Strafrechtler sehen Schutzlücke im StGB: Heim­li­ches Filmen in der Sauna nicht strafbar?

von Hasso Suliak

06.10.2025

Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat ein Strafverfahren gegen einen Mann eingestellt, der heimlich unbekleidete Frauen in einer öffentlichen Sauna filmte. Diese sei kein "besonders geschützter Raum" im Sinne des StGB. Eine Schutzlücke?

Wer Frauen heimlich unter einen Rock oder in einen Ausschnitt fotografiert, macht sich in Deutschland seit 2021 strafbar. Das sogenannte Upskirting wird nach § 184k Strafgesetzbuch (StGB) mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet. Ebenso macht sich nach § 201a StGB strafbar, wer heimlich jemanden filmt oder fotografiert, der sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum, also z.B. einer Umkleide oder in einer Toilette, befindet.

Umstritten ist jedoch, ob jemand auch bestraft werden kann, der heimlich mit seinem Mobiltelefon nackte Menschen in einer Sauna filmt – auch wenn per Hausordnung die Handynutzung dort verboten ist. Verneint hatte das etwa das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz (Beschl. v. 11.11.2008, Az. Ws 535/08).

Explizit an diesem OLG-Beschluss orientiert sich nun auch die Staatsanwaltschaft Leipzig in einem aktuellen Fall, über den die Berliner tageszeitung (taz) zuerst berichtet hatte. Ein Mann filmte zwei Frauen in der Sauna. Er wurde erwischt und die Polizei sicherte im Anschluss die Videos. Die zuständige Staatsanwaltschaft Leipzig stellte das Strafverfahren gegen den Voyeur jedoch nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

Es sei bereits der objektive Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB nicht erfüllt, wie ein Sprecher der Strafverfolgungsbehörde gegenüber LTO erläuterte. "In Rechtsprechung und Literatur wird nach vorherrschender Auffassung der zahlenden Besuchern offen stehende Saunabereich eines Erlebnisbads nicht als besonders geschützter Raum im Sinne der vorgenannten Vorschrift angesehen", so der Sprecher. Und auch wenn das Verhalten des Beschuldigten als in erheblichem Maße moralisch verwerflich zu betrachten ist, stelle dieses zu missbilligende Verhalten keine Straftat dar. Eine Schutzlücke im StGB?

Strafrechtlerin: “Unbefugte Aufnahmen nackter Körper strafrechtlich erfassen”

Das derartige Übergriffe strafrechtlich nicht verfolgt werden, ist Experten schon länger ein Dorn im Auge, etwa der Leipziger Hochschullehrerin Prof. Elisa Hoven. Die Strafrechtlerin hatte bereits im Zusammenhang mit der StGB-Änderung zum Upskirting darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit dem neuen § 184k StGB zu kurz greife.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Falles bekräftigt Hoven gegenüber LTO ihre Kritik: Das Filmen des nackten Körpers in der Sauna werde derzeit weder von § 184k noch von § 201a StGB erfasst. § 184k setze voraus, dass die gefilmten Bereiche "gegen Anblick geschützt sind"; das Filmen unbekleideter Körperteile sei davon nicht erfasst, so Hoven. Ebenso greife auch § 201a StGB jedenfalls nach herrschender Ansicht nicht ein. Die Vorschrift schütze vor Aufnahmen in bestimmten Räumen und gewährleiste einen geschützten Rückzugsbereich. Eine öffentliche Sauna falle nicht darunter, sie sei mit einer Wohnung (die ausdrücklich in § 201a StGB genannt ist) nicht vergleichbar. 

Hoven sieht daher eine strafrechtliche Schutzlücke, um die sich der Gesetzgeber kümmern müsse. “Es muss grundlegend überlegt werden, wie das Strafrecht auf die neuen Risiken des ungewollten Filmens – aufgrund der ständigen Verfügbarkeit von Aufnahmegeräten in Handys und der schnellen Verbreitungsmöglichkeiten – reagieren soll.”

Rechtstechnisch schlägt die Strafrechtsprofessorin vor, nicht an §201a StGB anzusetzen und etwa den Tatbestand um weitere Räumlichkeiten zu ergänzen. Vielmehr sollten unbefugte Aufnahmen nackter Körper unabhängig vom Ort der Aufnahme erfasst werden. Dann könnten etwa auch Fälle strafrechtlich geahndet werden, in denen eine Frau beim Anziehen ihres Bikinis am Strand heimlich fotografiert würde.

“Permanentes Risiko, in ungünstiger Lage verewigt zu werden”

Das sieht auch Strafrechtler Prof. Jörg Eisele so. Das Problem sei, dass der Gesetzgeber kein vernünftiges Konzept hinsichtlich Nacktaufnahmen von Erwachsenen habe. Eisele zufolge bedürfe es daher einer umfassenderen Reform, um Lücken zu schließen. Nacktaufnahmen von Erwachsenen ohne pornografischen Charakter seien aktuell nach § 201a Abs. 2 StGB nur dann geschützt, wenn diese geeignet seien, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden. Als Tathandlung komme jedoch nur das Zugänglichmachen für eine dritte Person, nicht aber das Herstellen der Aufnahme selbst in Betracht.

Eine Strafbarkeitslücke bejaht auch die Kölner Strafrechtlerin Prof. Frauke Rostalski gegenüber LTO. Das Filmen in einer Sauna sei strafwürdig, im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz habe das Fehlverhalten auch hinreichend Gewicht. Denn es bestehe gewissermaßen das permanente Risiko, in einer ungünstigen Lage "verewigt" zu werden. Heute seien Bilder "für die Ewigkeit" gemacht, sie drohten, nie wieder aus dem Netz zu verschwinden und könnten einer nicht messbaren Vielzahl an Personen ohne größere Schwierigkeiten zur Verfügung gestellt werden, so Rostalski. Dass die Aufnahme an sich unter Umständen keinen Sexualbezug aufweise, ist für die Strafrechtslehrerin irrelevant. “Der nackte Körper ist nach wie vor Ausdruck der Privatheit der Person. Durch das Bild wird darin eingegriffen.”

