Eigentlich wollte Arafat Abou-Chaker Geld für seine "Managementtätigkeiten" von Bushido haben – jetzt muss er rund zwei Millionen Euro an den Rapper zahlen. Das LG Berlin wies die Klage ab und gab der Widerklage teilweise statt.
Bushido und Arafat Abou-Chaker waren mal Freunde und Geschäftspartner. Diese Zeiten sind aber lange vorbei. Die Trennung der beiden beschäftigt die Berliner Justiz seit Jahren. Gegen Abou-Chaker, der als Chef des sogenannten Abou-Chaker-Clans gilt, und drei seiner mitangeklagten Brüder läuft ein Strafverfahren u.a. wegen Freiheitsberaubung, versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Nötigung, gefährlicher Körperverletzung und Untreue. Zu den mutmaßlichen Taten soll es gekommen sein, nachdem Bushido die Beziehungen zu seinem "Manager" aufgelöst hatte. Der 44-Jährige soll im Januar 2018 eingesperrt, mit einer Flasche und einem Stuhl beworfen worden sein.
Auch in einem Zivilprozess, den er selbst angestrengt hatte, unterlag Abou-Chaker – und muss knapp 1,8 Millionen Euro an Bushido zahlen. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht.
Als "Manager" des Künstlers war Abou-Chaker jahrelang an den Einnahmen des Rappers beteiligt. Nachdem Bushido, der mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Ferchichi heißt, die Zusammenarbeit mit Abou-Chaker beendet hatte, stellte er auch die Zahlungen ein. Abou-Chaker bestand aber auf angeblich ausstehende rund 840.000 Euro und klagte auf Zahlung.
Erfolg hatte er damit nicht: Das Landgericht (LG) Berlin urteilte jetzt, dass es für die Beteiligung an den Einnahmen keine Rechtsgrundlage gibt. Auf die Widerklage Bushidos verurteilte es zudem Abou-Chaker zur Zahlung von knapp 1,8 Millionen Euro nebst Zinsen an den Rapper (Urt. v. 06.09.2023, Az. 38 O 206/22).
Managementvertrag ohne Manager
Abou-Chaker und Bushido trafen sich erstmals im Jahr 2004. Damals hatte Abou-Chaker dafür gesorgt, dass das Label Aggro Berlin einen Auflösungsvertrag mit Bushido unterschrieb. Danach habe Abou-Chaker – so Bushidos Aussage im Strafprozess u.a. gegen Abou-Chaker – ihn gezwungen, künftig zu 30 Prozent an "allem, was er verdiene", beteiligt zu werden.
Abou-Chaker hingegen hatte behauptet, man habe damals beschlossen, "gemeinsam den Gangsterrap in Deutschland zu etablieren" und Bushido "zum größten und coolsten Rapper aus Deutschland zu machen", heißt es in dem Zivilurteil des LG. Dabei habe er ihn unterstützen wollen – und deshalb sei die Vereinbarung getroffen worden.
Anfang des Jahres 2007 schlossen Bushido und Abou-Chaker einen sogenannten Managementvertrag. Ausweislich des Vertrages sollte das Management die "alleinige Entscheidungsbefugnis in allen rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten mit Bezug auf das gegenständliche Vertragsverhältnis" haben. Außerdem sollte Abou-Chaker an den Einnahmen Bushidos, der auch als Produzent arbeitet und Inhaber des Labels "Ersguterjunge" ist, beteiligt werden. Abou-Chaker stellte seine "Managerdienste" in Rechnung und erhielt u.a. 50 Prozent der Einnahmen Bushidos aus Produktionen mit Drittkünstlern.
Allerdings war Abou-Chaker zu keinem Zeitpunkt tatsächlich als Manager Bushidos tätig, heißt es nun in dem Urteil des LG Berlin, das LTO vorliegt.
Zahlungen für Produktion eines Albums, das längst veröffentlicht war?
In dem Urteil ging es auch um ein sogenanntes "Türkeigeschäft". Bushido sollte ein neues Album eines türkischen Rappers produzieren und vermarkten. Zu diesem Zweck überwies er in den Jahren 2007 und 2008 insgesamt mehr als eine Millionen Euro auf verschiedene Konten in der Türkei. Bushido will dabei im Auftrag Abou-Chakers gehandelt haben – dieser behauptet aber, Bushido habe das Geld in die Türkei überwiesen und in bar zurückerhalten, um Steuern zu sparen.
Erst Ende des Jahres 2008 kam heraus, dass das Album längst anderweitig produziert und veröffentlicht war und die angeblich in der Türkei ansässige Firma des Produzenten, an die Bushido das Geld überwiesen haben soll, nie existiert hat. Bushido will erst im Jahr 2008 davon erfahren haben – und auch Abou-Chaker tat überrascht. Ein Ermittlungsverfahren gegen diesen wegen Betruges wurde mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
Seit Ende Dezember 2010 hatte Abou-Chaker zudem eine Generalvollmacht – und traf im eigenen Namen und als Vertreter Bushidos Regelungen für die Zeit nach einem Ende der Zusammenarbeit, insbesondere zur Beteiligung an den Einnahmen der Marke "Bushido".
In den Jahren 2016 bis 2018 zahlte Bushido insgesamt 1,8 Millionen Euro "Managerhonorare" an Abou-Chaker. Das muss dieser jetzt vollständig zurückerstatten – und bekommt selbst nichts von den eingeklagten rund 840.000 Euro.
