Mit der Presse müssen Unternehmen feinfühlig sein, denn negative Berichterstattung bleibt in den Köpfen der Verbraucher haften, auch wenn sie erfolgreich angegriffen wird. Ansgar Koreng zum Umgang mit dem drohenden Unternehmensskandal.
Die meisten Unternehmen wird es früher oder später einmal erwischen: Ein Journalist konfrontiert die Unternehmensleitung mit einem Vorwurf und setzt eine Frist von wenigen Stunden zur Stellungnahme. Man habe Verbraucher betrogen. Ein gefährliches Produkt auf den Markt gebracht. Oder sei in einen Steuerskandal verstrickt.
Nun gilt es schnell und richtig zu reagieren, denn wenn die Veröffentlichung erst einmal raus ist, ist dem Unternehmen die Möglichkeit der Einflussnahme weitestgehend aus der Hand genommen. Es ist daher wichtig, möglichst frühzeitig auf die Veröffentlichung Einfluss zu nehmen. Doch welche Möglichkeiten der Einflussnahme bestehen? Und welche sollte man im konkreten Fall wählen? Das kommt, wie immer, darauf an.
Einfluss auf Berichterstattung möglichst früh nehmen
Das Presserecht gibt dem Juristen einen gut gefüllten Werkzeugkoffer an die Hand, mit dem gegen unliebsame Veröffentlichungen vorgegangen werden kann. Doch liegt es in der Natur der meisten presserechtlichen Ansprüche, dass sie erst dann greifen, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Vorbeugende Unterlassungsansprüche gegen Veröffentlichungen werden von den Gerichten nur mit der allergrößten Zurückhaltung zugesprochen – zu Recht, denn die Frage, ob eine Veröffentlichung rechtmäßig ist, kann immer nur aus ihrem konkreten Kontext heraus beantwortet werden.
Ein presserechtlich versierter Anwalt wird seinem Mandanten daher immer empfehlen, möglichst frühzeitig Einfluss auf eine drohende Berichterstattung zu nehmen. Doch wie kann eine solche Einflussnahme aussehen? In der gegenwärtigen Praxis lassen sich grob drei Konzepte für den Umgang mit drohenden Medienveröffentlichungen unterscheiden, die – je nach Situation – alle ihre Vor- und Nachteile haben.
Die zurückhaltende "Hamburger Schule"
Das wohl älteste dieser Konzepte wird als "Hamburger Schule" bezeichnet, weil es vor allem von dort ansässigen Rechtsanwaltskanzleien praktiziert wird. Es basiert auf dem Gedanken, der Presse möglichst wenige Informationen mitzuteilen. So spekuliert man dann auf Fehler in der Berichterstattung in der Hoffnung, erfolgreich vor Gericht gegen diese vorgehen zu können. Der Nachteil dieses Konzepts liegt auf der Hand: Wenn die Geschichte erst einmal veröffentlicht ist, hilft es zumeist wenig, sie hinterher angreifen zu können. Der Schaden ist in diesem Moment bereits entstanden.
Und ob ein späteres Vorgehen gegen die Berichterstattung wirklich erfolgversprechend ist, ist keineswegs sicher. Die Hamburger Schule bietet sich daher für den Bereich der Wirtschaftsberichterstattung nicht sonderlich an, sondern hat ihren Platz vor allem dort, wo es um den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen geht. Hier kann es unter Umständen sogar einen schweren anwaltlichen Kunstfehler darstellen, sich auf eine journalistische Anfrage inhaltlich einzulassen, weil damit häufig eine Selbstöffnung einhergehen wird, die dem Argument des Privatsphärenschutzes den Boden entzieht.
Die kommunikationsfreudige "Kölner Schule"
Der norddeutsch-verschwiegenen Hamburger Schule gegenüber steht die rheinländisch-kommunikationsfreudige "Kölner Schule", für die vor allem eine in der Domstadt ansässige Anwaltskanzlei bekannt ist. Ihr liegt die Überlegung zugrunde, dass es besser ist, im Vorhinein Einfluss auf die Veröffentlichung zu nehmen oder sie sogar noch ganz zu verhindern. Dazu soll der Rechtsanwalt proaktiv mit dem Journalisten kommunizieren und dabei auch eine rechtliche Drohkulisse aufbauen, um den Journalisten zu einer zurückhaltenden Berichterstattung zu bewegen. Der Anwalt soll in diesem Szenario neben der als "good cop" agierenden PR-Agentur sozusagen als "bad cop" auftreten und – unter Umständen flankierend zu einer kooperativ agierenden Unternehmenskommunikation – konfrontativ auftreten.
Aber auch diese Taktik ist nicht in jedem Fall erfolgversprechend. Gerade große Medienhäuser oder investigative Redaktionen lassen sich kaum je von anwaltlichen Drohgebärden einschüchtern. Gerade im Bereich der Wirtschaftsberichterstattung kann ein Anwaltsbrief in den Augen von Journalisten umgekehrt eher darauf hindeuten, dass das Unternehmen etwas zu verbergen hat und man offenbar den richtigen Leuten auf den Fersen ist. Zudem ist klar, dass ein solcher Anwaltsbrief auch schnell das Klima ruiniert und die Chancen, die Berichterstattung zum Positiven zu wenden, eher verringern dürfte.
Ansgar Koreng, Umgang mit dem Unternehmensskandal: . In: Legal Tribune Online, 23.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21237 (abgerufen am: 13.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag