Vom Influencer-Marketing bis zu Suchmaschinen-Rankings – das Lauterkeitsrecht muss auf viele digitale Geschäftspraktiken reagieren können. Demnächst steht wieder eine Gesetzesänderung an und Franziska Schröter hat sie sich angeschaut.
Ein weiteres Mal wird sich im kommenden Jahr das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) im Rahmen des europäisch getriebenen "New Deal for Consumers" der digitalen Welt anpassen müssen: Der Bundestag verabschiedete kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode noch das "Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht", basierend auf dem gleichlautenden Entwurf vom 20. Januar 2021. Einige Änderungen kommen nun auf das Lauterkeitsrecht zu – doch nur ein kleiner Teil als wirklich benötigter Änderungsbedarf. Spätestens zum 28. Mai 2022 treten sie in Kraft.
Zunächst finden geschäftliche Handlungen mit digitalen Waren und Dienstleistungen ihren Weg in § 2 Nr. 1 UWG. Die Folge ist, dass beispielsweise der Erwerb von Software, das Streamen von Filmen oder der Kauf eines E-Books künftig an den Maßstäben des Lauterkeitsrechts gemessen werden. Neu ist auch, dass nicht nur ein objektiver Zusammenhang, sondern zugleich eine unmittelbare Absatzförderung Voraussetzung für eine geschäftlichen Handlung sein muss.
Außerdem hat der Gesetzgeber erkannt, dass Rankings bzw. hervorgehobene Platzierungen von Angeboten in den Ergebnissen von Online-Suchanfragen erhebliche Auswirkungen und Einfluss auf die Verbraucher:innen haben. Mit der Einführung einer Legaldefinition des Rankings sowie mit Transparenzverpflichtungen für Amazon & Co. soll das Gesetz diesem Einfluss gerecht werden. So müssen diese künftig den Verbraucher:innen transparent darlegen, welche Hauptparameter und deren Gewichtung zur Festlegung des Rankings für Waren oder Dienstleistungen dienten. Per se unzulässig sind künftig Rankings, die durch verdeckte Zahlungen beeinflusst werden. Die packt der Gesetzgeber gleich auf die sog. "Schwarze Liste" im Anhang des UWG.
Wer soll das beweisen?
Er führt zudem neu den Begriff des Online-Marktplatzes ein, welcher ebenfalls eine Legaldefinition in § 2 UWG erhält und den Begriff der "Website" aktualisiert. Besondere Informationsanforderung an den Betreiber auch hier: Den Verbraucher:innen soll nach einer neuen Regelung deutlich werden, wer – ob Unternehmer oder Nichtunternehmer – sein Vertragspartner ist. Wichtig zu erwähnen ist an dieser Stelle zudem die Einführung eines neuen Tatbestandes für den Unternehmer, welcher Bewertungen von jedermann zu angebotenen Produkten im § 5 b Abs. 3 UWG auf seinem Online-Marktplatz zugänglich macht. Fortan ist für diese – nicht mehr nur ungeschriebene – Voraussetzung, dass die Bewertungen nur von jenen Verbraucher:innen abgegeben werden dürfen, welche die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben. Verstärkt wird diese Verpflichtung wiederum durch einen weiteren Tatbestand in der "Schwarzen Liste", wonach derlei zur Verkaufsförderung gefälschte Bewertungen (erfasst sind gemäß den Erwägungsgründen auch "likes" oder selektiv positive Einschätzungen der Produkte) immerzu unzulässig sind.
Die Regelungen zu Ranking und Online-Marktplätzen werden daher oberflächlich die Gemüter zwar beruhigen, gleichwohl muss auch hier weitergedacht werden: Nicht nur die Beweisbarkeit, sondern außerdem die Nachvollziehbarkeit und Ahndung von Verstößen werden sich als Probleme in der Praxis herausstellen.
Beeinflussen Influencer nicht immer?
