau jedoch deutlich über das Ziel hinaus.  

Solche anlasslosen polizeilichen Kontrollmöglichkeiten sind beim Aufenthalt an kriminogenen Orten sowie in Waffenverbotszonen an sich nichts Neues. Gleichwohl stellt diese neue derart umfassende anlasslose Kontrollmöglichkeit jeglicher Fernverkehrsreisenden in allen Fernverkehrszügen sowie in allen Bahnhofsgebäuden, die auch an den Fernverkehr angebunden sind, einen Grundrechtseingriff dar, der große Zweifel an der Verhältnismäßigkeit aufwirft.

Verbesserungsvorschläge

Eine Nachjustierung durch den Gesetzgeber erscheint insgesamt zwingend erforderlich. Für eine mögliche Definition des Messers wäre wünschenswert, dass ausschließlich – auch nicht schneidfähige – Metallprodukte erfasst sind. Des Weiteren sollte analog zu den meisten Waffenverbotszonenregelungen überlegt werden, Messer mit einer Klingenlänge unter vier Zentimetern vom Verbot generell auszunehmen.  

Für die Ausnahmevorschrift vom Mitführverbot für "normale" Bahnreisende gemäß § 42 Absatz 4a Satz 2 Nr. 10 WaffG empfiehlt sich, die bereits aus anderen Stellen im WaffG bewährte "einfache" Formulierung zu wählen, dass vom Verbot Personen ausgenommen sind, wenn für das Führen des Messers ein "sonstiges berechtigtes Interesse" vorliegt. 

* Der Begriff des Haltepunktes ergibt sich inhaltsgleich auch aus § 4 Abs. 8 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung. Ergänzt am 21.02.2025, 14:20 (Red.).

Der Autor Prof. Dr. Christian Laustetter lehrt an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen Strafrecht und Eingriffsrecht und dabei unter anderem Waffenrecht. 

Zitiervorschlag

Messerverbot im Fernverkehr: . In: Legal Tribune Online, 12.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56571 (abgerufen am: 17.03.2025 )

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