Direktorin des Max-Planck-Instituts sieht keine Schutzlücke

Den Gesamtkomplex "strafbare Bildaufnahmen" systematisch zu überprüfen, empfiehlt unterdessen Strafrechtsprofessorin Tatjana Hörnle. Die Leitfrage sollte dabei sein, ob der Eingriff in die Privatsphäre besonders schwerwiegend sei. Wegen der beschränkten Ressourcen der Strafjustiz könne jedoch nicht jede unerwünschte, sozialethisch kritikwürdige Bildaufnahme kriminalisiert werden, meint die Direktorin am Freiburger Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht.

Hinsichtlich des Sauna-Filmens sieht Hörnle im Übrigen nicht zwingend eine Schutzlücke, sondern meint, dass § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB unter bestimmten Voraussetzungen anzuwenden sei. Es komme darauf an, ob der konkrete Raum baulich als "Schutzzone gegen fotografierende Zeitgenossen" gestaltet sei. Bei Saunabetrieben sei eine solche bauliche Abgeschlossenheit in der Regel anzunehmen, so Hörnle. Anders wäre es, wenn z.B. Passanten durch Panoramafenster Einblicke hätten oder andere Nutzer desselben Gebäudes in offen gestaltete Ruheräume schauen könnten. Irrelevant für die Strafbarkeit sei der Umstand, dass auch weitere Menschen die Sauna besuchten. "Ob sich andere, unbekannte Personen im selben Raum aufhalten dürfen, ist nach geltendem Recht nicht entscheidend", so Hörnle.

Keinen Überarbeitungsbedarf im StGB bei derartigen Fallkonstellationen sieht der Deutsche Anwaltverein (DAV). Die Staatsanwaltschaft Leipzig bewege sich auf der Linie der herrschenden Auffassung und sei daher nicht zu beanstanden, erklärte Jenny Lederer, Mitglied des DAV-Strafrechtsausschusses. "Unanständiges oder moralisch verwerfliches Verhalten – unabhängig davon, ob sexuell motiviert oder nicht – ist nicht per se strafbar und sollte es auch nicht sein", so die Rechtsanwältin gegenüber LTO.

BMJV prüft Strafbarkeitslücken bei bildbasierter sexualisierter Gewalt

Ob das Bundesjustizministerium (BMJV) die Forderung nach einer Reform aufgreift, ist offen. Von den Justizministerinnen und - ministern der Länder war Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) Anfang Juni auf der JuMiKo per einstimmigem Beschluss gebeten worden, "sich der Thematik anzunehmen und adäquate Regelungen zur Schließung der Strafbarkeitslücken sowie zur schuldangemessenen strafrechtlichen Ahndung von bildbasierter sexualisierter Gewalt vorzuschlagen, die dem Unrechtsgehalt dieser Taten ausreichend gerecht werden". 

Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) sagte am Montag zu LTO: “Ich halte es für völlig völlig inakzeptabel, dass das reine Anfertigen von Bildaufnahmen einer nackten Person in einem öffentlich zugänglichen Bereich, z.B. einer Sauna, öffentlichen Umkleiden oder Duschbereichen, bislang nicht strafbar ist.” Auch aus der SPD-Bundestagsfraktion kommt Druck: "Als SPD-Fraktion setzen wir uns dafür ein, diese Lücken zu schließen. Der Schutz vor digitaler und bildbasierter Gewalt darf nicht davon abhängen, ob jemand in den eigenen vier Wänden, in einer Umkleide oder in einer Sauna verletzt wird. Entscheidend ist die Verletzung der Intimsphäre selbst“, erklärte die rechtspolitische Sprecherin Carmen Wegge MdB auf Nachfrage.  

Unterdessen verweist das BMJV gegenüber LTO auf den Koalitionsvertrag, in dem man verabredet habe, Strafbarkeitslücken bei bildbasierter sexualisierter Gewalt zu schließen. "Das BMJV prüft derzeit, wie diese Vorgaben am besten umgesetzt werden können", so ein Sprecher.  Schon jetzt sei aber das unbefugte Anfertigen von Nacktaufnahmen von Erwachsenen je nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere dann strafbar, wenn bestimmte Barrieren umgangen würden, um die Bildaufnahmen anzufertigen.

Zuletzt hatte Hubig angekündigt, das sogenannte Catcalling, also die verbale sexuelle Belästigung, unter Strafe zu stellen. Derartige Herabwürdigungen fallen in der Regel nicht unter den Straftatbestand der Beleidung nach § 185 StGB.

Und neben den Sauna-Fällen könnte auch eine weitere Fallkonstellation des digitalen Voyeurismus bald das BMJV beschäftigten. Die Kölnerin Yanni Gentsch hat kürzlich eine Petition für eine Strafrechtsverschärfung gestartet, nachdem ein Mann ihren Po beim Joggen gefilmt hatte. Auch dieses Verhalten wird vom Upskirting-Paragrafen § 184k StGB nicht erfasst. Die Petition, die eine Erweiterung von § 184k StGB zum Ziel hat, wurde bereits von fast 135.000 Menschen gezeichnet. Gerichtet ist sie direkt an die Bundesjustizministerin: "Die aktuelle Gesetzeslage schützt Täter, nicht Opfer", heißt es darin. 

Zitiervorschlag

Strafrechtler sehen Schutzlücke im StGB: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58312 (abgerufen am: 18.11.2025 )

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