Abou-Chaker wollte mit Bushido "Gangsterrap in Deutschland etablieren" – aber den gab es schon
Ein erster Termin zur mündlichen Verhandlung fand im April statt. Dort hatte Abou-Chaker aber keine Anträge gestellt und deshalb ein Versäumnisurteil kassiert (Urt. v. 26.04.2023, Az. 38 O 206/22). Dagegen legte er Einspruch ein, weshalb es im August zur Verhandlung kam. In der Sache änderte sich aber nicht viel, das LG Berlin erhielt das Versäumnisurteil weitestgehend aufrecht.
Abou-Chaker habe "aus keiner denkbaren Anspruchsgrundlage einen Anspruch" auf Beteiligung an den Einnahmen, heißt es in dem Urteil. Das Gericht prüfte insbesondere, ob die beiden konkludent – im Jahr 2004 oder später – einen Vertrag über die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB geschlossen haben. Dafür fehle es aber bereits an einem gemeinsamen Zweck.
"Gemeinsam den Gangsterrap in Deutschland zu etablieren" und Bushido "zum größten und coolsten Rapper aus Deutschland zu machen" sei aber kein geeigneter Gesellschaftszweck, so das Gericht. Das "Musikgenre Gangsterrap" habe es im Jahr 2004, als sich die beiden zusammengeschlossen haben, schon gegeben und Bushido war – wenn auch mit geringerem Erfolg, wie das LG ausführt, schon "ein Vertreter dieses Genres".
Außerdem sei unklar, wie Abou-Chaker zur Erreichung dieses Ziels habe beitragen können. Er habe selbst vorgetragen, "keinerlei Ahnung von Musik und keinen Bezug zur Subkultur Hip-Hop oder Gangsterrap gehabt zu haben", als Bushido ihn kontaktierte. Abou-Chaker hat Bushido und Personen aus dessen Familien- und Freundeskreis seit dem Jahr 2007 auch auf Touren begleitet, um "körperliche Auseinandersetzungen zu vermeiden" und "Präsenz zu zeigen". Es gebe allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese "Security-Pflicht" schon 2004 vereinbart wurde.
"Verträge" sind sittenwidrig und nichtig
Auch aus der späteren Vereinbarung aus dem Jahr 2010, mit der Abou-Chaker sich selbst eine Generalvollmacht erteilte und Regelungen zur Beteiligung an den Einnahmen traf, könne er keine Zahlungsansprüche herleiten. Die Vereinbarung sei sittenwidrig und daher nach § 138 BGB nichtig, so die Berliner Richter. Abou-Chaker war von den Voraussetzungen des Insichgeschäfts nach § 181 BGB befreit. Er habe seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum Nachteil von Bushido abzuschließen. Die Beteiligung Abou-Chakers an den Einnahmen von Bushido – ohne dass ansatzweise eine Gegenleistung für die "vereinbarten" Zahlungen geregelt sei – sei eine erhebliche Verletzung der vermögenswerten Interessen Bushidos.
Außerdem wies das Gericht noch darauf hin, dass die Vereinbarung ja nur eine Beteiligung an den Einnahmen für die Zeit nach dem Ende der Zusammenarbeit vorsah – hier ging es aber um die Zeit davor.
Auch der "Managementvertrag" aus dem Jahr 2007 sei sittenwidrig und damit nichtig. Der Vertrag räume Abou-Chaker unter anderem eine Alleinentscheidungsbefugnis bei rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten, aber auch bei Fragen der Ausstattung, der Auftritte, des Equipments sowie der technischen Anlagen und Geräte Bushidos ein. Insgesamt enthalte der Vertrag viele Regelungen, die Bushido "einseitig belasten und in seiner künstlerischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Freiheit unangemessen beeinträchtigen".
Bushido: "Ich bin so glücklich"
Bushido hingegen hatte mit seiner Widerklage – zumindest teilweise – Erfolg. Er kann die gezahlten "Honorare" aus den Jahren 2016 bis 2018 in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurückverlangen.
Die in die Türkei überwiesenen Beträge bekommt er allerdings nicht zurück. Unabhängig davon, ob er grundsätzlich einen Rückzahlungsanspruch gegen Abou-Chaker hätte, ist dieser in jedem Fall verjährt.
Trotzdem zeigte sich Bushido sich in einem Video auf Instagram erleichtert: "Ich bin so glücklich. Ich bin so, so glücklich. (...) Es geht hier ums Prinzip: Jahrelang abkassiert, obwohl es rechtlich nicht in Ordnung gewesen ist." Und: "Die Vertragsgeschichten, die dort in der Vergangenheit existiert haben, sind sittenwidrig."
Auch Abou-Chaker äußerte sich, wie die FAZ berichtet. Er deutete an, er wolle Rechtsmittel einlegen: "Und warum überhaupt so voreilig? Deine '1. Instanz'-Geschichte ist leider noch lange nicht vorbei, denn hinten sind die Enten fett", schrieb er in einer Instagram-Story.
Mit einem Urteil im Strafprozess gegen Abou-Chaker rechnen Prozessbeteiligte noch in diesem Jahr. Bislang sind Verhandlungstage bis zum 15. November terminiert.
Mit Materialien der dpa
Abou-Chaker verliert Rechtsstreit gegen Bushido: . In: Legal Tribune Online, 11.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52678 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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