Ist eine starke Stahlindustrie relevant für die US-Verteidigung? Präsident Trump hat Zollerhebungen angekündigt, die auch die EU treffen. Christian Tietje erläutert die Rechtslage, und wie schnell die EU in einem Handelsstreit reagieren könnte.
Es fällt derzeit schwer, mit den Aktivitäten von US-Präsident Donald Trump Schritt zu halten. Seit seiner Amtsübernahmen prägen unzählige Ankündigungen, Versprechungen, konkret unterzeichnete Dekrete, die Rücknahme von Entscheidungen und vieles mehr die Politik. In der Handelspolitik hat Trump Zollerhöhungen gegenüber Kanada und Mexiko sowie China von zusätzlichen 25 bzw. 10 Prozent in Aussicht gestellt. Anfang Februar hat er Zusatzzölle auf globale Aluminium- und Stahleinfuhren von zusätzlichen 25 Prozent angekündigt. Das sind empfindliche Schritte auf dem Weg in einen Handelsstreit. Schon im Wahlkampf hatte Trump betont, dass er Zölle für "ein sehr mächtiges Instrument" hält - Zölle sei eines seiner Lieblingswörter.
Nach US-amerikanischem Verfassungsrecht hat der Präsident zwar in den meisten Bereichen der auswärtigen Politik weitreichende Handlungsbefugnis. Das gilt allerdings nicht für die Handelsbeziehungen mit Drittstaaten, wozu auch die Festlegung von Zollsätzen gehört. Hier ist der Präsident, aus verfassungsrechtlichen Gründen immer an ein Mandat des US-Kongresses gebunden. Ohne eine Ermächtigung des Kongresses kann er die Handelsbeziehungen zu dritten Staaten nicht eigenständig bestimmen. Allerdings sind im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche konkrete Handlungsermächtigungen in diesem Bereich an den Präsidenten erteilt worden. Auf einige von diesen beruft sich Trump auch gegenwärtig, u.a. auf den Trade Expansion Act of 1962 und den International Emergency Power Act (IEEPA) aus dem Jahr 1977.
US-Zölle gegen Mexiko und Kanada eine Frage der nationalen Sicherheit?
Im internationalen Wirtschaftsrecht können Zölle nicht beliebig geändert werden. Diese sind vielmehr zunächst auf globaler Ebene in sogenannten Zolllisten festgelegt. Die machen insgesamt weit über 20.000 Seiten aus, für jedes einzelne Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO), wie auch die USA, sind die Zölle festgelegt. Wer wie Zölle erheben darf, ist dadurch ganz wesentlich bestimmt.
Auf das Verhältnis Mexiko-USA-Kanada bezogen kommt ergänzend noch das United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) hinzu. Auch dieses völkerrechtliche Abkommen verbietet einseitige Zollerhöhungen eines Vertragsstaates. Sowohl das WTO-Recht wie auch das USMCA enthalten allerdings bestimmte Vorschriften, die eine Zollerhöhung im Ausnahmefall ermöglichen. Dabei geht es in erster Linie um Antidumpingzölle und Antisubventionsmaßnahmen. Auf der Grundlage entsprechender Untersuchungsverfahren und dann ausführlich begründeter Entscheidungen können dann Zusatzzölle eingeführt werden. Möglich sind auch sogenannte allgemeine Schutzmaßnahmen, die allerdings in der Praxis kaum jemals rechtmäßig angewandt werden können, da die Hürden hierfür ausgesprochen hoch liegen. Von der Nach- und Neuverhandlung von Zollsätzen, die im multilateralen Rahmen unter bestimmten Voraussetzungen möglich sind und von jedem WTO-Mitglied jederzeit angestoßen werden können, abgesehen, besteht noch die Möglichkeit, aus nicht wirtschaftlichen Gründen, zum Beispiel Umweltschutz, von Zollbindungen abzuweichen. Schließlich besteht eine wichtige Ausnahmemöglichkeit mit Blick auf den Schutz nationaler Sicherheitsinteressen. All dies gilt ganz ähnlich für das WTO-Recht und das USMCA.
