Der Sprit ist trotz Tankrabatt ungebrochen teuer. Das BKartA soll es richten, doch das kann nicht tätig werden, nur weil die Preise hoch sind. Es hat immerhin eine Sektoruntersuchung eingeleitet. Was das bedeutet, erklärt Paul Drößler.
Schon in unbeschwerten Zeiten waren überhöhte Benzinpreise neben Beschwerden über das Wetter traditionell wohl eines der Lieblingsthemen der Deutschen. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und zunehmenden Inflationssorgen hat die Debatte um gerechte Preise an der Zapfsäule (mal wieder) deutlich an Schärfe gewonnen. Im Rahmen des sog. Entlastungspakets II hat der Bundestag auf Initiative der Bundesregierung auf die massiven Preissteigerungen und Kundenbeschwerden reagiert und eine dreimonatige Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe verabschiedet, die einen erheblichen Teil der letztlich vom Verbraucher zu zahlenden Benzinpreise ausmacht. Zum 1. Juni reduzierte sich der Energiesteuersatz für Benzin um 29,55 ct/Liter, für Dieselkraftstoff um 14,04 ct/Liter.
Gleichzeitig mit den Maßnahmen nahmen und nehmen die Forderungen nach einer engmaschigen Kontrolle der Mineralölkonzerne zu. Insbesondere wird gefordert, dass auch und vor allem die Verbraucher – und jedenfalls nicht die Mineralölkonzerne – von der Steuersenkung profitieren sollen.
Zuletzt hat Finanzminister Christian Lindner hierfür u.a. das Bundeskartellamt in die Pflicht genommen und ihm die Aufgabe zugeteilt, sicherzustellen, dass der Tankrabatt "bei den Menschen ankommt". Die Forderung ist klar: Benzin und Diesel sollen künftig um die gesenkten Steuern günstiger sein, die Steuersenkung also nicht durch höhere Preise kannibalisiert werden. Ist das so einfach? Schon konzeptionell ist das fraglich: Wenn andere Kostenkomponenten weiter steigen sollten, dürfte der Endpreis für die Verbraucher (gefühlt) unverändert hoch sein. Der erhoffte Effekt bliebe dann aus. Hätte das Bundeskartellamt bereits dann die Mittel, aktiv zu werden?
Doch auch unabhängig von denkbaren Kostensteigerungen in der Zukunft ist es keinesfalls so, dass die Eingriffsmöglichkeiten des Bundeskartellamts bei einer tatsächlichen und nachweisbaren Nichtweitergabe der Steuersenkung auf der Hand liegen.
Kein Verstoß allein durch hohe Preise
Mit Blick auf die Möglichkeiten der Behörde sollte man sich zunächst ihre Aufgaben und die organisatorische Einbettung vor Augen führen: Primär ist das Bundeskartellamt für die Anwendung und Durchsetzung des Kartellrechts zuständig. Zum Schutz des Wettbewerbs können und sollen Kartellrechtsverstöße von Unternehmen aufgedeckt, verfolgt und geahndet werden.
Kartellrechtswidriges Verhalten liegt jedoch grundsätzlich (nur) dann vor, wenn mehrere Unternehmen wettbewerbsbeschränkende Absprachen treffen (etwa Abstimmungen zu Preisen oder Märkten) oder wenn marktbeherrschende Unternehmen ihre Position missbräuchlich ausnutzen. Nur in diesen Fällen stehen dem Bundeskartellamt "scharfe Schwerter" wie Abstellungsverfügungen ("Hör auf damit") oder Bußgelder zur Verfügung. Mit anderen Worten: Stimmen sich Unternehmen nicht – in welcher Form auch immer – untereinander ab oder missbrauchen einzelne Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung (und für letzteres sind die gesetzlichen Hürden vergleichsweise hoch), kann das Bundeskartellamt gegen (gefühlt oder tatsächlich) überhöhte Preise jedenfalls nicht mit der vollen Kraft des Gesetzes einschreiten.
Sektoruntersuchung gegen Mineralölkonzerne eingeleitet
Was bleibt? Vom Bundeskartellamt ist in diesen Tagen häufig die Aussage zu hören, dass man sich die Entwicklung der Preise nach der Energiesteuersenkung sehr genau ansehen wird. Als "Beobachtungstools" stehen der Behörde hier zwei Instrumente zur Verfügung: Es kann generell Sektoruntersuchungen einleiten, wenn es mehr über die Strukturen und Wettbewerbsbedingungen in bestimmen Wirtschaftszweigen erfahren will. Derartige Untersuchungen blieben in der Vergangenheit jedoch im Hinblick auf Absprachen zwischen den Mineralölkonzernen unergiebig. Im April hat das Bundeskartellamt jedoch eine neue Sektoruntersuchung des Mineralölsektors eingeleitet, auf deren Ausgang man erfahrungsgemäß noch ein paar Monate wird warten müssen.
