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VG Hamburg verhandelt über Polizeieinsätze: Racial Pro­fi­ling auf St. Pauli?

von Annelie Kaufmann

12.08.2020

Hamburger Polizist in Uniform

(c) stock.adobe.com - nmann77

Ein Mann aus Togo wirft der Hamburger Polizei vor, ihn auf Grund seiner Hautfarbe immer wieder zu kontrollieren. Menschenrechtsorganisationen fordern erneut eine Studie zu Racial Profiling in Deutschland.

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Das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg verhandelt am heutigen Mittwoch über Polizeieinsätze der Task Force Drogen. Ein Mann aus Togo wirft den Beamten vor, sie hätten ihn zwischen 2017 und 2018 im Hamburger Stadtteil St. Pauli vier Mal rechtswidrig kontrolliert – offenbar weil er schwarz ist.  

Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hält das für einen Fall von Racial Profiling: "Die Verdächtigungen und Kontrollen der Hamburger Polizei waren rassistisch motiviert. Grund für die Einsätze war einzig und allein die Hautfarbe des Klägers. Das hatte nichts mit polizeilicher Fahndungsarbeit zu tun und ist deswegen grund- und menschenrechtswidrig", so Kaleck. Die Task Force agiert seit April 2015 mit Schwerpunkteinsätzen in den Hamburger Stadtteilen St. Pauli, St. Georg und dem Schanzenviertel. Der Kläger wird vor Gericht von ECCHR-Kooperationsanwalt Carsten Gericke vertreten.  

Die Kontrollen der Task Force Drogen sind in Hamburg seit Jahren umstritten. Es gab mehrfach Proteste gegen das Vorgehen der Polizei. Bereits 2017 kam es zu einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Nach Angaben des Hamburger Senats räumte die Polizei damals ein, in einzelnen Fällen unverhältnismäßig gehandelt zu haben.  

Über Racial Profiling wird jedoch längst bundesweit diskutiert, auch im Zuge der "Black Lives Matter"-Bewegung. Immer wieder berichten Betroffene von Polizeikontrollen und werfen den Beamten vor, sie auf Grund ihrer Hautfarbe zu verdächtigen. Polizeivertreter wehren sich vehement gegen die Vorwürfe.  

Deutsches Institut für Menschenrechte fordert Studie 

Die Bundesregierung hatte zunächst eine Studie angekündigt, mit der untersucht werden sollte, inwiefern Racial Profiling bei Polizeieinsätzen eine Rolle spielt. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarates hatte dem Bund und den Ländern im März 2020 empfohlen, eine Studie zur polizeilichen Praxis des Racial Profiling in Auftrag zu geben. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach sich jedoch dagegen aus, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wollte daran festhalten.  

ECCHR-Generalsekretär Kaleck mahnte eine Untersuchung an: "Die willkürlichen Polizeikontrollen schwarzer Menschen sind Ausdruck eines strukturellen Rassismus in Deutschland. Es ist überfällig, dass sich Justiz und Politik dies umfassend anerkennen und aufarbeiten."

Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hat Bund und Länder nun erneut aufgefordert, die polizeiliche Praxis zu überprüfen. "Die Methode des Racial Profiling ist grund- und menschenrechtswidrig", so Beate Rudolf, Direktorin des DIMR. "Eine (selbst-)kritische Auseinandersetzung mit polizeilicher Praxis sollte im Rechtsstaat selbstverständlich sein." Das sei auch im Interesse der Polizei.  

Dass Diskriminierung auf Grund der Hautfarbe oder der vermeintlichen Herkunft verboten ist, steht außer Frage. Unklar ist jedoch, inwiefern das in der Praxis eingehalten wird. Das DIMR betont, die Motivation der Beamten sei nicht entscheidend: Es sei irrelevant, ob sie aus einer rassistischen Grundhaltung diskriminierend handeln oder davon ausgehen, in der Erfüllung dienstlicher Pflichten zu handeln, ohne sich ihres diskriminierenden Handelns bewusst zu sein.  

Berlin hat seit Juni ein Landesantidiskriminierungsgesetz, das es Betroffenen erleichtern soll, gegen Diskriminierungen vorzugehen – insbesondere auch bei Polizeikontrollen. Bei Vertretern der Polizei stieß das auf massive Kritik, zwischenzeitlich kündigten andere Länder an, keine Polizisten mehr nach Berlin zu entsenden. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) musste auf der Innenministerkonferenz klarstellen, dass das neue Berliner Antidiskriminierungsgesetz nur für die Berliner Verwaltung gilt.  

Umstrittene anlasslose Kontrollen und Lagebilder 

Umstritten ist auch, wie bei anlasslosen Kontrollen vorzugehen ist. Die Bundesregierung vertritt die Ansicht, hier handele es sich nur dann Racial Profiling, wenn physische Merkmale wie Hautfarbe das einzige beziehungsweise ausschlaggebende Kriterium für eine polizeiliche Maßnahme sei.  

Das DIMR kritisiert das. So habe bereits 2016 das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz klargestellt, dass die Kontrolle auch dann unzulässig sei, wenn die Hautfarbe eines von mehreren Kriterien war, die zur Kontrolle führten. Das Gericht erklärte damals eine Kontrolle im Zug für unzulässig: Liege der Auswahl der befragten Person ein Motivbündel zugrunde und sei dabei die Hautfarbe ein die Entscheidung zur Durchführung der Kontrolle tragendes Kriterium unter mehreren, sei ebenfalls ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot anzunehmen, so das OVG. Eine Kontrolle in Anknüpfung an die Hautfarbe sei unzulässig. 

Das DIMR hält es in seiner Stellungnahme zudem für falsch, dass polizeiliche Lagebilder solche Kontrollen rechtfertigen, wenn darin bestimmte Kriminalitätsfelder in bestimmten Gegenden bestimmten "Ethnien" oder "ethnischen Gruppen" zugeordnet werden. Das Diskriminierungsverbot solle ja gerade Menschen vor staatlichen Eingriffen schützen, die an äußerliche Merkmalen anknüpfen und Menschen dabei pauschal bestimmte Eigenschaften zuschreiben. Deshalb müssten auch die Lagebilder daraufhin überprüft werden, ob sie – auch versteckte – rassistische Kategorisierungen vornehmen würden.  

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Annelie Kaufmann, VG Hamburg verhandelt über Polizeieinsätze: . In: Legal Tribune Online, 12.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42475 (abgerufen am: 12.11.2025 )

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