Uli Hoeneß hat sich selbst angezeigt, als absehbar war, dass das Steuerabkommen mit der Schweiz scheitern würde. Niemand weiß, ob gegen den Bayern-Präsidenten bereits ermittelt wurde, ob er davon wusste und um wie viel hinterzogene Steuern es geht. Aber die Selbstanzeige könnte auch noch aus anderen Gründen nicht zur Straffreiheit führen.
In einem normalen Strafverfahren gibt es so etwas nicht: Sich selbst anzeigen und dann beruhigt, weil straffrei, nach Hause gehen. Hätte Uli Hoeneß Abnehmer seiner Wurstfabrik betrogen, hätte eine Selbstanzeige lediglich bei der Strafzumessung berücksichtigt werden können.
Nun geht es aber um den Verdacht der Steuerhinterziehung, wie der Focus in seiner aktuellen Ausgabe berichtet. Das Nachrichtenmagazin zitiert aus einer schriftlichen Stellungnahme des Bayern-Präsidenten: "Ich habe im Januar 2013 über meinen Steuerberater beim Finanzamt eine Selbstanzeige eingereicht." Diese hänge "mit einem Konto von mir in der Schweiz" zusammen.
Nach § 371 Abgabenordnung (AO) gibt die Selbstanzeige einem Steuerhinterzieher die Möglichkeit, ohne Strafe wieder aus der Sache herauszukommen. Dazu müssen gegenüber den Finanzbehörden zu allen unverjährten Steuerstraftaten unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige ergänzt oder unterlassene Auskünfte nachgeholt werden.
"Damit will man verschlossene Steuerquellen zum Sprudeln bringen", erklärt Steuerstrafrechtler Uwe Hellmann von der Universität Potsdam. "Das war zumindest die gängige Begründung, bis der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs vor etwa zwei Jahren dieses Verständnis angesichts besserer Aufklärungsmöglichkeiten in Frage gestellt hat." Es soll jetzt doch eher wie beim Rücktritt vom Versuch darum gehen, dem Steuersünder einen Weg in die Legalität zu ebnen.
Keine Straffreiheit, wenn der Täter längst entdeckt ist und das weiß
Voraussetzung für die Straffreiheit ist außerdem, dass die nicht gezahlten Steuern innerhalb einer angemessenen Frist nachgezahlt werden, § 371 Abs. 3 AO. Allerdings nur dann, wenn der Täter die Steuern zu seinen eigenen Gunsten hinterzogen hat. "Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn ein Geschäftsführer einer GmbH, der nicht zugleich Gesellschafter ist, Steuern hinterzieht, die das Unternehmen hätte zahlen müssen", erklärt Hellmann. Dann genüge die bloße Steuer-Nacherklärung, um straffrei zu bleiben.
Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist zudem nicht mehr möglich, wenn die Tat bereits entdeckt worden ist und der Täter dies weiß oder damit rechnen muss, § 371 Abs. 2 AO. Nach dem Kauf der ersten Steuer-CDs wurde darüber diskutiert, ob die Steuerhinterziehungen dadurch bereits "entdeckt" waren. Das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalens, das eine solche Steuer-CD erstanden hatte, stellte daraufhin klar, dass eine Selbstanzeige auch nach den Datenkäufen möglich bleibe. Der Datenankauf als solcher und die öffentliche Berichterstattung über mutmaßliche Ankäufe alleine schlössen eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht aus.
Ob gegen den Bayern-Präsidenten bereits Ermittlungen liefen und dieser von ihnen wusste, ist nicht bekannt. Hoeneß sagte laut Focus, dass er die Angelegenheit ursprünglich über das von der Bundesregierung angestrebte Steuerabkommen mit der Schweiz habe regeln wollen. Das Abkommen sollte für Steuerflüchtlinge unter anderem die Möglichkeit einer Einmalzahlung vorsehen, um Straffreiheit zu erlangen. "Die schweizerischen Behörden hätten eine Summe, die sich nach einem komplizierten Verfahren berechnet, an das Bundesamt für Steuern abgeführt – und zwar anonym", erklärt Hellmann.
Das Abkommen scheiterte allerdings Anfang Februar am Widerstand von SPD und Grünen im Bundesrat. Zum Zeitpunkt der Selbstanzeige im Januar zeichnete sich aber bereits ab, dass die Regierungskoalition mit dem Vorhaben nicht durchkommen würde.
Steuerstrafrechtler: "Ich bin die Amnestien leid"
Aus strafrechtlicher Sicht wäre diese Vereinbarung mit der Schweiz nicht akzeptabel gewesen, meint Hochschullehrer Hellmann: "Ich bin die Amnestien langsam leid. Immer wieder heißt es, das sei jetzt wirklich die letzte Chance. Und dann gibt es ein paar Jahre später doch das nächste Angebot für Hardcore-Steuerhinterzieher."
Im Jahr 2011 hatte der Gesetzgeber einen Grenzbetrag von 50.000 Euro an hinterzogenen Steuern eingeführt, ab der Täter nicht mehr straffrei davonkommen sollten. Nicht aber, ohne gleichzeitig ein Hintertürchen offen zu lassen: In solch besonders schwerwiegenden Fällen können sich Steuerhinterzieher freikaufen: "§ 398a AO bietet die Möglichkeit, das Verfahren einzustellen, wenn die Steuern plus fünf Prozent Zinsen gezahlt werden. Das ist eine ähnliche Regelung wie § 153a der Strafprozessordnung, die Einstellung gegen Auflagen", erklärt der Steuerstrafrechtler.
Nach der Selbstanzeige leiten die Behörden ein Verfahren ein, um zu überprüfen, ob die Anzeige die genannten Voraussetzungen erfüllt. Genau das wird die Staatsanwaltschaft München II im Fall Hoeneß nun tun. "Ist die Selbstanzeige vollständig und sind auch alle anderen Voraussetzungen erfüllt, wird das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt", so Hellmann.
Geht es um richtig hohe Summen, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Strafe irgendwann allerdings nicht einmal mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Ab einem Schaden von einer Million Euro soll das in der Regel der Fall sein.
Mit Material von dpa.
Claudia Kornmeier, Steuersünder-Selbstanzeige: . In: Legal Tribune Online, 22.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8579 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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