Zollerhöhungen gegenüber Mexiko und Kanada, die von Trump am 1. Februar 2025 mit Wirkung zum 4. Februar 2025 angeordnet aber bereits kurze Zeit später bis vorerst zum 4. März 2025 ausgesetzt wurden, stützen sich innerstaatlich in den USA auf eine Ermächtigung des Präsidenten aus dem International Emergency Power Act (IEEPA) aus dem Jahr 1977. Die Vorschrift ermächtigt den Präsidenten zu handelsbeschränkenden Maßnahmen in außergewöhnlichen Situationen der Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Wirtschaft der USA. Diese Ermächtigung hat den Vorteil, dass sie nicht an bestimmte prozedurale Voraussetzungen gebunden ist und daher der Präsident unter Berufung auf sie sehr schnell handeln kann. Ob und wenn ja inwieweit Gerichte in den USA die Tatbestandsvoraussetzungen für die Wahrnehmung dieser Ermächtigung prüfen werden, ist fraglich, da die Vorschrift eng mit der sogenannten political questions doctrine in der US-Rechtsprechung verbunden ist. US-Gerichte können danach die Beschäftigung mit Fällen ablehnen, die sie für in erster Linie "politisch" halten. Völkerrechtlich könnte sich die Trump-Regierung auf Art. 32.2 USMCA berufen. Es handelt sich hier um eine weit gefasste Ausnahmevorschrift zugunsten der nationalen Sicherheit, die den Vertragsparteien einen recht weitreichenden Beurteilungsspielraum einräumt.
Zölle gegen China aufgrund Ausnahme im WTO-Abkommen?
Im Hinblick auf die Zollerhöhungen gegenüber Einfuhren aus China stellt sich die Situation etwas anders dar. Hier können die USA den Verstoß gegen die Zollbindung aus dem WTO-Recht nur unter Verweis auf die nationale Sicherheitsausnahme des Art. XXI im Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) rechtfertigen. Diese Vorschrift ist allerdings enger gefasst als die vergleichbare Vorschrift im USMCA. Nach der Rechtsprechung sind die Umstände, die eine nationale Sicherheitsgefährdung begründen, jedenfalls im Ansatz durch die internationale Streitbeilegung nachprüfbar. Eingeschaltet werden könnte dann das WTO-Streitbeilegungssystem. Vor diesem hat China am 5. Februar 2025 ein Verfahren gegen die USA eingeleitet.
Unabhängig von der Frage, ob die USA überzeugend rechtlich nationale Sicherheitsinteressen geltend machen können, wird in jedem Fall klar, warum Trump so intensiv auf die Drogenbekämpfung und illegale Migration abgestellt hat, um die Zollerhöhungen gegenüber China, Mexiko und Kanada zu begründen. Es ging letztlich darum, eine Handlungsmöglichkeit auf der Basis eines bestehenden Mandates des US-Kongresses zu aktivieren, die auch noch eine jedenfalls vorsichtige Parallele im internationalen Wirtschaftsrecht findet.
Trumps Zoll-Pläne gegen Stahleinfuhr aus der EU
Anders verhält sich die Rechtslage im Hinblick auf die am Wochenende angekündigten Zollerhöhungen zu Einfuhren von Aluminium und Stahl. Um diese Maßnahmen zu verstehen, muss man sieben Jahre in der Geschichte zurückgehen. Am 8. März 2018 hat der damalige US-Präsident Trump Zollerhöhungen auf Einfuhren von Stahl und Aluminium verkündet. Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Bereich war hierfür Section 232 Trade Expansion Act of 1962. Die Vorschrift bezieht sich explizit und ausschließlich auf handelsbeschränkende Maßnahmen zum Schutz nationaler Sicherheitsinteressen. Der Unterschied hier ist allerdings im Vergleich zu den vorgenannten Maßnahmen, dass eine vorhergehende Untersuchung einer Gefährdung entsprechender Sicherheitsinteressen durch das US Department of Commerce notwendig ist. Eine entsprechende Untersuchung damals kam zu dem Schluss, dass die Verteidigungsfähigkeit der USA negativ beeinträchtigt ist, wenn nicht weiterhin eine starke US-amerikanische Stahlindustrie besteht. Die Maßnahmen blieben zunächst in Kraft. Erst nach dem Amtsantritt von dann Präsident Joe Biden konnte mit der EU eine Einigkeit zur Beilegung des Handelsstreits herbeigeführt werden.
Daraufhin wurde auch ein von der EU eingeleitetes Streitbeilegungsverfahren vor der WTO suspendiert. Mit der jetzigen Maßnahme, die nach Medienberichten wohl Mitte März in Kraft treten soll, greift Trump das Untersuchungsverfahren aus seiner ersten Amtszeit wieder auf und nutzt dieses, um die jetzt angekündigten Maßnahmen in Kraft zu setzen. Eine eigenständige Neuuntersuchung zu Gefahren für die nationale Sicherheit im Stahl- und Aluminiumsektor liegt nicht vor. Es dürfte auch schwer zu begründen sein, warum nur US-amerikanischer Stahl für die Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika taugt. Die ganze Argumentation erinnert stark an handelsbeschränkende Maßnahmen auf Einfuhren von Schuhen durch Schweden im November 1975, die die schwedische Regierung damit rechtfertigte, dass wirtschaftliche Probleme der heimischen Schuhindustrie zu einer Bedrohung für die schwedische Verteidigungsfähigkeit führten. Diese Argumentation wurde von keinem anderen Staat geteilt und Schweden beendete daher auch recht schnell die damaligen Einfuhrbeschränkungen für Schuhe.
