Die UEFA hat die Regelungen zum finanziellen Fairplay um eine investorenfreundliche Komponente ergänzt. Die Öffnung der Break-even-Regelung erfolgte allerdings nicht ganz freiwillig, sondern war auch kartellrechtlich bedingt, meint Sebastian Schnitzler.
Die UEFA will das finanzielle Fairplay des Fußballs erweitern: Der Verband hat in seinem überarbeiteten Reglement zur Klublizenzierung und zum finanziellen Fairplay (UEFA-FFP) die Möglichkeit geschaffen, dass Fußballklubs den Abschluss einer Freiwilligen Vereinbarung über die Einhaltung der Break-even-Vorschrift beantragen können (Art. 57 Abs. 5 i.V.m. Anhang XII UEFA-FFP). Break-even bedeutet im Kern, dass die Klubs grundsätzlich nicht mehr ausgeben, als sie einnehmen*. Die Break-even-Regelung besteht zwar schon seit Längerem, die Möglichkeit zum Abschluss einer Freiwilligen Vereinbarung wurde hingegen erst Anfang Juli 2015 eingeführt, und soll nach Aussage der UEFA neue Anreize für Investoren schaffen.
Wer die jüngsten Entwicklungen vor den europäischen Gerichten im Zusammenhang mit dem UEFA FFP verfolgt, den vermögen die eingeführten Änderungen und Ergänzungen zur Break-even-Regelung (Art. 58 ff. i.V.m Anhang X UEFA-FFP) nicht zu überraschen. Durch die bisherige Break-even-Regelung wurde die Vormachtstellung der aktuell profitabelsten Vereine gewissermaßen zementiert. Neue Investitionen wurden durch das Reglement für potentielle Geldgeber weniger attraktiv und Wettbewerb mithin eingeschränkt.
Diverse Verfahren anhängig
Vor allem für Kartellrechtler ist die Break-even-Regelung in ihrer bisherigen Form daher problematisch. So ist derzeit die Klage eines Spielerberaters vor einem belgischen Gericht anhängig, der sich unter anderem auf die Kartellrechtswidrigkeit der Regelung beruft. Das Verfahren wurde ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zur Vorabentscheidung vorgelegt (C-299/15), so dass der Weg für eine Beurteilung durch das oberste europäische Gericht frei ist.
Eine parallel eingereichte Beschwerde bei der Europäischen Kommission wurde bereits abgewiesen, dies wurde jedoch damit begründet, dass mitgliedsstaatliche Gerichte ebenso kompetent seien, das Reglement kartellrechtlich zu beurteilen. Die Europäische Kommission dürfte sich bei dieser Entscheidung an ihrer eigenen Unabhängigkeit gerieben haben: Betrachtet man das Vorgehen im Gesamtkontext, überrascht ihre Zurückhaltung nicht. Immerhin gibt es die Kooperationsvereinbarung der Europäischen Kommission und der UEFA vom 14. Oktober 2014 und auch eine Gemeinsame Erklärung von EU-Kommissions-Vizepräsident Almunia und UEFA-Präsident Platini vom 21. März 2012. Der Europäische Ombudsmann stellte am 15. Januar 2015 sogar fest, dass sich die Europäische Kommission bei der Abweisung der Beschwerde – in personeller Hinsicht ging es um die Befangenheit des ehemaligen Vizepräsidenten Almunia – in einem Interessenkonflikt befunden habe (2086/2014/DR).
Parallel zu diesem Verfahren sind Klagen von Fan-Gruppierungen vor anderen EU mitgliedsstaatlichen Gerichten sowie weitere Beschwerden vor der Europäischen Kommission anhängig. Die nunmehr bevorstehende Befassung des EuGH - und vielleicht sogar auch die in der Wettbewerbsdirektion der Europäischen Kommission erfolgte personelle Rochade - scheinen die UEFA dazu veranlasst zu haben, konkrete Änderungen im Reglement vorzunehmen.
