Tankstellen: Zoff um abgelaufene Zapfsäulen

Prof. Dr. Walter Frenz

17.02.2011

Nicht nur in Nordrhein-Westfalen mehren sich die Fälle, in denen an Tankstellen wegen Messungenauigkeiten zu viel Sprit abgegeben wurde. Was die  Autofahrer freut, ärgert die Pächter - ihren Schaden können sie gegen das jeweilige Bundesland als Träger der aus ihrer Sicht nachlässigen Eichämter jedoch nur begrenzt geltend machen.

Das deutsche Recht sichert die zuständigen Behörden weitgehend vor Konsequenzen durch abgelaufene Messgeräte wie etwa Zapfsäulen an Tankstellen ab, indem es den Inhabern solcher Geräte bestimmte Pflichten auferlegt. Anders kann die Sache allerdings aussehen, wenn die Eichämter ihren Aufgaben wegen fehlenden Personals nicht nachkommen.

Grundsätzlich ist bei Zapfsäulen eine Fehlergrenze von maximal 0,5 Prozent erlaubt. Liegt sie darüber, ist der Vertrieb über sie verboten. Eine korrekte Abgabe wird grundsätzlich durch die Eichung sichergestellt. Diese ist aber nur für eine bestimmte Zeit gültig. Gleichzeitig dürfen gem. § 2 Eichgesetz nur geeichte Messgeräte verwendet werden. Ist die so genannte Eichgültigkeit erloschen, insbesondere durch Ablauf der Eichgültigkeitsdauer, muss der Tankstellenpächter daher einen Antrag auf Nacheichung stellen.

Damit geht aber nicht automatisch eine Falschmessung einher - auch ein  PKW ist nicht automatisch fahruntauglich, wenn er wieder zum TÜV muss. Tankstellenbetreiber nutzen daher die Zapfsäule regelmäßig nach Ablauf der Eichgültigkeitsdauer weiter. Auch wenn dies eigentlich verboten ist, muss er nach gängiger Praxis aber keine Sanktionen erwarten, wenn er schon einen Eichantrag gestellt hat Allein der Ablauf der Eichgültigkeit begründet noch kein Vertriebsverbot.

Allerdings sind die Messwerte möglicherweise nicht gerichtsfest. Weil in diesem Stadium allerdings keine Vermutung mehr für eine korrekte Messung besteht, muss derjenige, der sich auf die Richtigkeit der abgelesenen Werte beruft – hier also der Tankstellenpächter – diese nachweisen (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. November 2010, Az. VIII ZR 112/10).

Fehlende Mitarbeiter können Grund für Organisationsverschulden sein

Den Landesbetrieb für das Mess- und Eichwesen trifft jedenfalls keine Pflicht, die Eichung sofort durchzuführen. Diese Tätigkeit wird, wie bei Verwaltungen üblich, innerhalb von drei Monaten geschuldet. Regresspflichtig zum Beispiel gegenüber einem Tankstellenpächter ist die zuständige Eichstelle zwar bei falscher Nacheichung, nicht aber schon bei einem unbearbeiteten Antrag. Der Besitzer eines Messgeräts darf formal mit Ablauf der Eichgültigkeitsdauer dieses ohnehin nicht mehr benutzen, auch wenn er einen Eichantrag gestellt hat.

Er kann daher er auch keinen Schaden aus Falschmessungen nach diesem Zeitpunkt geltend machen. Bis zu drei Monate Bearbeitungszeit muss er einkalkulieren, so dass ihm auch ein Schaden wegen vorübergehender Stilllegung versagt bleibt; eine solche Stilllegung kommt praktisch ohnehin nicht vor.

Die Frage eines Regresses stellt sich aber dann, wenn die Eichbehörde zu wenig Mitarbeiter hat, um ihren Aufgaben nachzukommen, und dies auch lange frühzeitig erkennbar war. Dann kommt ein Organisationsverschulden des übergeordneten Ministeriums in Betracht, welches die Behörde mit einer zu dünnen Personaldecke ausgestattet hat.

Allerdings muss man dabei bedenken, dass dem Staat nur begrenzte Finanzmittel  und damit auch Personalreserven zur Verfügung stehen. Diese muss er entsprechend einteilen. Das für die Staatshaftung erforderliche Verschulden ist daher auch in Form einer Fahrlässigkeit fraglich. Ohnehin tritt die Ersatzpflicht nach § 839 Abs. 3 Bürgerliches Geesetzbuch nicht ein, wenn es der Betroffene vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Sind die drei Monate abgelaufen, die der Eichbehörde eigentlich für die Bearbeitung eines Antrags auf Nacheichung zustehen, muss also zum Beispiel der betroffene Tankstellenpächter eine entsprechende Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben, dass eben diese Tätigkeit vorgenommen wird. Unterlässt er dies, kann er keinen Schadensersatz verlangen, auch wenn er zu viel Sprit an seine Kunden abgegeben haben sollte.

Prof. Dr. Walter Frenz lehrt Öffentliches Recht an der RWTH Aachen und ist Verfasser zahlreicher Publikationen zum Eichwesen.

 

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Zitiervorschlag

Tankstellen: . In: Legal Tribune Online, 17.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2564 (abgerufen am: 06.10.2024 )

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