Ungarn: Noch kein Urteil im Budapest-Komplex: Pro­zess gegen Maja T. wird im Januar fort­ge­setzt

von Tanja Podolski

08.10.2025

Das Verfahren gegen Maja T. in Ungarn geht weiter. Das Gericht in Budapest hat für die Zeit ab Januar weitere vier Verhandlungstage angesetzt. Zunächst hatte jetzt ein Urteil ergehen sollen.

Das Gericht in Budapest hat weitere vier Verhandlungstage gegen die mutmaßlich linksextremistische Person Maja T. terminiert: Am 14., 16., 19. und 22. Januar 2026 soll der Prozess fortgesetzt werden. Bis dahin verbleibt die deutsche, non-binäre Person in Budapest in Untersuchungshaft (U-Haft). Die Anträge auf Aussetzung der U-Haft und Anordnung von Hausarrest hat der Richter an diesem Mittwoch erneut abgelehnt. T. war Mitte 2024 rechtswidrig nach Ungarn ausgeliefert worden und befindet sich seitdem in U-Haft. 

Die ungarische Justiz wirft T. vor, im Februar 2023 in Budapest an Gewalttaten gegen tatsächliche oder mutmaßliche Rechtsextremisten beteiligt und für schwere Körperverletzungen mitverantwortlich gewesen zu sein. Das ungarische Strafrecht sieht für diese Vorwürfe bis zu 24 Jahre Freiheitsstrafe vor. 

Der Prozess in Budapest läuft seit Februar 2025, seitdem gab es elf Termine. In den nächsten drei Monaten wird das Verfahren nicht fortgeführt. "Zwar gibt es auch in Ungarn Fristen", sagt T.s deutscher Anwalt Sven Richwin im Gespräch mit LTO. "Zwischen den einzelnen Terminen lässt sich die Justiz aber durchaus Zeit, einen Beschleunigungsgrundsatz gibt es hier nicht". T. hat zusätzlich einen ungarischen Anwalt, doch auch Richwin reist immer wieder zu Terminen nach Budapest. 

Sollte das Urteil gegen T. wie geplant am 22. Januar fallen, hätte das Gerichtsverfahren also 15 Verhandlungstage umfasst – der Prozess würde dann elf Monate dauern. Demgegenüber dauerte der Prozess in München gegen Hanna S., der ebenfalls eine Beteiligung an den Taten vorgeworfen wird, 33 Verhandlungstage, bis das Gericht zu einem Urteil kam – das Urteil erging aber schon Ende September.

Beobachter vs. mutmaßlich Geschädigtem

An diesem Mittwoch seien zwei Zeugen gleichzeitig im Gerichtssaal befragt worden, erklärt Richwin. Die beiden Zeugen seien ins Zwiegespräch miteinander gegangen, hätten im Saal über die Tatsachen diskutiert – ein Vorgang, der nach deutschem Recht so nicht möglich wäre – in Deutschland müssen Zeugen einzeln vernommen werden.

Ein Zeuge soll ein bloßer Beobachter der Tätlichkeiten sein, der andere ein in Ungarn bekannter Rechtsextremist und einer der mutmaßlich Geschädigten. Bei den Widersprüchen ging es um seine Erkennbarkeit als Rechtsextremist – er hatte behauptet, keine auffälligen Zeichen getragen zu haben, weshalb er den mutmaßlichen Angriff T.s für noch unbegründeter hält. 

Der Zeuge jedoch berichtete von SS-Zeichen, die der Rechtsextremist getragen haben soll. Dass diese sich in Form des SS-Totenkopfes groß auf der Mütze des mutmaßlich Geschädigten befanden, zeigten daraufhin gezeigte Aufnahmen im Gericht, zeigen auch die Videoaufnahmen. Dass T. überhaupt bei einer Tätlichkeit zugegen war, konnte der Zeuge nicht bestätigen, eine Videoaufnahme von dem Angriff selbst gibt es laut Richwin nicht.

Zusammenspiel von Videoaufnahmen soll T.s Schuld beweisen

Es gebe verschiedene Videoaufzeichnungen, die in der Gesamtheit einen Geschehensablauf abbilden und einen Ablauf beweisen sollen. So gebe es Videoaufzeichnungen von einer Person, die eine Straße langläuft – für die ungarische Justiz war dies das Auskundschaften der Lage. Dann gebe es Aufnahmen von Personen, die telefonieren – ­für die Ungarn der Moment, wo sich Antifaschist:innen über das weitere Vorgehen absprechen. Oft nehme der Richter die passende Interpretation bereits in der Einleitung des Videos vorweg, erzählt Richwin. Die Indizien zusammen sollen dann den Beweis erbringen, dass T. an den Attacken beteiligt war.

Ähnlich lief es auch bei der Verurteilung von Hanna S. in München. Die Antifaschistin wurde kürzlich vom dortigen Oberlandesgericht (OLG) zu fünf Jahren Freiheitsstrafe wegen Taten im sogenannten Budapest-Komplex verurteilt. Bei einem der Angriffe war S. nicht zu sehen – doch es gibt Aufnahmen von vorher und hinterher, in der Gesamtschau sei ihre Tatbeteiligung damit bewiesen, so das Gericht. Das Urteil gegen S. ist nicht rechtskräftig. 

"Skandal für die deutsche und ungarische Justiz"

An diesem Mittwoch war auch der linke EU-Abgeordnete Martin Schirdewan in Budapest. Zum dritten Mal hat er den Prozess als parlamentarischer Beobachter begleitet, zweimal hat er T. im Gefängnis besucht. Deutschen Standards entspreche das Verfahren dort nicht, sagt er gegenüber LTO. "Maja stehen durch die Vertagung des Urteils mindestens vier weitere Monate Isolationshaft unter widrigsten Bedingungen bevor. Es ist unfassbar, dass der Antrag auf Hausarrest erneut abgelehnt wurde. Majas Verfahren ist ein Skandal für die deutsche und ungarische Justiz."

Am Dienstag hatte das Europäische Parlament entschieden, die Immunität der Italienerin Ilaria Salis und zwei weiterer Oppositioneller ­aufrechtzuerhalten. Auch gegen sie hatten die ungarischen Behörden ermittelt, eine Zeit lang war auch sie in Ungarn inhaftiert. Mit ihrer Wahl ins Parlament erhielt sie indes Immunität.

An diesem Mittwoch hat auch das OLG Dresden die Prozesseröffnung gegen weitere mutmaßliche Linksextremist:innen bekannt gegeben (Beschl. v. 26.09.2025, Az. 4 St 2/25): Die Hauptverhandlung wird am 4. November vor dem Staatsschutzsenat beginnen, es sind bisher rund 70 Verhandlungstage angesetzt. Auch in dem Verfahren geht es um mutmaßliche Taten im Budapest-Komplex. Bei diesen Angeklagten handelt es sich um Henry A., Tobias E., Johann G., Thomas J., Melissa K., Paul M. und Julian W. 

Bisher nicht eröffnet ist ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Düsseldorf, dort hatte die Bundesanwaltschaft am 25. Juni Anklage zum gegen sechs mutmaßliche Linksextremist:innen erhoben (Az. III-7 St 1/25). Die Anklage betrifft sechs von sieben Personen, die sich Anfang des Jahres 2025 freiwillig den Strafverfolgungsbehörden gestellt hatten.

Zitiervorschlag

Ungarn: Noch kein Urteil im Budapest-Komplex: . In: Legal Tribune Online, 08.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58341 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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