Top-Level-Domains wie .app oder .shop könnten schon bald an den Start gehen. Wie kostspielig die Anträge auf diese Domainendungen sind, was Unternehmen tun müssen, um sich den Namen links davon zu sichern und warum dabei Anwälte helfen können, erklärt der Marken- und Domainrechtler Peter Müller im LTO-Interview.
LTO: Die Auswahl an Domainendungen war lange Zeit begrenzt. Es gab beispielsweise .de, .com oder .org. Seit Januar 2012 können Unternehmen sich solche Endungen quasi frei ausdenken und bei der Internationalen Organisation zur Verwaltung von Internetdomains (ICANN) beantragen, diese auf sie zuzulassen. Welche Top-Level-Domain (TLD) war bei den Antragsstellern am begehrtesten?
Müller: .app ist insgesamt 13-mal beantragt worden. Danach folgten .home und .inc mit jeweils elf Anträgen, .art für mich überraschend mit zehn Anträgen und .shop, .book, .blog und .llc mit jeweils neun Anträgen.
LTO: Welche Unternehmen bewerben sich um die TLDs und warum?
Müller: Die Motivation ist sehr unterschiedlich. Einige der bereits seit vielen Jahren im Markt etablierten Unternehmen sehen in der Nutzung einer eigenen TLD verbesserte Möglichkeiten zur Bewerbung ihrer Produkte oder zur Zurverfügungstellung besonderer Services, wie beispielsweise hoher Sicherheitsstandards bei Online-Finanztransaktionen. Daneben dürften zahlreiche Anträge nicht zuletzt auch aus defensiven Gründen gestellt worden sein, um die möglicherweise einmalige Chance auf eine eigene Top-Level-Domain nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Die überwiegende Mehrheit der Anträge haben jedoch Firmen gestellt, die die Nutzung einer TLD als Geschäftsmodell sehen und versuchen werden, diese gewinnbringend im Markt zu positionieren.
LTO: Welche neuen Domainendungen sind für die Bewerber um die Namen links der TLD, die Second-Level-Domains am interessantesten?
Müller: Einige Internet-Provider bieten schon länger kostenlose Vorregistrierungen unter den neuen TLDs an. Die meisten Vorbestellungen sind für .web eingegangen, gefolgt von .shop. Es sind die beschreibenden TLDs, die man sich am ehesten neben .com, .net, .org oder den nationalen Domainendungen wie .de vorstellen kann.
LTO: Gibt es auch Endungen, die verboten sind?
Müller: Es gab mit Ausnahme einer kurzen Liste von reservierten Bezeichnungen keine Endungen, die grundsätzlich nicht hätten beantragt werden dürfen.
Im Rahmen des Zulassungsverfahrens gab und gibt es jedoch eine Reihe von Prüfungen und Einspruchsmöglichkeiten. So wurden die beantragten Zeichenfolgen zunächst unter anderem darauf geprüft, ob eine Ähnlichkeit mit bestehenden oder ebenfalls beantragten TLDs bestehen. Parallel dazu gab es die Möglichkeit für Dritte, einzelne Anträge zu kommentieren oder der Zuteilung zu widersprechen. Für Rechteinhaber gab es beispielsweise die Möglichkeit, einem Antrag im Rahmen einer Legal Rights Objection mit dem Argument zu widersprechen, die beantragte Zeichenfolge beeinträchtige die Unterscheidungskraft einer Marke oder begründe eine Verwechslungsgefahr. Daneben bestand unter anderem die Möglichkeit, einem Antrag zu widersprechen, wenn dieser eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen bereits bestehenden oder ebenfalls beantragten TLD begründet oder wenn die beantragte TLD geltendem Recht oder international anerkannten Grundsätzen widerspricht. Die Europäische Kommission störte sich beispielsweise an insgesamt 58 Anträgen auf Zuteilung einer neuen TLD, darunter .adult und .sex.
