Ticketing in der Coronakrise: Wer aus zweiter Hand kauft, ver­liert

Gastbeitrag von Josias Schreyer

10.10.2020

Angesichts steigender Corona-Zahlen machen kurzfristige Zuschauerausschlüsse den (Sport-)Veranstaltern zusätzlich zu schaffen. Gravierend ist das aber auch für Fans, die ihr Ticket aus zweiter Hand gekauft haben, zeigt Josias Schreyer.

Geisterspiel. Was sich schon gespenstisch anhört, trifft nicht nur die Veranstalter, also die Ticketverkäufer, sondern insbesondere die Ticketkäufer, meist Fans, schwer. In dieser Hinsicht versuchen die Veranstalter händeringend Lösungen zu finden, die sich innerhalb des gesetzlich Möglichen und gleichzeitig innerhalb des wirtschaftlich Nötigen bewegen.

Aktuell sieht es in der Branche so aus: Kunden von Großveranstaltern bekommen in der Regel unbürokratisch Ersatz für das bereits gekaufte Ticket, wenn die entsprechende Veranstaltung abgesagt oder unter (Teil-)Ausschluss von Zuschauern stattfindet. Das hat sich inzwischen herumgesprochen.

Eine Frage, die bislang nicht im Zentrum der öffentlichen Diskussion stand, ist jedoch: An wen kann sich ein Fan halten, der ein begehrtes Veranstaltungsticket nur noch aus zweiter Hand ergattern konnte, wenn die entsprechende Veranstaltung (doch) nicht, ohne oder mit weniger Zuschauern als geplant stattfindet?

Das Mitte Maiauf den Weg gebrachte Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht hilft dabei nur peripher. Die sog. Gutscheinlösung ist nur eine Verlagerung des Problems in die Zukunft. Nicht nur verliert der Veranstalter das Vertrauen des Käufers, weil dieser 18 Monate auf die Rückzahlung des Eintrittspreises warten muss.Das Problem wird auch nur in die Zukunft verlagert: Letzten Endes muss der Veranstalter den Preis zu einem anderen Zeitpunkt zurückzahlen oder Veranstaltungen nach Wiederzulassung von Zuschauern ohne dringend benötigte Neueinnahmen durchführen.

Kurzfristige Zuschauerausschlüsse sind an der Tagesordnung

Gerade im Angesicht der derzeit aufkommenden (oder bereits andauernden) sog. zweiten Welle der Corona-Pandemie passiert es laufend, dass bereits Tickets für Veranstaltungen verkauft wurden, das Event aber kurzfristig doch unter Zuschauerausschluss stattfinden muss.

Für das Eröffnungsspiel der Fußballbundesligasaison 2020 (FC Bayern München vs. Schalke 04) bspw. waren zunächst 15.000 Zuschauer - also 20 Prozent der regulären Stadionkapazität entsprechend den DFL-Vorgaben - für die Allianz Arena vorgesehen. Aufgrund steigender Infektionszahlen verkündeten der Münchner Bürgermeister Reiter und Ministerpräsident Söder am Mittwoch vor dem Freitagabendspiel, dass lediglich 10 Prozent, also nur noch 7.500 Zuschauer zugelassen würden. Daraufhin begann der Gastgeber mit der Ticketvergabe. Am Vortag des Spieltags wurde dann bekanntgegeben, dass aufgrund der Überschreitung eines bestimmten Schwellenwertes doch überhaupt keine Zuschauer zugelassen werden.

Ähnliches im Tennis: Zu den French Open in Paris waren zunächst 20.000 Zuschauer pro Tag auf der Turnieranlage vorgesehen. Nach einer Senkung auf 11.500 und zuletzt auf 5.000 Fans wurde inzwischen bekannt gegeben, dass Paris eine Obergrenze von 1.000 Personen für Großveranstaltungen vorsieht.

Wer in solchen Fällen direkt beim Veranstalter ein Ticket erworben hat, erleidet keinen (jedenfalls relevanten) finanziellen Schaden: Von der Gutscheinlösung wurde bislang - zumindest nicht im Sport - kaum Gebrauch gemacht. Die Organisatoren haben die Fans in der Regel vor die Wahl gestellt: Geld zurück, Spende an den Veranstalter oder Spende an eine wohltätige Einrichtung.

Anders stellt sich das aber für alle dar, die das betreffende Ticket nicht direkt beim Veranstalter gekauft haben.

Hohes Risiko beim Kauf aus zweiter Hand

Obwohl die Veranstalter den Weiterverkauf ihrer Tickets fast ausnahmslos untersagen, floriert der nicht autorisierte Tickethandel nach wie vor. Es stellt sich also die Frage, welche Ansprüche ein Fan hat, der sein Ticket für eine nicht oder unter Zuschauerausschluss stattfindende Veranstaltung anonymisiert auf dem Schwarzmarkt erworben hat.

