Ab wann wird das Gläschen Schampus in der VIP-Lounge ein Fall für den Staatsanwalt? Auf einer Tagung befassen sich Sportrechtler mit einem überarbeiteten Leitfaden, der Sponsoren und VIPs helfen soll, strafrechtliche Risiken zu vermeiden.
Rechtliche Fragen rund um den Genuss von Häppchen und edlen Tropfen in VIP-Bereichen von Sportstätten zählen eigentlich nicht zum Tagesgeschäft von Sportrechtsanwälten. Kümmern sich diese doch in erster Linie um die rechtlichen Belange ihrer Mandanten, also Athleten oder Vereine. Und doch überrascht es nicht, dass sich die im Deutschen Anwaltverein (DAV) organisierten Sportrechtler auf ihrer Jahrestagung in Köln einmal akribisch die Zusammenhänge von sogenanntem Hospitality, also Einladungen von Geschäftspartnern zu Sportveranstaltungen, und Strafrecht erklären ließen. Schließlich geht es doch zumindest mittelbar ums (sportliche) Überleben der potentiellen Mandantschaft.
Hospitality-Einnahmen sind für Vereine und damit letztlich auch für die Sportler existentiell. Für Unternehmen bedeutet Hospitality oft eine vielversprechende Investition, die gerne genutzt wird. Die in vielen Stadien vorhandenen Business-Logen sind eine ideale Plattform, um Kontakte zu knüpfen, zu pflegen und Kunden zu binden. Von Vereinen werden mitunter komplette Hospitality-Pakete zum Verkauf angeboten. Für sie ein überaus lukratives Geschäft: Beim FC Bayern kostete in der vergangenen Spielzeit die teuerste Loge 304.000 Euro. Im Schnitt verlangten die Bundesligisten letzte Saison für ihre jeweils teuersten Business Seats 6832 Euro.
Dass das Thema auf der Tagesordnung der diesjährigen Sportrechts-Tagung landete, ist letztlich einem weiteren, besonderen Umstand zu verdanken: Die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts in der letzten Wahlperiode und Entwicklungen in der Rechtsprechung haben die Interessenverbände, die Vereinigung der Sportsponsoring-Anbieter (VSA) und den Verein "S20-The Sponsor's Voice" (S20) dazu veranlasst, einen älteren Leitfaden von 2011 zu "Hospitality und Sportrecht" auf den neuesten Stand zu bringen. An der Orientierungshilfe, die Sponsoren eine rechtmäßige Einladungspraxis ermöglichen soll, haben auch das Bundesinnen- und justizministerium mitgewirkt.
"Im ureigensten Interesse aller Akteure des Sports"
"Rechtsunsicherheit in diesem Bereich zu beseitigen, liegt im ureigensten Interesse aller Akteure des Sports und seiner Partner", sagt Rechtsanwältin Inka Müller-Schmäh, die als Geschäftsführerin der VSA den Leitfaden in Köln präsentierte. Müller-Schmäh, die neben ihrer Anwaltstätigkeit 16 Jahre als FIFA-Schiedsrichterin und 20 Jahre als Unparteiische in der Frauenbundesliga gepfiffen hat, ist von der überragenden Bedeutung des Sponsorings und Hospititality für den Sport überzeugt: "Es geht ja nicht nur um die höchsten Fußballigen. VIP-Zelte, in die Wirtschaftspartner eingeladen werden und einladen, sind auch bis in die Kreisligen für so manchen Verein notwendig für seine Finanzierung."
Und auch für den "normalen" Fan in der Kurve, der den Ausbau von VIP-Bereichen im Stadien eher mit einer gewissen Portion Abneigung verfolgt, haben VIP-Lounges nach Meinung von Rechtsanwältin Müller-Schmäh am Ende etwas Gutes: "Hospitality-Einnahmen helfen durch eine Quersubventionierung unter anderem dabei, Ticketpreise einigermaßen stabil zu halten."
Klar ist: Ein Rückzug der Sponsoren wegen der Angst vor rechtlichen Konsequenzen hätte fatale Auswirkungen auf den Sport insgesamt. Die Sportverbände und -vereine wären ohne Sponsoren nicht mehr in der Lage, ihr heutiges Angebot aufrecht zu erhalten. "Hospitality-Einnahmen sind ein wichtiger Baustein in der Finanzierung des Sports, zum Beispiel auch wenn es um den Umbau oder Neubau von Stadien geht", erläutert Müller-Schmäh.
