Terrorismusstrafbarkeit auf Messer und PKW ausweiten?: Wenn der Alltag kri­mi­na­li­siert wird

Gastbeitrag von Ronja Pfefferl

03.04.2025

Insofern sind sich Union und SPD einig: Die Vorbereitung von Terrortaten soll auch dann strafbar sein, wenn Tatmittel ein Fahrzeug oder Messer ist. Was sinnvoll klingt, lädt die Polizei in jedermanns Wohnzimmer ein, meint Ronja Pfefferl.

Die Arbeitsgruppe-1 "Innen, Recht, Migration und Integration" von Union und SPD hat sich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen auf weitreichende Strafverschärfungen und die Ausweitung von Ermittlungsbefugnissen geeinigt. Wie LTO berichtete, ist etwa geplant, den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch, StGB) zu verschärfen und die Straftatenkataloge der §§ 100a ff. Strafprozessordnung (StPO) auszudehnen. 

Aufgegriffen wurde auch der bereits im Januar aus den Reihen der CDU geäußerte Vorschlag zur Ausweitung der in § 89a StGB geregelten Terrorismusstrafbarkeit. Nach den Gewalttaten von Magdeburg und Aschaffenburg hatte die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges gefordert, den Anwendungsbereich von § 89a Abs. 2 StGB auf Fälle zu erweitern, in denen der Täter bei der Tat Alltagsgegenstände wie ein Messer oder einen PKW benutzen will. 

Dieses Vorhaben taucht nun auch in dem Papier der Arbeitsgruppe-1 auf – in schwarzer Farbe, der Konsens zwischen Union und SPD signalisiert. Damit sollen, so die Begründung der Arbeitsgruppe, Terrorangriffe im Vorfeld der Tat besser verfolgt werden. Mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren könnte demnach zukünftig bestraft werden, wer ein Auto kauft – oder möglicherweise gar bereits besitzt – und vorhat, damit einen Anschlag zu begehen.

Das mag auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, fällt aber nicht in den Aufgabenbereich des Strafrechts, sondern ist Gefahrenabwehrrecht. Die Kriminalisierung von weit im Vorfeld einer konkreten Rechtsgutsgefährdung liegenden Alltagshandlungen bringt Gefahren für die Freiheitsrechte Aller mit sich und widerspricht verfassungsrechtlichen Prinzipien. 

Was geändert werden soll

Nach § 89a StGB macht sich de lege lata strafbar, wer "eine schwere staatsgefährdende Gewalt-tat vorbereitet", indem er eine der in Abs. 2 aufgezählten Handlungen verwirklicht. Das Strafmaß beträgt sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. 

Tatbestandsmäßige Vorbereitungshandlungen sind derzeit zum einen solche, die bereits einen objektiven Unrechtsbezug aufweisen, wie etwa das Herstellen oder sich Verschaffen von Sprengstoff. Zum anderen können auch bereits nach aktueller Gesetzeslage neutrale Alltagshandlungen, wie der Kauf von Pflanzendünger, der (auch) zum Bau einer Bombe verwendet werden kann, taugliche Tathandlung sein.

Angesichts der medial geförderten Bedrohungsszenarien wächst der Druck auf die Politik, den allgegenwärtigen Forderungen nach mehr Sicherheit und einem "härteren Durchgreifen des Staates" nachzukommen. Der ohnehin schon weite und in Teilen unbestimmte Katalog tatbestandsmäßiger Vorbereitungshandlungen des § 89a Abs. 2 StGB soll daher nun nochmals erweitert werden, um ein noch früheres und flexibleres Eingreifen des Strafrechts zu ermöglichen.

Prävention durch Strafrecht?

Die dadurch bezweckte Verhinderung zukünftiger Anschläge fällt jedoch eigentlich in den Kernbereich des Polizeirechts. Die Gesetzgebungskompetenz dafür steht nach Art. 70 Grundgesetz (GG) nicht dem Bund, sondern den Ländern zu. Eine Verschärfung der strafrechtlichen Regeln mit Prävention zu begründen, verwischt die Grenze zwischen Gefahrenabwehrrecht und Strafrecht noch weiter. 

Ein präventionsorientiertes Strafrecht steht in Kontrast zu den durch das Grundgesetz gewährleisteten Freiheitsrechten. Denn nach dem Zweck der Prävention wären Eingriffe so lange gerechtfertigt, wie die vermeintliche Gefahr andauert. Ein präventionsorientiertes Strafrecht ist somit besonders anfällig für unverhältnismäßige Freiheitsbeschränkungen.

Das Strafrecht als repressives Instrument und "schärfstes Schwert" des Staates muss daher an bereits (schuldhaft) begangenes Unrecht anknüpfen – auch bei der Verfolgung präventiver Zwecke. Die alleinige Abwehr von Risiken, die von einer "gefährlichen" Person ausgehen, mit den Mitteln des Strafrechts verstößt gegen verfassungsrechtliche und strafrechtsdogmatische Prinzipien.

Es kommt nur auf die Absicht an

Die geplante Ausweitung des § 89a StGB rückt gefährlich nah an ein Gesinnungsstrafrecht. Dieses prägte die Strafgesetzgebung in der NS-Zeit, in der nicht mehr die Tat, sondern das Wesen des Täters bzw. dessen Gesinnung strafbares Unrecht begründete. 

