25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention: Und noch immer keine Kultur der Kinderrechte

von Prof. Dr. iur. Beate Rudolf

20.11.2014

2/2: Kinder brauchen Bildung, Richter müssen geschult werden

Kinder sind nach der Konvention als Rechtsträger ernst zu nehmen. Wer Rechtsträger ist, entscheidet grundsätzlich selbst, wie er das Recht ausüben will. Für Kinder und Jugendliche ist es dabei von zentraler Bedeutung, gut darüber informiert zu sein, welche Rechte sie haben und wie sie diese einfordern und durchsetzen können. Daher kommt der Menschenrechtsbildung für Kinder und Jugendliche eine zentrale Rolle zu.

Richterinnen und Richter müssen im Umgang mit Kindern geschult sein. Das ist bislang keine verbindliche Voraussetzung in Deutschland. Empirische Studien zeigen, dass hier auch tatsächlich ein großer Handlungsbedarf besteht. Kinder, die in familiengerichtlichen Verfahren angehört oder im Strafverfahren als Opferzeugen vernommen werden, müssen mit Wertschätzung behandelt und umfassend informiert werden. Sie müssen Bescheid wissen etwa über den Zweck des Verfahrens, die möglichen Auswirkungen ihrer Aussage, aber auch den Schutz, den sie vor möglichen Repressalien des Angeklagten erhalten – oder eben auch nicht erhalten - können.

Impulse vom UN-Ausschuss: Koordinieren, Daten erheben, Bildung sichern

Welche Maßnahmen zur systematischen Umsetzung der Kinderrechtskonvention sind geboten und erfolgversprechend? Wichtige Impulse hat hier im Frühjahr 2014 der UN-Kinderrechtsausschuss bei seiner turnusgemäßen Überprüfung der Umsetzung der Konvention durch Deutschland gegeben. Er hat Deutschland empfohlen, eine umfassende Politikstrategie zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention zu entwickeln.

So legt der Ausschuss beispielsweise die Einrichtung einer Stelle zur Koordinierung der Umsetzungsmaßnahmen in der Bundesregierung nahe. Weiterhin befürwortet er eine verbesserte, umfassende und integrierte Erhebung von relevanten Daten und Umsetzungsproblemen, die alle Ebenen umfassen sollte - Bund, Länder und Kommunen. Funktionierende Beschwerdemöglichkeiten für Kinder auf diesen Ebenen werden ebenfalls angeraten.

Deutschland soll zudem über die schulische und außerschulische Bildung sowie andere Institutionen sicherstellen, dass Kinder ihre Rechte kennen und Trainingsprogramme für alle relevanten Berufsgruppen entwickelt und angewandt werden. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat daher soeben Vorschläge für eine Verankerung von Menschenrechtsbildung für Kinder und Jugendliche vorgelegt.

Neben der verbesserten Umsetzung der Kinderrechte empfiehlt der Ausschuss eine vorrangige Berücksichtigung von Kinderrechten in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und fordert Deutschland auf, Unternehmen anzuleiten und zu kontrollieren, Kinderrechte in ihrem Tätigkeitsbereich zu achten. Das ist beispielsweise im "Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte" zu berücksichtigen, den die Bundesregierung gegenwärtig ausarbeitet.

Mängel beseitigen, Monitoring einführen

Diese Empfehlungen allein machen natürlich noch keine Politikstrategie. Ihre Umsetzung ist jedoch dazu geeignet, die Rechte der Kinder in Deutschland verstärkt zur Geltung zu bringen, wenn sie denn mit den richtigen Maßnahmen umgesetzt werden.

In einem ersten Schritt  sollten Bund und Länder systematisch ihre Gesetze und ihre Praxis durchforsten, um Lücken und Mängel zu identifizieren und den in der Konvention verbrieften Rechten volle Wirksamkeit zu verschaffen. Einige dieser Mängel im Recht hat der UN-Kinderrechtsausschuss bereits benannt: ein fehlendes Recht auf Familiennachzug von Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren, die Übermittlungspflicht von sozialen Diensten, die dazu führt, dass Kinder ohne Papiere sich aus Furcht vor der Entdeckung nicht an Gesundheitseinrichtungen wenden oder das Fehlen zugänglicher Beschwerdeverfahren für Kinder mit Behinderungen, die Gewalt erfahren haben.

Außerdem bedarf es in Deutschland eines kontinuierlichen unabhängigen Monitorings, um die staatliche Umsetzung der Konvention kritisch und konstruktiv zu begleiten. Auch hierbei gilt es, der tragenden Rolle von Kindern und Jugendlichen gerecht zu werden, indem sie an Monitoring-Verfahren nicht nur beteiligt werden, sondern diese auch aktiv mitgestalten können.

Zur Schaffung einer Kultur der Kinderrechte gehört neben der Partizipation von Kindern an allen sie betreffenden Prozessen auch eine rechtspolitische Debatte, die sich an der Kinderrechtskonvention ausrichtet. 25 Jahre nach Inkrafttreten der Kinderrechtskonvention wird es dazu höchste Zeit.

Die Autorin Prof. Dr. iur. Beate Rudolf ist Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Zuvor lehrte sie als Juniorprofessorin für Öffentliches Recht und Gleichstellungsrecht am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin und leitete das Teilprojekt "Völkerrechtliche Vorgaben für Governance in schwachen und zerfallenden Staaten" im Sonderforschungsbereich "Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit". Ihre Forschungsschwerpunkte sind Grund- und Menschenrechte sowie Staatsstrukturprinzipien nach Völkerrecht, Europarecht und deutschem Verfassungsrecht.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. iur. Beate Rudolf, 25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention: Und noch immer keine Kultur der Kinderrechte . In: Legal Tribune Online, 20.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13877/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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