Gespräche zwischen Trump und Putin: "Deut­sch­land darf einen Dik­tat­frieden nicht aner­kennen"

Interview von Dr. Franziska Kring

24.02.2025

Donald Trump meint, nur er könne den Krieg beenden. Er spricht zunächst aber nur mit Wladimir Putin. Was ohne die Ukraine vereinbart werden kann und wie sich europäische Staaten verhalten sollten, erklärt Völkerrechtler Helmut Aust.

LTO: Herr Professor Aust, vor mittlerweile drei Jahren begann Russland seine völkerrechtswidrige Invasion in der Ukraine. Donald Trump hat angekündigt, er wolle den Krieg jetzt beenden, spricht aber zunächst nur mit Wladimir Putin. Was kann das bringen?

Prof. Dr. Helmut Philipp Aust: Das frage ich mich auch. Eine Grundbedingung für jede Form der Verhandlungslösung muss es sein, dass die beteiligten Kriegsparteien sich einigen. Ohne die Ukraine geht also nichts. Natürlich ist es denkbar, dass sich der US-amerikanische Präsident und sein russischer Kollege über bestimmte Rahmenbedingungen austauschen und dadurch Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine vorbereiten. Allerdings wirkt die US-amerikanische Herangehensweise jedenfalls von außen betrachtet nicht so, als ob sie von dieser Strategie geprägt ist.  

"Die USA und Russland dürfen sich nicht auf Gebietsverzichte der Ukraine einigen" 

Welche Vereinbarungen können ohne die Ukraine überhaupt verbindlich getroffen werden? Können zwei Parteien einen Vertrag schließen, der einen Dritten bindet?

Die Völkerrechtslage ist klar. Verträge dürfen nach der Wiener Vertragsrechtskonvention nicht zulasten Dritter geschlossen werden. Insofern dürfen sich die USA und Russland nicht auf bestimmte Gebietsverzichte der Ukraine einigen. Dass das extra betont werden muss, ist traurig.

Helmut AustWas können Russland und die USA denn vereinbaren?

Russland und die USA können sich zu Fragen einigen, die rechtlich nur sie betreffen. Die US-Administration kann sich beispielsweise mit Russland über die Aufhebung der US-Sanktionen einigen. Das mag man bedauern, da die Sanktionen ja kein Selbstzweck sind, sondern Russland dazu bringen sollen, das Gewaltverbot einzuhalten. Wie die USA ihre Wirtschaftsbeziehungen zu anderen Staaten gestalten, können sie selbst entscheiden – und daher auch entsprechende Vereinbarungen mit Russland treffen. 

Europa nicht "willens, einen Ausfall der USA zu kompensieren" 

Anders als Donald Trump es darstellen möchte, ist die Ukraine Opfer der russischen Aggression – und trägt nicht die Schuld für das Andauern des Krieges. Wie kann man die Ukraine so noch an den Verhandlungstisch bringen?

Die Ukraine ist in einer schwierigen Lage. Eigentlich hat der US-amerikanische Präsident durch sein erratisches und alle Fakten verdrehendes Gebaren jede Grundlage dafür entzogen, dass die Ukraine sich noch auf die USA verlassen kann. Zugleich ist sie weiterhin auf die Unterstützung der USA angewiesen, scheinen die europäischen Staaten doch weder willens noch in der Lage zu sein, einen Ausfall der USA effektiv zu kompensieren.

Es ist also zu befürchten, dass die Ukraine früher oder später in den sauren Apfel beißen muss, sich auf Gespräche einzulassen, die von den Vereinigten Staaten und Russland auf das Gleis gesetzt worden sind. Aber auch das ist momentan einfach schwer zu prognostizieren, weil das Verhalten der USA so erratisch geworden ist, dass man jederzeit mit allem rechnen muss.

Was müssten aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte in den Friedensverhandlungen sein?

Von wirklichen Friedensverhandlungen kann man bisher gar nicht reden. Zum einen ist die Ukraine nicht beteiligt. Zum anderen erscheint mir auch äußerst zweifelhaft, ob das, was zwischen den USA und Russland gerade stattfindet, das Wort Verhandlungen verdient. Schließlich sind die eigentlich vom Geben und Nehmen, von Diskussion und Kompromiss geprägt. Trump aber scheint Putin mehr oder weniger das in Aussicht zu stellen, was der seit langem fordert.

Wie kann man diese Show beenden und einen echten Verhandlungstisch bereitstellen, an dem auch die Ukraine sitzt und Forderungen stellt?

Am ehesten aussichtsreich erscheint es mir, dass sich die Ukraine und ihre wichtigsten europäischen Verbündeten auf eine gemeinsame Position einigen, die sowohl gegenüber den USA als auch gegenüber Russland als Grundbedingung für wirkliche Verhandlungen dienen kann. Ich fürchte, dass auch die europäischen Staaten hier Farbe bekennen müssen, auch im Hinblick auf die Frage, wie wichtig ihnen ihr Engagement für die Ukraine wirklich ist. Auf die USA unter dieser Administration kann man sich nicht mehr verlassen. Der Auftritt des US-amerikanischen Vizepräsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat das eindrucksvoll unterstrichen. 