Das heutige deutsche Strafrecht ist im Gegensatz dazu als Tatstrafrecht konzipiert. Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit kann demzufolge nur eine schuldhaft begangene und dem jeweiligen Täter zurechenbare Tat (Art. 103 Abs. 2 GG) sein, nicht jedoch die innere Gedankenwelt oder gar die gesamte Lebensführung des Täters. Die (abstrakte) Bedrohung des Rechtsguts muss daher objektiv feststellbar sein und kann nicht allein mit der subjektiven Einstellung des Täters begründet werden.  

Diese Anforderungen sind bereits im derzeitigen § 89a StGB nicht eingehalten, insoweit die Strafbarkeit an neutrale Handlungen wie dem Kauf von Pflanzendünger als Grundstoff zum Bau einer Bombe anknüpft. Den Besitz, Erwerb oder die zukünftige Verwendung von Messern oder Autos als einzigen objektiv notwendigen Anhaltspunkt für die Begründung der Strafbarkeit ausreichen zu lassen, würde dem erst recht nicht genügen. 

Das objektive Korrektiv zur Begründung der Strafbarkeit – die objektiv wahrnehmbare Tathandlung – rückt angesichts der weiten Anwendungsmöglichkeiten in diesen Fällen vollständig in den Hintergrund. Denn außer der zu missbilligenden Intention des Täters gibt es zu diesem frühen Zeitpunkt noch kein zu vergeltendes Übel. Das bereits begangene Unrecht erschöpft sich in einer völlig neutralen Alltagshandlung gepaart mit einem weit im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung liegenden Vorhaben.  

Tag der offenen Tür für die Polizei

Ein derart weiter Tatbestand birgt zudem erhebliche Gefahren im Hinblick auf Grundrechtseingriffe im Ermittlungsstadium. 

Ermittler bräuchten aufgrund der noch deutlicheren Fokussierung der geplanten Tatvarianten auf Alltagshandlungen keines objektiven, eindeutigen Verdachtsmoments, um eine Hausdurchsuchung oder Abhörmaßnahmen zu rechtfertigen.

Zwar sind für die Anordnung von Telekommunikationsmaßnahmen nach § 100a StPO Umstände erforderlich, die nach der Lebenserfahrung bzw. der kriminalistischen Erfahrung in erheblichem Maße auf das Vorliegen einer Katalogtat hindeuten. Wann "nach der Lebenserfahrung" vom Vorliegen solcher Umstände auszugehen ist, unterliegt jedoch – wie jede Rechtsanwendung – einem Beurteilungsspielraum. Als Richter wird man in Anbetracht dessen, was in diesem Deliktsbereich auf dem Spiel steht, tendenziell eher geneigt sein, die beantragte Überwachungsmaßnahme durchzuwinken. 

Das Fehlen eines objektiven, unrechtsbegründenden Elements eröffnet damit die Möglichkeit für Ermittlungsbehörden, für missliebige Personen einen Verdacht zu konstruieren, um Überwachungsmaßnahmen anwenden zu können. Dies wird zwar sicherlich nicht regelmäßige Folge der geplanten Erweiterung sein. Das Missbrauchspotenzial ist jedoch evident.

Die Gedanken müssen frei bleiben

Schließlich ist ungeachtet der strafrechtsdogmatischen Bedenken der praktische Nutzen der geplanten Regelung fraglich. Auch die Taten von Magdeburg und Aschaffenburg wären durch einen erweiterten § 89a StGB aller Voraussicht nach nicht verhindert worden. Im Vorfeld lagen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für eine terroristische Tat vor.

Denn zur Begründung eines Verdachts nach § 89a StGB sind zumindest konkrete Tatsachen erforderlich, die auf eine "jedenfalls im Groben konkretisierte Planung" des Täters hindeuten. Abstrakte Drohungen oder hasserfüllte Kommentare, wie sie etwa der Beschuldigte Taleb A. vor dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt immer wieder äußerte, reichen zur Begründung eines Tatverdachts auch nach der geplanten Neuregelung nicht aus. Gleiches gilt für die in beiden Fällen bekannten psychischen Auffälligkeiten. 

Hinreichend konkrete Tatsachen werden – insofern der Täter die Tat überhaupt im Vorfeld plant – den Ermittlungsbehörden somit auch weiterhin ohne eine totale Überwachung oft verborgen bleiben. Der praktische Nutzen der Ausweitung wäre demnach gering, die Grundrechtseingriffe wären demgegenüber aber massiv. Es handelt sich daher um symbolisches Strafrecht, das dazu dient, politische Handlungsfähigkeit zu signalisieren. 

Wer perfekte Sicherheit herzustellen versucht, indem er den bösen Gedanken zum wesentlichen Anlass für strafrechtliche Intervention nimmt, bringt aber potenziell alle Menschen in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung. In einem Rechtsstaat müssen die Gedanken frei bleiben.

Ronja Pfefferl ist Rechtsanwältin in der auf Strafrecht, insbesondere Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, spezialisierten Kanzlei EVEN Rechtsanwälte in Hamburg.

Zitiervorschlag

Terrorismusstrafbarkeit auf Messer und PKW ausweiten?: . In: Legal Tribune Online, 03.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56936 (abgerufen am: 22.04.2025 )

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