Freilich in Deutschland ein eher unbekannteres Problem, gleichwohl europäisch getrieben, ist die komplette Neueinführung eines Irreführungstatbestandes (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG) für die Ahndung von "Dual-Quality"- Produkten. Gemeint sind hiermit jene Vermarktungspraktiken, die unter derselben Marke in ihrer Beschaffenheit inhaltlich unterschiedliche Produkte in verschiedenen Ländern vertreiben – zum Beispiel bei Fischstäbchen kommt das gerne vor, wenn sie in dem einen Staat weniger Fischgehalt aufweisen als in einem anderen. Allerdings wird das Thema Qualität im neuen Tatbestand gar nicht konkret angesprochen und eigentlich wurden diese nun manifestierten Praktiken auch schon im aktuellen Wettbewerbsrecht als irreführend und damit unzulässig erachtet.
Neuigkeiten gibt es zudem im Bereich des Influencer-Marketings. Basierend auf medienerregenden Gerichtsentscheidungen in diesem Komplex wird § 5 a Abs. 4 UWG neu eingeführt. Danach liegt nur dann eine Irreführung seitens des Influencers vor, wenn der kommerzielle Zweck der Absatzförderung nicht deutlich gemacht wird. Ein kommerzieller Zweck liegt vor, wenn Entgelt oder sonstige Gegenleistungen von einem anderen Unternehmen erhalten oder versprochen werden. Neben der bereits erwähnten "Unmittelbarkeit der Absatzförderung" sind damit weitere Vorkehrungen getroffen, um ausufernden digitalen Einflussnahmen und Manipulationen – auf die vorwiegend junge Generation – zu entgegnen. Verstärkt wird dieser Tatbestand noch durch eine Beweislastumkehr zulasten der werbenden Person.
Allerdings ergeben sich auch hier immer noch Fragen hinsichtlich der tatsächlichen Nachvollziehbarkeit für die Verbraucher:innen. Das UWG zielt nämlich seit seinen Ursprüngen darauf ab, eine Irreführung zu vermeiden. Selbst wenn keine Kennzeichnung als "Werbung" durch den Celebrity erfolgt: Eine Beeinflussung findet so oder so statt. Und außerdem: Rechnen Influencer nicht bei allem was sie tun mit Einkünften? Die Beweisbarkeit wird wohl auch hier an ihre Grenzen kommen.
Nächste Änderungen schon in Pipeline
Ein Novum enthält künftig § 9 Abs. 2 S. 1 UWG, indem nunmehr ein individueller Schadensersatz zur privaten Rechtsdurchsetzung auch für Verbraucher:innen bei Verletzungen nach § 3 UWG eingeführt wird. Diese direkte Möglichkeit war bisher nur Unternehmen vorbehalten und Verbraucher:innen mussten den langen Umweg über die Verbraucherzentralen gehen. Interessant ist dabei, dass die noch im Regierungsentwurf enthaltenen verschärften neuen Sanktionen bei Zuwiderhandlungen – Preisminderung und Beendigung des Vertrags – im neuen Gesetz nicht enthalten sind.
Bei genauem Hinsehen ist nur der Anfang zur lang ersehnten privaten Rechtsdurchsetzung gemacht. Tatsächlich umfasst der individuelle Schadensersatz nur Zuwiderhandlungen gegen Verfügungen, die die Richtlinie EU-2005/29/EG – also die letzte große Umwälzung des UWG – umsetzt. Das, was hier bestehen blieb, gehört nicht zum Anspruch. Wie auch im Regierungsentwurf festgehalten, kann die neue Regelung daher nur als Anreiz zur Einhaltung bestehender wettbewerbsrechtlicher Regelungen gesehen werden. Mehr aber auch nicht.
Beruhigend scheint daher zu wissen, dass bis zur Umsetzung ins UWG schon jetzt die nächsten Änderungen seitens der EU in der Pipeline liegen: Bereits am 2. November 2021 hat die Regierung die Abänderungen des Wettbewerbsrechts aufgrund der Richtlinie EU-2016/943 sowie der Geoblocking-Verordnung EU-2018/302 beschlossen. Langweilig wird es somit schon einmal auch in der neuen Legislaturperiode nicht.
Die Autorin Prof. Dr. Franziska Schröter ist Professorin für Wirtschaftsrecht an der IU Internationale Hochschule und begleitet hier intensiv Themen des Gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts.
Geplante UWG-Änderungen: . In: Legal Tribune Online, 17.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46918 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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