Als Präsident Trump in seiner ersten Amtszeit Zollerhöhungen auf u.a. Stahlimporte auch aus der EU anordnete, reagierte diese darauf mit zum Teil weitreichenden Zollerhöhungen auf Einfuhr von sensiblen amerikanischen Produkten wie zum Beispiel Whisky, landwirtschaftliche Erzeugnisse oder Harley-Davidson Motorräder. Die lange Liste der mit Zusatzzöllen belegten Produkte aus den USA sowie die entsprechenden neuen Zollsätze findet sich in der Durchführungsverordnung 2018/886 vom 20. Juni 2018. Allerdings einigten sich nach Amtsantritt von Präsident Biden die USA und die EU 2021 in ihrem Handelsstreit. Die EU suspendierte ihre Zusatzzölle zunächst. Nach einer weiteren Vereinbarung mit der Regierung der USA einigte man sich auf eine Aussetzung zusätzlicher Zölle jedenfalls bis zum 31. März 2025 (Durchführungsverordnung 2023/2882 vom 18. Dezember 2023).
EU könnte binnen Stunden auf US-Zölle reagieren
Damit ist auch klar, wie die EU reagieren wird, falls ab wahrscheinlich Mitte März die angekündigten Zusatzzölle auf Aluminium und Stahl von Präsident Trump erhoben werden. Mit einer solchen Maßnahme wird für die EU die genannte Einigung, die mit den USA unter Präsident Biden getroffen wurde, hinfällig. Damit wird die Durchführungsverordnung vom 18. Dezember 2023 gegenstandslos, sodass im Ergebnis wieder die Zusatzzölle aus der ursprünglichen Durchführungsverordnung 2018/886 vom 20. Juni 2018 aufleben. Das kann innerhalb weniger Stunden geschehen, da die genannten Rechtsakte weiter in Kraft sind.
Sollte Trump darauf mit weiteren Zollerhebungen reagieren und sich also die Zollspirale dann – mit weitreichende negativen Wirtschaftsfolgen – weiterdrehen, könnte die EU relativ zügig durch eine neue Verordnung reagieren. Auf der Grundlage der VO 2023/2675 vom 22. November 2023 "über den Schutz der Union und ihre Mitgliedstaaten vor wirtschaftlichen Zwang durch Drittländer" kann die Union auf wirtschaftlichen Zwang aus Drittstaaten reagieren, um solchen Zwang abzuschrecken oder auch um die Einstellung entsprechenden wirtschaftlichen Zwangs zu erwirken.
Die Verordnung definiert wirtschaftlichen Zwang dabei als Situation, in der "ein Drittland eine Maßnahme … anwendet oder anzuwenden droht, die den Handel oder Investitionen beeinträchtigt, um die Einstellungsänderung oder Annahme eines bestimmten Rechtsaktes durch die Union oder ein Mitgliedstaat zu verhindern oder zu erwirken, und dadurch in die legitimen souveränen Entscheidungen der Union oder eines Mitgliedstaats eingreift". Ohne auf weitere Einzelheiten der komplexen Verordnung einzugehen, ist vorliegend entscheidend, dass sie weitreichende Entscheidungsbefugnisse der Europäischen Kommission, die durch delegierten Rechtsakt handelt, vorsieht. Damit wäre es im Ergebnis möglich, dass die Kommission durch delegierten Rechtsakt ausgesprochen schnell nochmals zusätzliche Zollerhöhungen gegenüber den USA ergreift, um so Stärke zu zeigen.
Man muss allerdings stets beachten, dass Zollerhebungen und Zollerhöhungen vollumfänglich vom Recht der Welthandelsorganisation geregelt sind. Insofern sind Gegenreaktionen der EU auf rechtswidrige Zollerhöhungen durch die USA immer auch ihrerseits der Gefahr der Rechtswidrigkeit ausgesetzt. Das WTO-Recht sieht eigentlich nur die Beilegung handelspolitischer Streitigkeiten, die vom WTO-Recht erfassen sind, innerhalb seines Rechtsrahmens, insbesondere der dortigen Streitbeilegung vor. Neben aller unzweifelhaften Notwendigkeit, auf eine Politik der Stärke von Präsident Trump mit unmissverständlicher Stärke insbesondere durch die EU zu reagieren, sollte dies daher mit politischem und vor allem auch völkerrechtlichem Augenmaß geschehen.
Der Autor Professor Dr. Christian Tietje ist Universitätsprofessor für Öffentliches Recht, Europarecht und Internationales Wirtschaftsrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie geschäftsführender Direktor des Instituts für Wirtschaftsrecht und Leiter des Transnational Economic Law Research Center (TELC) der Martin-Luther-Universität.
Trump verhängt Zölle: . In: Legal Tribune Online, 12.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56583 (abgerufen am: 13.03.2025 )
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