Der Veranstalter hat dann nämlich keine Veranlassung, dem Betroffenen den Eintrittspreis zu erstatten. Denn dann würde er ggf. doppelt in Anspruch genommen: zum einen vom Erstkäufer, der das Ticket sogar noch auf dem Schwarzmarkt weiterverkauft hat. Zum anderen vom Inhaber des Tickets, der es auf dem Schwarzmarkt erworben hat. Konsequent und mit Recht verweigern die Veranstalter demnach eine Erstattung gegenüber Schwarzmarktkäufern. Dass sie sogar gegenüber eigenen Kunden, die ihre Tickets auf dem Schwarzmarkt verkaufen und sich so bereichern, zumindest nach Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) eine Rückerstattung verweigern können, steht auf einem anderen Blatt.

Der Käufer aus zweiter Hand hat jedoch nicht nur keinen Anspruch gegenüber dem Veranstalter. Er kann sich häufig nicht einmal an denjenigen halten, der ihm das Ticket verkauft (und dafür vielleicht sogar noch eine Erstattung vom Veranstalter bekommen) hat. Denn die Kontaktdaten des Verkäufers hat der Ticketinhaber in aller Regel nicht. Die entsprechenden Transaktionen über Viagogo, eBay, eBay-Kleinanzeigen etc. laufen anonymisiert ab. Und den Veranstaltern ist die Herausgabe ihrer Kundendaten gegenüber dem Zweiterwerber schon aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht möglich.

Im Ergebnis bezahlt der sich nach Sport vor Ort sehnende Fan auf dem Schwarzmarkt also meist mehr als den regulären Preis, kommt aber nicht ins Stadion. Weil er aber seinen Vertragspartner gar nicht kennt, kann er diesen auch nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

Hinzu kommt: Sämtliche Veranstalter sind derzeit - sollten sie ihr Event überhaupt vor Zuschauern austragen dürfen - verpflichtet, Maßnahmen zur Infektionskettennachverfolgung zu treffen. Die entsprechenden Schutz- und Hygienekonzepte sehen regelmäßig vor, dass noch striktere Einlasskontrollen stattfinden. Das Risiko, mit einer auf dem Schwarzmarkt erworbenen Karte keinen Zutritt zur Veranstaltung zu erhalten, ist also sogar noch weiter gestiegen. Denn die Veranstalter haben sich selbst konzeptionell und durch harte Personalisierung der Tickets zur Pflicht gemacht, stärker zu kontrollieren und nur diejenige Person zuzulassen, die sich mittels Lichtbildausweis als Ticketkunde legitimieren kann.

Noch immer keine Lösung für ein altes Problem

Dieses Thema war schon vor der Coronakrise bekannt. Veranstalter haben auch zuvor schon Schwarzmarktkunden den Zutritt zum Event verweigert, weil sie nur diejenigen Personen zulassen wollten, die das personalisierte Ticket auch direkt bei ihnen als Kunde gekauft hatten. Im wertpapierrechtlichen Kontext spricht man von qualifizierten Legitimationspapieren nach § 808 BGB.

Ob man mit dem Schwarzmarktticket also ins Stadion kam oder nicht, hing von der Intensität der Einlasskontrollen ab - also vom Zufall. Wer aus zweiter Hand gekauft hatte, stand also auch vor der Coronakrise schon manchmal vor verschlossenen Toren, wusste aber im Ergebnis gar nicht, wer ihm das - wertlose - Ticket verkauft hatte. Den Käufer hinter den auf dem Ticket verankerten Individualisierungsmerkmalen (z.B. Strich- oder QR-Code) kennt nämlich nur der Veranstalter.

Das LG München I hat vor diesem Hintergrund die nicht autorisierte Ticket-Zweitmarkt-Plattform Viagogo bereits dazu verurteilt, die Identität des Verkäufers stets offenzulegen; die Berufung läuft.

#buyofficial

Die SPD, Sportverbände, etliche Verbraucherschutzzentralen und Fangremien haben sich seit Langem zum Ziel gesetzt, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Allerdings mahlen die Mühlen der Legislative bekanntlich nur dann schnell, wenn die Presse das Thema längerfristig prominent platziert. Zudem soll idealerweise über eine EU-Verordnung eine paneuropäische Regelung zu Papier gebracht werden, was weiteren Aufschub befürchten lässt.

Bis dahin kann sich der Fan nur selbst schützen. Indem er - Virus hin oder her - die Finger von anonymisierten Ticketkäufen auf nicht autorisierten Internetplattformen lässt. In den sozialen Medien hat sich dazu ein recht treffender Hashtag etabliert: #buyofficial. Das gilt jetzt mehr denn je.

Josias Schreyer ist Rechtsanwalt bei Lentze Stopper Rechtsanwälte München. Der Autor arbeitet und publiziert regelmäßig zu Ticketing-Themen. Die auf Sportrecht spezialisierte Kanzlei Lentze Stopper berät viele ihrer Mandanten zur rechtlichen Organisation des Ticketverkaufs. Ein Schwerpunkt dieser Beratung besteht darin, Veranstalter und Fans vor den Risiken des Ticketschwarzmarkts zu schützen.

Zitiervorschlag

Ticketing in der Coronakrise: Wer aus zweiter Hand kauft, verliert . In: Legal Tribune Online, 10.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43059/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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