Tattoos sind mittlerweile normal. Dass an ihnen Rechte bestehen, ist aber vielen Künstlern noch nicht bewusst. Ob sie ihren Kunden verbieten dürfen, sich mit ihren Werken fotografieren oder diese entfernen zu lassen, überlegt Urban Slamal.
Woran man merkt, dass eine vormalige Underground-Kunstform in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist? Sie schlägt irgendwann in den Niederungen ganz gewöhnlicher rechtlicher Konflikte auf. Wer sich mit den rechtlichen Irrungen und Wirrungen der Tattoo-Szene befasst, kann davon so manches Liedchen singen. Erst recht gilt das für die vielen Tattoostudios, welche 15 Jahre lang ihr Dasein frei von Rechtsstreitigkeiten genossen, bis die ersten bürgerlichen Kunden mit Rechtsschutzversicherungen auftauchten.
Damit hält auch ein Themenfeld Einzug, das im eher konventionellen Bereich der Kreativbranche bereits zum Alltagserleben gehört. So sehr, dass es so mancher - um völlig uneigennützige Interessenvertretung bemühten - Fachkanzlei ein recht auskömmliches Dasein zu bescheren vermag: das Urheberrecht.
Auch Tätowierungen und deren zeichnerische Entwürfe sind nämlich nicht selten erhebliche Kreativleistungen. Und selbst die weniger hochfliegenden Entäußerungen der Branche überspringen – der sog. kleinen Münze sei Dank – die Hürde der Werkeigenschaft regelmäßig recht mühelos.
Mehr als nur unbeliebt: Copycats und andere Diebe
Dennoch scheint nach wie vor nicht bis in das letzte Tattoostudio durchgedrungen zu sein, dass das Kopieren eines Tattoos mehr ist als eine - in der Szene gering geschätzte - Form der Häresie, für die der Sündige sich fürderhin "Copycat" schimpfen lassen muss. Wer ein von einem anderen Tattookünstler – sei es als Entwurfszeichnung oder als Tattoo – geschaffenes Werk vervielfältigend sticht, begeht einen echten Rechtsbruch mit Strafandrohung.
Dasselbe gilt für all diejenigen Hersteller bedruckter Bekleidung, welche auf die eigene T-Shirt-Kollektion Entwurfszeichnungen besonders begabter Tätowierer applizieren, die sie in den Weiten des Internet gefunden haben - selbstverständlich ohne den Urheber eben dieser Zeichnungen oder Malereien vorab um Zustimmung zu bitten.
So gut wie keinem Träger des vor Jahren noch erfolgreichen Modelabels "Ed Hardy" des zwischenzeitlich verstorbenen Modedesigners Christian Audigier dürfte bekannt sein, dass seine Kleidung – erlaubterweise - die Arbeiten des mittlerweile zur lebenden Legende gewordenen Tätowierers Don Ed Hardy zitierte.
All das wäre für sich genommen schon ein spannendes Thema für weitere Zeilen. Weitaus interessanter stellt sich für den gemeinen Kunden eines Tattoostudios indes seine sich daraus ergebende eigene Rechtsposition am "eigenen" Tattoo dar. Wem stehen die Rechte daran zu? Kann der Tätowierer vorschreiben, was damit geschehen darf – und was nicht?
2/2: Nur ein Nutzungsrecht am eigenen Tattoo
Ein solches ist, obwohl es als wesentlicher Bestandteil des eigenen Körpers mit diesem untrennbar verbunden ist, für sich genommen nicht eigentumsfähig. Vielmehr dürfte der Kunde an "seiner" Tätowierung mit Blick auf das stets beim Tätowierer liegende und verbleibende Urheberpersönlichkeitsrecht nur ein Nutzungsrecht erwerben.
Wie weit dieses reicht, richtet sich zwar grundsätzlich nach der diesbezüglichen Vereinbarung zwischen Tätowierer und Kunden – nur kommen solche ausdrücklichen Abreden in der Praxis schlichtweg nicht zustande.
Insoweit bleibt dem Juristen allein der Kunstgriff der ergänzenden Vertragsauslegung: Was hätten die Parteien wohl billigerweise vereinbart, wenn sie sich dieser Rechtsfrage denn überhaupt gewidmet hätten?
Was darf der Tätowierte?
Eine Tätowierung ist nun einmal eine ziemlich permanente Sache, die mit dem Körper des Kunden eine untrennbare Einheit bildet. Das vorausgesetzt, wird man von einem sehr umfassenden Nutzungsrecht ausgehen müssen, das mit ziemlicher Sicherheit genau so weit geht, wie die Autonomie über den eigenen Körper generell reicht.
Dies schließt nach diesseitigem Verständnis grundsätzlich auch die Monetarisierung des eigenen Abbildes ein. Kein Tätowierer dürfte dazu berechtigt sein, ein von ihm verschönertes Model oder einem Schauspieler zu untersagen, sich (auch gegen Geld) ablichten zu lassen oder sich selbst abzulichten. Auch das über die üblichen sozialen Verbreitungsmedien gestreute "Tattoo-Sefie" wird den Tätowierer kaum in seinen Urheberrechten verletzen. Er kann aber, was sicherlich nicht allgemein bekannt ist, verlangen, namentlich als Urheber genannt zu werden, wenn er das wünscht.
Auch dieses sehr umfassende Nutzungsrecht dürfte aber dort seine Grenze finden, wo eine gewerbliche Verwertung des Werks losgelöst vom Körper des Trägers erfolgt: Einem Bekleidungslabel zu gestatten, das eigene Tattoo auf T-Shirts zu drucken, bedürfte wohl einer Genehmigung des Tätowierers.
Kaum zu begründen: Tattoo-Entfernungsverbot
Praktisch bisher noch nicht aufgekommen ist die Frage, ob ein Tätowierer unter Berufung auf den Schutz vor Entstellung oder Beeinträchtigung (§ 14 Urheberrechtsgesetz) seinem Kunden untersagen könnte, sich ein von ihm gestochenes Tattoo per Laser wieder entfernen oder dieses durch ein anderes Tattoo verdecken zu lassen (sog. Cover up).
Dem berechtigten Interesse eines Tätowierers am Bestand seines Werks stünde die Autonomie des Kunden über die Gestaltung seines eigenen Körpers gegenüber. Dieses Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper stellt einen elementaren Bestandteil der Menschenwürde dar. Es einzuschränken durch urheberrechtliche Positionen des Tätowierers wird im Rahmen einer Interessenabwägung – jedenfalls in aller Regel – kaum zu begründen sein.
Dem Urheberrecht des Tätowierers steht also regelmäßig ein sehr gewichtiges Recht auf Seiten seines Kunden gegenüber. Vielleicht hält das auch den einen oder anderen aufstrebenden Juniorpartner im Bereich des Urheberrechts davon ab, der in der neuen Kulturleistung in der Mitte der Gesellschaft vor allem ein bislang völlig unerschlossenes rechtliches Betätigungsfeld zu sehen. Man unterschätze den feinen Sinn dieser Branche für Vereinnahmungsversuche nicht.
Der Autor Urban Slamal ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in Düsseldorf. Er ist Vorstandsmitglied des Bundesverband Tattoo e.V.
Urban Slamal, Urheberrecht an Tattoos: Was Tätowierte dürfen . In: Legal Tribune Online, 28.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25293/ (abgerufen am: 23.04.2024 )
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