Nach dem Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber von netzpolitik.org gibt es Überlegungen, Journalisten aus dem Anwendungsbereich der §§ 93 ff. StGB auszunehmen. Martin W. Huff hält davon wenig – auch und gerade wegen des Cicero-Urteils.
Selten standen die §§ 93 ff. des Strafgesetzbuches (StGB), die den Verrat von Staatsgeheimnissen an eine fremde Macht mit einer Mindeststrafe von einem Jahr belegen, so im Fokus wie in den vergangenen Tagen. Seit die am heutigen Montag eingestellten Ermittlungen gegen die Betreiber des Blogs netzpolitik.org wegen Veröffentlichung von als vertraulich eingestuften Dokumenten bekannt wurden, wurden Forderungen laut, Journalisten generell von diesem Tatbestand auszuschließen.
Kern der derzeit geltenden Vorschriften ist § 93 StGB. Die Regelung definiert, was ein Staatsgeheimnis ist: Dies sind nur Tatsachen, die vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.
Bereits de lege lata werden damit Hürden aufgestellt, die sehr hoch sind. So reicht ein einfacher Nachteil nicht aus und es muss zudem die "äußere Sicherheit" gefährdet werden. Was unter diesen Begriff fällt, muss bei einer Strafanzeige die Ermittlungsbehörde, im Fall netzpolitik.org der Generalbundesanwalt, sehr sorgfältig prüfen. Und diese Bewertung muss auch berücksichtigen, dass dann, wenn ein Geheimnis in der Öffentlichkeit bereits bekannt ist, schon schnell fraglich ist, ob es noch ein Staatsgeheimnis ist.
Nur dann, wenn dieses öffentlich bekannt gemacht wurde und durch die Veröffentlichung die Gefahr eines "schweren Nachteils für die äußere Sicherheit" besteht, wird der objektive Tatbestand des § 94 StGB verwirklicht.
Rechtsgut der Vorschrift ist die staatliche Sicherheit und Ordnung, wenn auch unter besonderen Voraussetzungen.
"Jedermann" in Zeiten des Internets
Begehen kann die Straftaten nach §§ 94, 95 StGB also jedermann, der eine Veröffentlichung vornimmt. Dieses "jedermann" hat sich naturgemäß verändert: Während früher nicht jeder Bürger überhaupt etwas "öffentlich bekanntmachen" konnte, macht das Internet das heute möglich. Jeder Bürger kann sich auf verschiedenen Wegen (Soziale Medien, Blogs etc.) an die Öffentlichkeit wenden. Berichtet er über ein Staatsgeheimnis und veröffentlicht er sogar noch das originale Dokument, kann er Täter im Sinne der §§ 94 ff StGB sein.
Bisher war unbestritten, dass auch "Journalisten" an Recht und Gesetz gebunden sind. Art. 5 Grundgesetz (GG) – die Informationsfreiheit – steht ausdrücklich unter einem Gesetzesvorbehalt. Journalisten können also selber Straftaten begehen.
So hat der Gesetzgeber auch nach dem vielzitierten Cicero-Urteil des Bundesverfassungsgerichts beim Geheimnisverrat in § 353b Abs. 3a StGB ausdrücklich nur eine Beihilfehandlung nicht als rechtswidrig angesehen. Bei der Änderung durch das Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht im Jahr 2012 (PrStG) stand außer Frage, dass eine aktive Handlung, etwa eine Anstiftung zum Geheimnisverrat, strafbar bleiben soll.
Wer ist eigentlich "Journalist"?
Die Überlegung, Vertreter der Medien von dem Tatbestand auszunehmen, begegnet verschiedenen Bedenken. Schwierig wäre das bereits, weil gesetzlich gar nicht definiert ist, was ein "Journalist" ist.
Der Gesetzgeber wählt bisher eine andere Variante: Er gibt in § 53 Abs. 1 Nr. 5 Strafprozessordnung (StPO) denjenigen Personen ein Zeugnisverweigerungsrecht, die bei der "Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken".
Also kann sich nicht jeder Blogger und nicht jeder, der sich als "Journalist" bezeichnet, auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Hier stellen die Gerichte bisher relativ hohe Anforderungen. Verschiedene Oberverwaltungsgerichte haben etwa entschieden, dass alleine das Anbieten von Informationen, z.B. zu öffentlichen Vergaben, noch nicht unter diese Begriffe fällt und haben ein Auskunftsrecht der Betreiber solcher Internetauftritte verneint. Also gäbe es hier in Zukunft schon erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten.
Martin W. Huff, Verrat von Staatsgeheimnissen: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16552 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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