Daneben betreibt das Bundeskartellamt die Markttransparenzstelle, an die sämtliche Tankstellen in Deutschland (etwa 15.000) ihre aktuellen Preise übermitteln müssen – und aus der Preisvergleichsseiten und -Apps ihre Daten beziehen. Primär sollen dadurch die Preise für die Verbraucher, der Name lässt es vermuten, transparent sein, so dass bei bestehenden Preisunterschieden die günstigste Tankstelle angefahren werden kann.
In seinen Jahresberichten weist das Bundeskartellamt immer wieder auf Möglichkeiten zum Sparen hin, etwa durch Tanken in den Abendstunden oder der Verzicht auf das Tanken bei Autobahntankstellen. Im Ergebnis unterstützt die so geschaffene Transparenz Verbraucher darin, in einer unübersichtlichen Marktlage die für sie richtigen Entscheidungen zu treffen.
"Es gibt keine Hinweise auf Absprachen"
Ein Einschreiten basierend auf den Erkenntnissen als Markttransparenzstelle ist jedoch nur dann möglich, und so schließt sich der Kreis, wenn jedenfalls Anhaltspunkte für Absprachen oder andere Formen wettbewerbswidrigen Verhaltens vorliegen – und wie gesagt hat das Amt Hinweise auf Absprachen unter den Mineralölkonzernen in der Vergangenheit nicht gefunden – so zuletzt noch einmal explizit Bundeskartellamtspräsident Mundt in einem Interview. Dass die Markttransparenzstelle auch ein – kartellrechtlich zulässiges, aber für die Entwicklung der Preise vielleicht nicht gerade förderliches – wechselseitiges Beobachten der Mineralölkonzerne zulässt, wird in der allgemeinen Debatte möglicherweise etwas vernachlässigt.
Letztlich kann man sich des Eindrucks nicht vollständig verwehren, dass versucht wird, bereits zu diesem Zeitpunkt dem Bundeskartellamt eine Mitverantwortung für denkbare, aber politisch nicht gewollte Preiserhöhungen zu geben. Der Gesetzgeber hat sich aber gerade für den Abzug durch die Mineralölkonzerne und gerade nicht für einen anderen Weg zur Steuerentlastung, wie zum Beispiel eine Rückerstattung über die Steuererklärung, entschieden. Bei einer solchen Lösung hätte sich die Diskussion über mögliche Auswirkungen wahrscheinlich abseits des Kartellrechts abgespielt.
Ähnliche Preisgestaltung auch ohne Kartelle möglich
Schließlich sollte in der Debatte auch nicht völlig unberücksichtigt bleiben, dass das Bundeskartellamt eine unabhängige und gerade keine politische Behörde ist und diese Position auch mit Nachdruck nach außen vertritt. Zwar ist das Bundeskartellamt formal dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstellt – ein echtes und in der Praxis gelebtes Weisungsrecht steht dem Ministerium allerdings nicht zu. Auch behördenintern werden die Entscheidungen von Beschlussabteilungen getroffen. Präsident Mundt kann, selbst wenn er wollte, nicht einfach so Weisungen an die jeweiligen Sachbearbeiter erteilen.
Nach alledem ist festzuhalten, dass das Bundeskartellamt derzeit vermutlich das tut, was es tun kann, um einer für die Verbraucher ungünstigen Preisentwicklung entgegenzuwirken. Es nutzt die ihm zufallende Aufmerksamkeit für verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und gibt den Mineralölkonzernen unmissverständlich auf den Weg, dass sie unter Beobachtung stehen.
Die Konzerne können indes die Preise einseitig gestalten und dies nur anscheinend konzertiert tun, ohne dass es tatsächlich eine kartellrechtsrelevante Absprache gibt. Dies ist in dieser Form indes nicht sanktionierbar. Dies gilt auch für die fehlende Weitergabe von Steuersenkungen. Wenn dieses Vorgehen von Unternehmen stärker sanktioniert werden soll, so ist der Gesetzgeber gefordert, das Bundeskartellamt oder eine andere Behörde entsprechend aufzurüsten. In der heutigen politischen Großwetterlage scheint auch das ein mögliches Ergebnis für die Zukunft.
Der Autor Paul Drößler ist einer der Gründungspartner von Rocan, einer auf Kartellrecht und Investitionskontrolle spezialisierten Boutique in Düsseldorf. Er ist zudem Mitbetreiber des Blogs Antitrustpolitics.com.
Tankrabatt – kann das Bundeskartellamt helfen?: . In: Legal Tribune Online, 07.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48676 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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