Mollath-Beschluss des OLG Nürnberg auch für Freiberufler interessant: Die Tücken der Unterschrift

von Dr. Alexander Weinbeer

09.08.2013

2/2 Gefahren der (verdeckten) Stellvertretung für Angehörige der freien Berufe

Es ist nicht ausgeschlossen, dass selbst bei Unterzeichnung eines Schriftstücks mit dem eigenen Namen eine unechte Urkunde hergestellt wird, wenn aufgrund der konkreten Einzelfallumstände – etwa durch Verwendung eines in bestimmter Weise gestalteten Briefkopfes – die Erklärung nicht dem Unterzeichnenden, sondern einer anderen Person zugerechnet wird, weil der Unterzeichner nach der maßgeblichen Verkehrsanschauung weniger wichtig ist als die nach dem Anschein der Urkunde von ihm vertretene Behörde oder Firma (vgl. BGH, Urt. v. 06.12.1961, Az. 2 StR 350/61).

Darüber hinaus können die Urkundenechtheit und damit auch die rechtliche Wirksamkeit eines solchen Schriftstücks entfallen, wenn die Vertretung für die fragliche Erklärung rechtlich nicht zulässig ist. Demnach kann nicht nur das im Wiederaufnahmebeschluss des OLG Nürnberg vom 6.  August 2013 (Az. 1 WS 354/13 WA) gegenständliche ärztliche Attest nicht in Stellvertretung unterzeichnet werden. Auch die "anwaltliche Versicherung" als Mittel der Glaubhaftmachung nach § 294 Zivilprozessordnung (ZPO) oder bestimmte Schriftsätze in Straf- oder Zivilverfahren, wie etwa die Klage- oder Berufungsschrift, erfordern eine eigenhändige Unterschrift des Rechtsanwalts. Und das vom Vertreter unterschriebene Sachverständigengutachten entfaltet mit Blick auf § 411 Abs. 1 ZPO ebenfalls keine Wirkung.

Schließlich kann ein mit einer unleserlichen Unterschrift versehenes Schriftstück nach einer im juristischen Schrifttum vertretenen Ansicht als sogenanntes anonymes Schreiben behandelt werden, welches keine Urkunde darstellt. Dass davon nicht nur Ärzte mit ihrer dem Klischee nach stets unleserlichen Handschrift betroffen sind, zeigt auch ein LTO-Beitrag vom 3. Juni 2013 zur Berufungsschrift einer Anwältin, die vom OLG Nürnberg mangels leserlicher Unterschrift als unzulässig behandelt wurde.

Zwar hatte der BGH der Anwältin aus Gründen des Vertrauensschutzes Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumten Rechtsmittelfristen gewährt. Wäre die unleserliche Unterschrift aber zuvor nicht längere Zeit ohne Beanstandung als formgültig hingenommen worden, hätte die vorangegangene Entscheidung Bestand gehabt (BGH, Beschl. v. 11.04.2013, Az. VII ZB 43/12).

Der Beschluss des OLG Nürnberg im Fall Mollath veranschaulicht exemplarisch, dass das in der Praxis häufig allzu sorglose Auftreten von Stellvertretern nach außen etwa bei der Unterzeichnung von Schriftstücken ohne hinreichend deutlichen Vertretungszusatz riskant ist und erhebliche Nachteile für die Betroffenen solcher Sorglosigkeiten haben kann. Man braucht sich dazu nur die arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen vorzustellen, wenn Arbeitgeber unleserlich und mit unklarem Vertretungszusatz unterzeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht mehr akzeptieren.

Der Autor Dr. Alexander Weinbeer ist Rechtsanwalt bei bock legal in Frankfurt am Main.

Zitiervorschlag

Mollath-Beschluss des OLG Nürnberg auch für Freiberufler interessant: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9329 (abgerufen am: 12.12.2024 )

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