Doch wo hört Gastfreundschaft auf, und wo fangen die Korruptionstatbestände an? Der Gesetzgeber schiebt dem grenzenlosen Häppchen-Vergnügen im bequemen Ledersessel an der ein oder anderen Stelle den Riegel vor. Eine bestimmte Einladungspraxis kann dem geltenden Recht widersprechen und strafrechtliche Ermittlungen zur Folge haben, wenn ihr eine "Unrechtsvereinbarung" im Sinne der Korruptionsdelikte zugrunde liegt. In Betracht kommen vor allem die Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung, geregelt in den §§ 299 ff. des Strafgesetzbuchs (StGB) und der Vorteilsannahme und -gewährung (§§ 331 ff. StGB). Darüber hinaus gilt für Mitglieder von Parlamenten und vergleichbaren Vertretungsorganen des Bundes und der Länder sowie auf europäischer und kommunaler Ebene der Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e StGB).
Tipps für eine legale Einladungspraxis
Verschärft und ergänzt wurden diese Vorschriften teilweise durch das am 1. September 2014 in Kraft getretene Achtundvierzigste Strafrechtsänderungsgesetz – Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung, das am 26. November 2015 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Korruption und das am 4. Juni 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen.
Um strafrechtlich nicht belangt zu werden, hält der von den Sponsorenverbänden VSA und S20 in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung entwickelte Leitfaden nunmehr diverse Tipps vor: VIP-Einladungen an Geschäftspartner sollten stets in transparenter Weise erfolgen und daher an die offizielle Geschäftsanschrift adressiert sein. Zudem sollten sie nicht den Vermerk "persönlich/vertraulich" enthalten. In der Einladung sollte eine "genaue Bezeichnung des Einladungsinhalts nach Art und Umfang" erfolgen und diese sollte unter dem Vorbehalt der Genehmigung des Dienstherrn oder des Arbeitgebers erfolgen.
Bei Einladungen von Angestellten und Beauftragten von Unternehmen aus der Privatwirtschaft sei zwar die bloße Zuwendung von Vorteilen für die Geschäftsausübung nicht strafbar. Verboten sei hingegen die Zuwendung von Vorteilen als Gegenleistung für unlautere Bevorzugungen im Wettbewerb oder eine Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen. Und auch die Einladung von Partnern und Familienangehörigen eines Amtsträgers sei ausnahmsweise nur dann zulässig sein, wenn die Miteinladung sozial angemessen oder üblich ist (z. B. Einladung zum Ball des Sports, Opernball).
"Unklare Rechtslage"
Die vielen Ratschläge im überarbeiteten Leitfaden reichen indes manchem Praktiker unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht aus. Für den Düsseldorfer Wirtschaftsanwalt und Leiter der Prozessrechtsabteilung der Kanzlei Simmons & Simmons, Hans-Hermann Aldenhoff, herrscht immer noch "große Verunsicherung hinsichtlich der Grenzen des rechtlich Zulässigen". Es sei nach wie vor unklar, wann sich die Beteiligten im Bereich des Erlaubten befinden und wann ein strafbares Verhalten vorliege. "Die Grenzen sind fließend und die Rechtsprechung uneindeutig", beklagt Aldenhoff im Gespräch mit LTO.
Neben den strafrechtlichen Fragen bereite zudem auch die steuerrechtliche Behandlung von Hospitality-Einladungen, insbesondere bei Betriebsprüfungen, Probleme: "Die Frage, ob Aufwendungen für solche Einladungen abzugsfähig sind, ist äußerst schwierig und komplex", so Aldenhoff.
Aus Sicht des Wirtschaftsstrafrechtlers stellen weder die Gesetzgebung noch die Rechtsprechung klare Kriterien zur Abgrenzung von zulässiger Kundenpflege und strafrechtlich relevantem Verhalten bereit. Eine Konkretisierung der bisherigen unbestimmten Tatbestandsmerkmale in den Korruptionsvorschriften sei nötig, meint Aldenhoff. Unter anderem erhofft er sich vom Gesetzgeber, dem Aspekt der Sozial-Adäquanz stärker Rechnung zu tragen: Der Gesetzgeber sollte eine Bagatellgrenze ins Gesetz schreiben.
Solange dieser keine Klarheit schaffe, hätten Compliance-Richtlinien eine besondere Bedeutung für den rechtssicheren Umgang mit Hospitality-Einladungen. Derartige Richtlinien seine das geeignete Mittel, um einem Imageverlust sowie strafrechtlichen Sanktionen vorzubeugen.
Hasso Suliak, Sportsponsoring und Korruption: . In: Legal Tribune Online, 09.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29641 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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