Vermummte Polizisten: Schutz­schild Anony­mität

Klaus Weber

20.10.2010

Im Streit über Stuttgart 21 mehren sich die Stimmen für einen Untersuchungsausschuss wegen der möglicherweise strafbaren Übergriffe der Polizei gegen Demonstranten. Gefordert wird außerdem eine Kennzeichnungspflicht, damit Polizisten bei solchen Vorwürfen künftig identifizierbar sind. Rechtliche Bedenken gegen eine solche Pflicht bestehen nicht, meint Klaus Weber.

ie Vollzugspolizei ist in ihrer Amtsausübung wie insgesamt die so genannte vollziehende Gewalt nach Art. 20 III Grundgesetz (GG) an Gesetz und Recht gebunden. Sie unterliegt demnach auch dem Rechtsstaatsprinzip, insbesondere auch im Zusammenhang mit Versammlungen. Diese genießen nach Art. 8 GG ausdrücklichen Schutz. Außerdem ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ausdrückliche Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken.

So lautete bereits im Jahre 1985 der Tenor im  "Brokdorf-Beschluss" (Aktenzeichen 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81). Die Verfassungsrichter stellten damals fest, dass die Rechtsordnung die Ausübung von Gewalt beim Staat monopolisiert hat, damit Gewalttaten unfriedlicher Versammlungsteilnehmer vermieden werden. Demonstranten werden deshalb nach Auffassung des BVerfG bei gewalttätigen Konfrontationen stets der Staatsgewalt unterliegen.

Versammlungsgesetz erlaubt Zwangsmittel

Das Versammlungsgesetz stellt bei den "öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel", wie zum Beispiel Stuttgart 21, der Vollzugspolizei mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, gegen unfriedliche Teilnehmer unter Beachtung des Rechtsstaatsprinzips vorzugehen. So können Maßnahmen bis hin zum Ausschluss einzelner unfriedlicher Versammlungsteilnehmer wegen so genannter kollektiver Unfriedlichkeit getroffen werden.

Dabei müssen die Beamten immer den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Die Maßnahmen schließen auch Zwangsmittel ein. Typisch ist der so genannte unmittelbare Zwang gegen Personen, zum Beispiel das Wegtragen vom Versammlungsort oder Wegführen von Personen bis hin zum Einsatz von Wasserwerfern. Dabei kann es natürlich auch zu Rangeleien zwischen Polizisten und Versammlungsteilnehmern kommen bis hin zu Verletzungen auf beiden Seiten, wie in Stuttgart geschehen.

Befürworter der Kennzeichnungspflicht berufen sich nun auf ein durch ein Namensschild gestärktes Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Bürgern. Dagegen befürchten Vertreter der Polizei, dass die Beamten und ihre Familien dadurch persönlich möglicherweise ungerechtfertigten Angriffen und Bedrohungen ausgesetzt werden.

Aus Gewaltmonopol folgt Verantwortlichkeit

Wie sind diese Positionen nun zu bewerten? Vorab: Eine bundesweite Regelung zu dem Problem gibt es nicht. Denn die Polizei ist in erster Linie Ländersache und deshalb landesrechtlich geregelt. Der Bund selbst kann nur Festlegungen für die Bundespolizei treffen.

Grundsätzlich ist nichts gegen eine Kennzeichnungspflicht (etwa Namensschilder für Polizisten, mindestens aber Nummern) einzuwenden. Denn wenn der Staat das Gewaltmonopol für sich beansprucht, muß er auch bereit sein, die für ihn handelnden Polizeibeamten aus ihrer Anonymität zu nehmen. Der Bürger sollte wissen, wer ihm gegenüber in Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols auftritt, zumal jeder von der Polizei ein rechtsstaatliches Verhalten erwarten kann. Die Befürchtung, dass die handelnden Polizisten Nachteile erleiden, ist demgegenüber als gering einzuschätzen.

So sehen es auch andere europäische Länder, in denen es bereits Kenneichen durch Nummern gibt. In den Niederlanden trägt jeder Polizist sogar ein Namensschild. In Deutschland hat das Bundesland  Berlin die ersten Schritte in diese Richtung unternommen: Noch in diesem Jahr soll eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten gesetzlich festgelegt werden.

Regierungsdirektor Klaus Weber hat zahlreiche Beiträge zum Polizei- und Versammlungsrecht veröffentlicht. Im Dezember erschein im Carl Link Verlag das Buch "Grundzüge des Versammlungsrechts unter Beachtung der Föderalismusreform".

Zitiervorschlag

Klaus Weber, Vermummte Polizisten: . In: Legal Tribune Online, 20.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1760 (abgerufen am: 07.12.2024 )

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