Die Bundesregierung will das "ewige Widerrufsrecht" abschaffen – auch rückwirkend. Johannes Flötotto hält das für unzulässig und unnötig. Eine ordentliche Widerrufsbelehrung sei nicht zu viel verlangt, zumal man sie jederzeit nachholen könne.
Am 27. Januar 2016 wurde im Bundeskabinett ¬ auf beharrliches Betreiben der Bankenlobby und nach Vorschlag des Bundesrates (BR-Drs. 359/15(B)) eine Regelung beschlossen, nach der "ewige Widerrufsrechte" auch im Zusammenhang mit Altfällen rückwirkend erlöschen. Bei Immobiliardarlehensverträgen mit Verbrauchern, die in den Jahren 2002 bis 2010 geschlossen wurden, besteht nach Ansicht der Bundesregierung erhebliche Rechtsunsicherheit. Für diese Verträge gilt nun: Verbraucher haben nach Inkrafttreten des Gesetzes am 21. März 2016 noch drei Monate Zeit, um ihre Verträge zu prüfen und zu entscheiden, ob sie von ihrem möglicherweise bestehenden Widerrufsrecht Gebrauch machen wollen.
Nach bisheriger Rechtslage steht dem Verbraucher ein unbefristetes ("ewiges") Widerrufsrecht zu, wenn die Widerrufsbelehrung unterlassen wurde oder fehlerhaft war – was auf viele zwischen 2002 und 2010 getroffene Darlehensverträge zutrifft. Mitunter nutzen Verbraucher dies nun, um ihre Kredite zur Immobilienfinanzierung zu widerrufen und zu heute dank Niedrigzins weitaus günstigeren Konditionen neu abzuschließen. Dieses "ewige Widerrufsrecht" will der Gesetzgeber mit den beschlossenen Änderungen ausdrücklich verhindern. Als Begründung führt er an, dass dies vor allem aus Sorge geschieht, dass ein zeitlich unbeschränktes Widerrufsrecht dazu führen könnte, dass die Banken insbesondere langfristige Darlehen gar nicht mehr anbieten (BT-Drs. 18/5922, S. 78).
Daher soll eine absolute Erlöschensregelung unabhängig vom Beginn der Widerrufsfrist eingeführt werden. Künftig sollen Widerrufsrechte bei Immobilarverbraucherdarlehen ein Jahr und 14 Tage nach Vertragsschluss bzw. Aushändigung der Vertragsurkunde an den Verbraucher erlöschen (§ 356 b Abs. 2 S. 4 BGB-E).
Ordentliche Belehrung ist nicht zu viel verlangt
Bei der Umsetzung der 2. Verbraucherkreditrichtlinie zum 11. Juni 2010 hat der Gesetzgeber noch ausdrücklich davon abgesehen, eine Höchstdauer des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen festzulegen. Eine absolute Höchstfrist würde, vor allem bei Immobiliardarlehen, die Interessen und Bedürfnisse der Verbraucher nicht angemessen berücksichtigen und diese unverhältnismäßig benachteiligen. Der Immobilienerwerb sei für den Verbraucher häufig eine Investition von hohem Umfang und großem Risiko, für dessen Rückführung er in der Regel mehrere Jahrzehnte benötige.
Angesichts dessen ist es eigentlich nicht zu viel verlangt, von den Banken bei Abschluss eines Immobiliardarlehens eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu fordern. Dies umso mehr, als dem Darlehensgeber jederzeit das Recht zusteht, die Widerrufsbelehrung auch nach Vertragsschluss nachzuholen und so für die nötige Rechtssicherheit zu sorgen, sodass eine absolute Höchstfrist nicht nötig ist.
Gesetzgeber stellt Musterwiderrufsbelehrung bereit
Zudem hat der Gesetzgeber den Unternehmen bereits Musterwiderrufsbelehrungen an die Hand gegeben, die seit dem 11. Juni 2010 mit Gesetzlichkeitsfiktion ausgestattet sind. Von einem Erlöschen des Widerrufsrechts innerhalb einer fixen Frist und unabhängig von der ordnungsgemäßen Belehrung profitieren somit nur diejenigen Unternehmen, die aus betrügerischen oder eigennützigen Motiven den Darlehensnehmer entweder nicht oder nur unzureichend informieren wollen. Gerade in solchen Fällen ist es aber zumutbar und gerechtfertigt, dass die Widerrufsfrist nicht läuft, wenn der Unternehmer das vorgegebene Muster für die Widerrufsbelehrung nicht verwendet und auch sonst nicht ordnungsgemäß belehrt (vgl. BT-Drs. 14/9266, S. 45.). Dies hat der Gesetzgeber nochmals 2012 bekräftigt, indem er ein Erlöschen des Widerrufsrechts bei Finanzdienstleistungen weiterhin ausdrücklich abgelehnt hat (BT-Drs. 17/12637 S. 62 und BR Drs. 817/12 S. 100).
Die geplante Neuregelung führt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass der Verbraucher ein Widerrufsrecht nach zwölf Monaten und 14 Tagen verlieren könnte, von dessen Existenz und / oder Ausübungsfristen er nie gewusst hat – mit dem Schutzzweck der Informations- und Belehrungspflichten ist das kaum vereinbar. Umgekehrt zieht die (auch bewusste) Missachtung der Informationspflichten für den Unternehmer keine Sanktion nach sich.
Hier hilft auch der Verweis auf einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Informationspflichten (hinsichtlich des Widerrufsrechts) nicht weiter, mit dem der Verbraucher nach der Gesetzesbegründung in "besonders gelagerten Einzelfällen" so gestellt werden soll, als hätte er das Darlehen wirksam widerrufen. Denn dazu muss er sämtliche Anspruchsvoraussetzungen – Informationspflichtverletzung, deshalb unterlassener Widerruf, daraus kausal folgender Schaden – beweisen. Das Widerrufsrecht sollte jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht an das Vorliegen von Voraussetzungen geknüpft werden, weswegen ein Schadensersatzanspruch kein gleichwertiger Ersatz ist.
Reform bei Verbraucherdarlehen: . In: Legal Tribune Online, 09.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18401 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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