Das BMJ hat einen Vorschlag für "Quick-Freeze" statt anlassloser Vorratsdatenspeicherung vorgelegt. Der Entwurf zeigt sich unbeeindruckt von Forderungen der Bundesinnenministerin und einigen Strafverfolgern.
Am Dienstagmorgen hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einen Vorschlag für die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung vorgelegt. Er setzt auf das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren. Nach dem Referentenentwurf, der LTO vorliegt, soll unter anderem ein neuer Absatz in den Paragrafen 100g der Strafprozessordnung (StPO) aufgenommen werden. Liegt der Verdacht für bestimmte schwere Straftaten vor, kann grundsätzlich erst nach Richterbeschluss die Sicherung noch vorhandener bzw. künftig anfallender Verkehrsdaten angeordnet werden. Sie werden "eingefroren". Ab dann haben Strafverfolgungsbehörden maximal einen Monat Zeit, einen weiteren Richterbeschluss zu erwirken, damit sie die eingefrorenen Daten zur Auswertung erhalten.
Die erste Anordnung kann auch noch ohne Bezeichnung einer konkreten Person geschehen und sich etwa auf Verbindungsdaten an einem bestimmten Tatort und seine Umgebung beziehen. Verkehrsdaten sind zum Beispiel Angaben darüber, wer mit wem wann telefoniert hat, der Standort eines Mobiltelefons oder auch eine IP-Adresse, die darüber Auskunft gibt, von welchem Internetanschluss eine Website angewählt wurde.
Quick-Freeze nicht ohne kleine, freiwillige Vorratsdatenspeicherung
Solche Verkehrsdaten fallen bei den privaten Telekommunikationsanbietern wie etwa der Telekom an und werden dort von den Anbietern auch noch einige Tage gespeichert – zum Beispiel zu Abrechnungszwecken.
Im Ausgangspunkt ist auch das Modell von Quick-Freeze so auf eine freiwillige Vorratsdatenspeicherung im Kleinen angewiesen. Denn wo die Anbieter nicht wenigstens für eigene Zwecke einige Tage Verbindungsdaten ihrer Kundinnen und Kunden speichern, gibt es auch nachträglich nichts zu holen. Um diesen Vorrat kommt auch "Quick-Freeze" nicht herum. Das räumt die Begründung zum Entwurf auch ein.
Bei den schweren Straftaten, die eine Speicheranordnung grundsätzlich rechtfertigen können, orientiert sich der Entwurf an dem Katalog des § 100a StPO. Sein Absatz 2 zählt Straftaten wie Mord, Landesverrat, Straftaten gegen die Landesverteidigung, aber auch Formen des Bandendiebstahls, des Raubs oder schwere Formen des Betrugs auf.
Entwurf sieht keine Regelungen zur "Login-Falle" vor
Einem anderen politisch diskutierten Modell erteilt der BMJ-Entwurf eine Absage. "Ergänzender Vorschriften zur Einführung einer sogenannten Login-Falle, also der Erhebung einer aktuellen IP-Adresse bei der nächsten Nutzung eines Telemediendienstes zum Zwecke der Identifizierung des Nutzers, bedarf es nicht.", heißt es in der Begründung zum Entwurf. Diese Option war als grundrechtschonende Lösung ins Spiel gebracht worden. Der BMJ-Entwurf sieht die bereits existierenden Regelungen in § 100k StPO zur Erhebung von IP-Adressen bei Anbietern als ausreichend an.
Der BMJ-Entwurf hat damit umgesetzt, was Buschmann seit Wochen und Monaten angekündigt hat: Eine möglichst anlassbezogene Alternative zur Vorratsdatenspeicherung, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) Ende September das deutsche Modell für unionsrechtswidrig erklärt hat. Sein Referentenentwurf ging am Dienstagmorgen in die Ressortabstimmung mit den anderen Ministerien.
Von Forderungen der Innenministerin unbeeindruckt
Dort dürfte er aber zu allem anderen als einem Selbstläufer werden. Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will die Formulierung aus dem gemeinsamen Koalitionsvertrag ("Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können.") so auslegen, dass für die deutsche Vorratsdatenspeicherung noch mehr drin ist als nur "Quick-Freeze". Sie setzt auf die anlasslose Speicherung von IP-Adressen, einen Spielraum, den der EuGH in seinem Urteil zugelassen hat. Unterstützt werden ihre Forderungen von Stimmen der Missbrauchsbeauftragten und einigen Strafverfolgern, sie sorgen sich um ein schlagkräftiges Instrument für die Kriminalitätsbekämpfung.
Der Entwurf aus dem BMJ, welches die Federführung für das Projekt hat, enthält offensichtlich keine Zugeständnisse an Faeser. Ob diese im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch zu machen sein werden, werden die kommenden Wochen zeigen.
Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49976 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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