2/2: Letzte Hoffnung EuGH
All diese Einschränkungen werden die Kritiker der Vorratsdatenspeicherung jedoch kaum besänftigen können. Denn aus deren Sicht ist bereits die Speicherung der Daten an sich grundsätzlich abzulehnen. Und eine solche ist nunmehr vereinbart worden. Insofern haben sich die Netzpolitiker, die auch in den Reihen der Koalitionsparteien zu finden sind, mit ihrer Skepsis nicht durchsetzen können.
Deren letzte Hoffnung ruht daher auf einem derzeit vor dem EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahren, in dem über die Rechtmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung entschieden wird. Konkret geht es dabei um die Vereinbarkeit mit Artt. 7 und 8 der Grundrechtecharta der EU, die die Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Kommunikation und den Schutz personenbezogener Daten gewährleisten. Sollten die Luxemburger Richter die EU-Richtlinie für ungültig erklären, entfiele die unionsrechtliche Pflicht zu ihrer Umsetzung, mit der Deutschland schon seit dem Karlsruher Votum in Verzug ist.
Wettlauf mit der Zeit
Ob der EuGH der künftigen Bundesregierung hier zuvorkommen wird, hängt davon ab, wie rasch die Große Koalition ihre Pläne in die Tat umsetzen wird. Aus unionsrechtlicher Sicht jedenfalls haben die Befürworter einer schnellen Umsetzung die besseren Argumente, da Deutschland eigentlich unverzüglich handeln müsste, also ohne den Luxemburger Richterspruch abzuwarten. Dies könnte allerdings dann, wenn Luxemburg die Vorratsdatenspeicherung nach deren Implementierung in Deutschland tatsächlich kippen sollte, zu einer komplexen Situation führen.
Denn nach der im juristischen Schrifttum nicht unumstrittenen Rechtsprechung des BVerfG wäre in einem solchen Falle das deutsche Umsetzungsgesetz nicht automatisch ebenfalls unbeachtlich, sondern an den deutschen Grundrechten zu messen. Die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit einer Vorratsdatenspeicherung hatte Karlsruhe in seiner Entscheidung aber gerade bestätigt. Unklar wäre, ob man dort im Lichte einer divergierenden EuGH-Entscheidung zu einem anderen Ergebnis käme. Und ob die Große Koalition hieraus Konsequenzen ziehen und eine einmal eingeführte Vorratsdatenspeicherung wieder abschaffen würde, erscheint ebenso ungewiss.
Damit es gar nicht erst zu einer solchen Lage und der damit verbundenen Unsicherheit kommt, wäre es wünschenswert, wenn der EuGH sich nicht allzu viel Zeit ließe. Dies nicht zuletzt auch aus Sicht der Telekommunikationsunternehmen, die mit der aufwendigen, weil hohen verfassungsrechtlichen Vorgaben bezüglich der Datensicherheit unterliegenden Speicherung belastet sind.
Besondere Eile wäre geboten, falls der Generalanwalt am EuGH in seinen für den 12. Dezember angekündigten Schlussanträgen die Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit den europäischen Grundrechten halten sollte. Da dies ein Fingerzeig wäre, wohin die Reise geht, bestünden in einem solchen Falle gute Chancen, dass aus dem scheinbaren K.o. der Frau Leutheusser-Schnarrenberger noch ein später Triumph wird.
Der Autor Sören Rößner, LL.M. ist Rechtsanwalt und Mitgründer der Kanzlei MMR Müller Müller Rößner, Berlin, die unter anderem auf das Telekommunikationsrecht, das Medienrecht und das Urheberrecht spezialisiert ist. Zudem fungiert er als Justiziar des Fachverbandes für Rundfunk- und BreitbandKommunikation (FRK).
Sören Rößner, Koalitionspläne zur Vorratsdatenspeicherung: . In: Legal Tribune Online, 03.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10237 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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