"Antrag auf neue TLD dürfte bis zu 500.000 Dollar gekostet haben"
LTO: Die ICANN hat in den vergangenen Tagen eine Liste von Domainendungen veröffentlicht, die möglicherweise bald eingeführt werden. Darunter etwa auch die deutsche Endung ".vermögensberater". Wie lief die Prüfung der Bewerber und Endungen ab?
Müller: Die ICANN hat bislang eine sogenannte Initial Evaluation durchgeführt, während der geprüft wurde, ob ein Antrag mit einer bereits bestehenden oder ebenfalls beantragten TLD ähnlich ist, ob die beantragte TLD einer der reservierten Bezeichnungen entspricht, ob Beeinträchtigungen der Stabilität des Domain Name System durch die beantragte Zeichenfolge zu befürchten sind oder ob diese einer geografischen Bezeichnung entspricht. Darüber hinaus wurde geprüft, ob der Antragsteller glaubhaft nachweisen konnte, dass er technisch und finanziell in der Lage ist, eine TLD zu betreiben. Im Rahmen dieser Initial Evaluation wurden bislang gut 100 Anträge geprüft und akzeptiert.
LTO: In welcher Reihenfolge wurden die Anträge bearbeitet?
Müller: Da die ICANN nicht alle 1.900 Anträge gleichzeitig prüfen konnte, wurde auf eine Startplatzlotterie zurückgegriffen. Um daran teilzunehmen mussten die Unternehmen Tickets kaufen. Innerhalb der durch die Lotterie ermittelten Reihenfolge wurden sogenannte Internationalized Domain Names bevorzugt. Es handelt sich hierbei um Zeichenfolgen, die Sonderzeichen einzelner Sprachen beinhalten, wie z.B. deutsche Umlaute oder Endungen in chinesischer oder kyrillischer Schrift. Dies erklärt auch, warum die deutschen Endungen .vermögensberater und .vermögensberatung mit ihrem Umlaut bereits jetzt geprüft worden sind.
LTO: Wieso wurden diese Zeichenfolgen bevorzugt?
Müller: Es handelte sich um eine politische Entscheidung. Da es bislang keine TLDs mit Sonderzeichen gibt, sollte ein Zeichen für die Diversifizierung gesetzt werden.
LTO: Was hat die Prüfung den Bewerber gekostet?
Müller: Die Prüfung selbst kostete den Bewerber nichts. Für den Antrag auf eine neue TLD hat dieser allerdings zuvor eine Gebühr von 185.000 US-Dollar an die ICANN gezahlt. Dabei ist es allerdings nicht geblieben. Der Anmelder musste betriebswirtschaftlich und technisch nachweisen, dass er auch in der Lage ist, die beantragte Domain zu betreiben und sämtliche für den Betrieb erforderlichen Regelwerke, wie beispielsweise Registrierungsbedingungen vorlegen. Insgesamt dürfte ein solcher Antrag im Einzelfall bis zu 500.000 US-Dollar gekostet haben.
LTO: Gibt es das Geld zurück, wenn man die beantragte Domain nicht bekommt?
Müller: Nein. Es gibt jedoch einige Zeitpunkte, zu denen ein Antragsteller seine Anmeldegebühr im Falle einer Rücknahme des Antrags anteilig zurückerstattet bekommt. So werden zum Beispiel in den Fällen, in denen der Antrag noch vor Veröffentlichung des Prüfungsergebnisses der Initial Evaluation zurückgezogen wird, 70 Prozent der Antragsgebühr zurückerstattet. Hiervon haben bislang 39 Anmelder Gebrauch gemacht.
LTO: Sobald die neuen Endungen vergeben worden sind, werden natürlich auch die Second-Level-Domains interessant. Zu was für Problemen kann es dabei kommen?
Müller: Es wird zu den gleichen Streitigkeiten wie unter den bislang bestehenden TLDs kommen. Zu befürchten sind unter anderem Verletzungen des Kennzeichen- oder des Namensrechts aber auch Wettbewerbsrechtsverletzungen.
Die neuen Top-Level-Domains: . In: Legal Tribune Online, 08.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8478 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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