Vereine und Stiftungen können ihre Mitgliederversammlungen und Sitzungen bald wieder, wie zu Corona-Zeiten, online abhalten. Der Gesetzgeber hat die digitale Beschlussfassung ermöglicht – allerdings ohne Rückwirkung, wie Eva-Maria Kraus erläutert.
Digitale und hybride Sitzungen gehören seit knapp drei Jahren zum Alltag vieler Vereine und Stiftungen. Möglich machte dies eine vorübergehende pandemiebedingte gesetzliche Sonderregelung. Danach konnten Organe Beschlüsse – abweichend von der regulären Gesetzeslage – in digitaler Form fassen. Eine Satzungsregelung oder eine Zustimmung aller Organmitglieder war nicht erforderlich.
Nachdem die Sonderregelung seit dem 1. September 2022 nicht mehr gilt, hat der Gesetzgeber nun endlich reagiert und wird mit der Ergänzung des § 32 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine dauerhafte Regelung schaffen. Am 9. Februar 2023 hat der Bundestag das entsprechende Änderungsgesetz in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 20/5585) beschlossen. Am vergangenen Freitag hat auch der Bundesrat grünes Licht gegeben. Nun muss nur noch der Bundespräsident das Gesetz ausfertigen und im Bundesgesetzblatt verkünden.
Hybride Versammlungen sind nun zulässig
Die gesetzliche Neuregelung sieht vor, dass zukünftig jeder Verein ohne Satzungsermächtigung hybride Mitgliederversammlungen durchführen kann. Über die Verweisungen im BGB gilt dies auch für Sitzungen der Vereins- und Stiftungsvorstände sowie anderer Vereins- und Stiftungsorgane. Die Entscheidung über die Art der abzuhaltenden Sitzung trifft derjenige, der zu der Sitzung einlädt, falls die Satzung keine andere Regelung vorsieht. Bei einer hybriden Sitzung können die Teilnehmer selbst entscheiden, ob sie digital oder vor Ort teilnehmen.
Die Einladung zu einer hybriden Veranstaltung muss aufzeigen, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. Anders als noch im Gesetzgebungsverfahren diskutiert, können neben Videokonferenztechnik auch alle anderen elektronischen Kommunikationsmittel verwendet werden. Damit kann zum Beispiel auch die Teilnahme per Telefonkonferenz oder Chat vorgesehen werden.
Auch rein virtuelle Versammlungen möglich
Neben hybriden Versammlungen/Sitzungen sind auch rein virtuelle Versammlungen/Sitzungen möglich, allerdings nur, wenn die Mitglieder des betroffenen Organs dies durch Beschluss vorsehen. Eine Aufnahme in der Satzung ist hingegen nicht erforderlich. Für den Beschluss reicht die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen aus. Im Unterschied zur hybriden Versammlung müssen dann alle Teilnehmer virtuell teilnehmen –
eine physische Zusammenkunft ist hier nicht vorgesehen.
Die Entscheidung, virtuelle Versammlungen/Sitzungen zu ermöglichen, kann für einzelne oder alle künftigen Veranstaltungen gelten. Enthält die Satzung bereits eine eindeutige Regelung über die Möglichkeit virtueller Sitzungen, muss kein Beschluss gefasst werden. Andernfalls sollten die jeweiligen Organe beschließen, ob das Einberufungsorgan ermächtigt wird, künftig auch zu rein virtuellen Versammlungen einzuladen.
Das Thema können Vereine und Stiftungen auch in einer Geschäftsordnung regeln. Erlässt und ändert das Organ seine Geschäftsordnung selbst, reicht die Änderung der Geschäftsordnung. Ist dafür ein anderes Organ zuständig, muss zuvor das Organ zustimmen, dass es künftig ggf. auch virtuell tagen möchte.
Keine Erleichterungen für schriftliche Umlaufbeschlüsse
Von virtuellen, hybriden und Präsenzsitzungen zu unterscheiden ist eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren. Bei einem Umlaufverfahren werden Beschlüsse außerhalb von Sitzungen im schriftlichen Verfahren gefasst. Anders als bei einer Sitzung gibt es hier keine Aussprache zum Beschlussantrag. Auch vom Umlaufverfahren haben viele Vereine und Stiftungen während der Corona-Pandemie Gebrauch gemacht.
Die pandemiebedingten Erleichterungen sollen aber nicht ins BGB übernommen werden. Hier gilt also weiter die seit dem 1. September 2022 geltende Vor-Corona-Rechtslage. Demnach sind schriftliche Umlaufbeschlüsse ohne Satzungsregelung nur wirksam, wenn alle Mitglieder zustimmen (§ 32 Abs. 3 BGB). Wollen Vereine und Stiftungen künftig weiterhin auch im schriftlichen Umlaufverfahren Organbeschlüsse ohne Zustimmung aller Organmitglieder fassen, müssen sie dies in der Satzung vorsehen.
Lücke mangels Rückwirkung der Neuregelung
Die ursprünglich vorgesehene Rückwirkung zum 1. September 2022 wurde leider nicht umgesetzt. Die Neuregelung tritt stattdessen am Tag nach der Verkündung in Kraft. Eine nahtlose Anknüpfung an die pandemiebedingten Erleichterungen findet folglich nicht statt.
Da die gesetzliche Neuregelung nicht rückwirkend gilt, bleibt es bei der "Lücke" zwischen dem Auslaufen der pandemiebedingten Erleichterungen und dem Inkrafttreten der Neuregelung. Organbeschlüsse, die seit dem 1. September 2022 in digitaler Form gefasst wurden, sind daher nichtig, wenn es keine Satzungsermächtigung gab bzw. nicht alle Mitglieder zustimmten. Diese Beschlüsse müssen wiederholt werden. Mit Inkrafttreten der Neuregelung ist dies dann auch im Rahmen einer hybriden Sitzung möglich.
Dr. Eva-Maria Kraus ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei der Anwaltssozietät Flick Gocke Schaumburg.
Erleichterung tritt in Kraft: . In: Legal Tribune Online, 06.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51224 (abgerufen am: 04.10.2024 )
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