Break-even mit Ausnahmen in Millionenhöhe
Im Kern verlangt die Regelung des UEFA-FFP von Vereinen, dass sie nicht mehr ausgeben als sie einnehmen. Eine Abweichung in Höhe von fünf Millionen Euro wird dabei akzeptiert (Art. 57 Abs. 2 UEFA-FFP). Dieses Niveau darf derzeit wiederum bis zu einem Betrag von 30 Millionen Euro überschritten werden, wenn die Überschreitung vollständig durch Beiträge von Anteilseignern und/oder verbundenen Parteien gedeckt ist (Art. 61 Abs. 2 UEFA-FFP). Diese Regelungen gelten für Vereine, die zumindest perspektivisch an Europäischen Klubwettbewerben teilnehmen wollen.
Die Crux für potentielle Geldgeber liegt bisher darin, dass Investitionen durch verbundene Parteien – erfasst sind hiervon etwa Mutterkonzerne, Tochtergesellschaften, Personen in Schlüsselpositionen oder andere von der gleichen Regierung beherrschte Unternehmen – nicht als relevante Einnahmen berücksichtigt werden. Leistungen von verbundenen Parteien, die in einem vermeintlichen Austauschverhältnis – etwa im Rahmen eines Sponsoringvertrags – gewährt werden, müssen dem Zeitwert dieser Geschäftsvorgänge entsprechen (Art. 58 Abs. 3 UEFA-FFP).
Nachteil für weniger erfolgreiche Vereine
Anders als die arrivierten Kräfte im Fußball verfügen derzeit weniger erfolgreiche Vereine nicht über die nötigen Einnahmen, die als relevant i.S.d Break-even-Regelung erachtet werden, wie beispielsweise Teilnahmeprämien, Merchandising, Sponsoring-, Eintritts- oder Fernsehgelder. Großvolumige Investitionen in Spielertransfers oder sonstige personelle Schlüsselpositionen (Management, Trainerstab etc.) können ebenso wie betriebliche Aufwendungen nicht getätigt werden, da diese als relevante Ausgaben zu berücksichtigen sind. Trotz im Einzelfall bestehender Investitionsanreize, etwa aufgrund infrastruktureller, gesellschaftlicher oder sonstiger Rahmenbedingungen, scheint der durch das UEFA-FFP installierte Hemmschuh also dazu geeignet, Investitionen zu verhindern.
Da der Profifußball ebenso wie andere Wirtschaftsbereiche dem geltenden Kartellrecht unterfällt, impliziert dies einen Verstoß gegen das Europäische Kartellverbot. Es kommt daher entscheidend darauf an, inwieweit die Regelung durch die von ihr verfolgten Zielsetzungen – etwa die Integrität des Sports – gerechtfertigt ist.
Für den Bereich des Sports hat der EuGH hierzu konkrete Kriterien entwickelt, anhand derer die jeweilige Verbandsregelung zu messen ist (Urt. v. 18.07.2006, Az. C-519/04 - Meca-Medina). Über die Legitimitätsprüfung der konkret verfolgten Ziele hinaus müssen diese auch einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. Genau dies wurde jedoch in gleich mehreren Verfahren angezweifelt, so dass die Vermutung naheliegt, dass die UEFA mit der Implementierung einer umfassenden Ausnahmeregelung genau an dieser Stelle nachjustieren wollte.
Wenn die UEFA verlautbaren lässt, dass die Anpassungen "[…] verantwortungsbewusste Investoren und Interessenträger dazu ermutigen [werden], weiterhin zum starken und gesunden Wachstum des europäischen Klubfußballs beizutragen", wird deutlich, dass zumindest auch kartellrechtlichen Bedenken entgegengetreten werden soll.