"Frieden wird typischerweise aus einem laufenden bewaffneten Konflikt verhandelt" 

Ein Blick in die ferne Zukunft: Wie könnte denn ein Friedensvertrag verhandelt werden, der auch wirklich langfristig hält? Was sind die Grundvoraussetzungen?

Hier gibt es kein Patentrezept. Die internationale Gemeinschaft hat in den letzten Jahren relativ wenig Erfahrung mit Friedensschlüssen in internationalen bewaffneten Konflikten sammeln können.

Zunächst zum Ausgangspunkt: Die politikwissenschaftliche Forschung legt nahe, dass wir uns von der Vorstellung lösen müssen, dass erst die Waffen schweigen müssen und dann der Moment für Diplomatie gekommen ist. Wie meine Kollegin Cindy Wittke in ihrem Buch "Frieden verhandeln im Krieg" aufzeigt, wird Frieden typischerweise aus einem laufenden bewaffneten Konflikt heraus verhandelt.

Damit die Ukraine einen gerechten und nachhaltigen Frieden erreichen kann, muss sie aus einer möglichst starken Position heraus an den Verhandlungstisch kommen.

Mit einer "starken Position" meinen Sie die militärische Ausgangslage? Also es muss erst noch weitergekämpft werden, bevor man sich an den Verhandlungstisch setzt?

Das ist natürlich letztlich auch wiederum eine Entscheidung der Ukraine. So wenig wie die Ukraine von außen dazu gedrängt werden darf, sich durch die Einstellung ihrer Kampfhandlungen in eine unvorteilhafte Lage für einen Friedensschluss zu begeben, so wenig darf man umgekehrt von ihr erwarten, auf Biegen und Brechen weiterzukämpfen. Hier ist für Drittstaaten in beide Richtungen Zurückhaltung angesagt.  

"Zunächst über die besonders wichtigen Sachfragen einigen" 

Wenn wir auf das Inhaltliche schauen: Über alle Fragen werden sich die Parteien aber nicht einigen können. 

Nein. Es kann aber vielversprechend sein, sogenannte "islands of agreement" zu schaffen, d.h. zu einzelnen, für beide Konfliktparteien wichtigen Sachfragen, Übereinkunft zu erzielen.

Den Begriff hat die Völkerrechtsprofessorin Gabriella Blum von der Universität Harvard geprägt. Das hat man im laufenden Krieg auch immer wieder erreicht, sei es in Fragen von Gefangenenaustauschen oder mit dem inzwischen aber wieder ausgelaufenen sogenannten Getreideabkommen.

Was muss ansonsten noch berücksichtigt werden?  

Eine Kernfrage ist es, wie man die Balance zwischen dem verständlichen Wunsch nach Frieden auf der einen Seite mit der Aufrechterhaltung von grundlegenden Normen der internationalen Ordnung in Einklang bringen kann.  

"Durch Gewalt erreichte Vertragsschlüsse sind ungültig"  

Was heißt das konkret?

Das Völkerrecht verbietet spätestens seit 1945 durch Gewalt herbeigeführte territoriale Veränderungen. Auch die Regeln des Völkervertragsrechts zielen darauf ab, dass durch Gewalt erreichte Vertragsschlüsse ungültig sind.

Russland hat die Krim und später die vier ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson annektiert. Nach den Vorstellungen Russlands und der USA soll die Ukraine auf diese Gebiete verzichten. Auch wenn hier bei Einzelfragen Spielraum für unterschiedliche Auffassungen besteht, würde ein völkerrechtlich verbindlicher Friedensvertrag, der territoriale Konzessionen der Ukraine enthält, die Axt an die Fundamente der Völkerrechtsordnung legen. Drittstaaten wie die Bundesrepublik Deutschland dürfen durch völkerrechtswidrige Gewalt herbeigeführte territoriale Veränderungen, die einem Diktatfrieden gleichkommen würden, nicht anerkennen.

Es erscheint aber nur schwer vorstellbar, dass Russland da von seiner Position abrückt.

Ja. Und deshalb muss man – auch in der Situation eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges – Kompromisse finden und Lösungen zur Beilegung des Krieges finden. Wie diese aussehen können, müssen die weiteren Verhandlungen zeigen.

Am Ende ist es jedenfalls wichtig, dass die Ukraine entscheidet. Anders als der US-amerikanische Präsident neuerdings von sich gibt, hat die Ukraine einen demokratisch gewählten Präsidenten, der auch legitimiert ist, gemeinsam mit den übrigen ukrainischen Institutionen über diese Frage zu entscheiden. Es klingt nach einer politischen Phrase, aber sie stimmt auch aus völkerrechtlicher Perspektive: Nichts darf über die Ukraine ohne die Ukraine entschieden werden. Jeder Staat hat ein Recht, seine territoriale Integrität und Souveränität zu verteidigen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Prof. Dr. Helmut Philipp Aust ist Professor für Öffentliches Recht und die Internationalisierung der Rechtsordnung am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin.

Zitiervorschlag

Gespräche zwischen Trump und Putin: . In: Legal Tribune Online, 24.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56656 (abgerufen am: 19.04.2025 )

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