2/2: Künftig Verhandlungen über Ausnahmen
Das Instrument der Freiwilligen Vereinbarung sieht nunmehr die Möglichkeit vor, dass sich Fußballklubs unter gewissen Voraussetzungen an die zur Überwachung des UEFA-FFP berufene UEFA-Finanzkontrollkammer für Klubs (FKKK) wenden um über Ausnahmen zur Break-even-Regelung zu verhandeln. Ein Fußballklub ist u.a. dann antragsbefugt, wenn der Klub in den zwölf Monaten vor der Antragsfrist von einer wesentlichen Änderung der Eigentümer- und/oder Beherrschungsverhältnisse betroffen war.
Neben Antragsberechtigung und Fristeinhaltung (31. Dezember des Vorjahres) bedarf es der Vorlage eines langfristigen Geschäftsplans, des Nachweises der Fortführungs- und der finanziellen Leistungsfähigkeit. Zudem erfordert es einer unwiderruflichen Verpflichtungserklärung von Anteilseignern und/oder verbundenen Parteien zur Leistung von Beiträgen, die mindestens dem aggregierten Break-even-Defizit für alle von der freiwilligen Vereinbarung abgedeckten Berichtsperioden entsprechen. Zudem darf der Klub während der letzten drei Berichtsperioden keine freiwillige Vereinbarung und keinen Vergleich abgeschlossen haben und es dürfen keine Disziplinarmaßnahmen gegen ihn verhängt worden sein.
Die Freiwillige Vereinbarung ist dabei von der bereits in den Statuten vorgesehenen Möglichkeiten eines Vergleichsabschlusses zwischen der UEFA und dem zu sanktionierenden Klub (Art. 14 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 15 Verfahrensregeln für die UEFA-Finanzkontrollkammer für Klubs) zu differenzieren. Während der Vergleich eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung (Strafrabatt gegen Erleichterung der Nachweispflichten) ermöglicht, verhindert die "Freiwillige Vereinbarung" einen Verstoß bereits tatbestandlich. Den Vergleich könnte man – um im kartellrechtlichen Jargon zu bleiben – als eine Art Settlement-Entscheidung; die Freiwillige Vereinbarung als Auflage im Fusionskontrollverfahren umschreiben.
Break-even wird kartellrechtskonform(er)
Es lässt sich konstatieren, dass der im Raume stehende Verstoß gegen Europäisches Kartellrecht eine Abkehr von dem ursprünglichen Konzept zumindest mitveranlasst hat. Die Einführung der Freiwilligen Vereinbarung ändert nichts an der Einschätzung, dass die Break-even-Regelung tatbestandlich gegen das Kartellverbot verstößt. Zweifelsohne ist sie jedoch dazu geeignet, auf Rechtfertigungsebene die im Bereich des Sports gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung zugunsten des UEFA-FFP zu beeinflussen. Unter Beachtung der vorstehenden Voraussetzungen sind nunmehr durchaus höhere Investitionen möglich, ohne dass rein spekulativen Geldgebern Tür und Tor geöffnet wäre.
Es erscheint jedenfalls unwahrscheinlich, dass die dargestellten Änderungen eine Befassung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren – etwa durch Klagerücknahme – verhindern, da die Break-even-Regelung bereits in den Jahren zuvor, und zwar ohne die Möglichkeit einer Freiwilligen Vereinbarung, Anwendung gefunden hat. In diesem Kontext dürfte sich der EuGH dann auch klarstellend mit den aktuellen Regelungen auseinandersetzen.
Sebastian Schnitzler, LL.M. ist als Rechtsanwalt im Kartell- und Vergaberecht bei der Kanzlei Deloitte Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hamburg tätig. Ein Schwerpunkt liegt in der Schnittstellenberatung zum Sport- und Verbandsrecht.
*Anm. d. Red.: Hier stand vorher "..mehr einnehmen, als sie ausgeben". Geändert am 13.07.2015, 11:10
Sebastian Schnitzler, LL.M, UEFA-FFP und Kartellrecht: Break-even wird investorenfreundlicher . In: Legal Tribune Online, 08.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16141/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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