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LG Köln zu presseähnlichen Angeboten der ARD: Tagesschau-App vom 15. Juni 2011 unzulässig

von Prof. Dr. Stephan Ory

27.09.2012

Display eines Smartphones

Foto: Philipp Guelland/dapd

Der Vorsitzende Richter am LG Köln schien nicht so richtig Lust zu haben, ein Urteil zu sprechen. Zweimal hatte er die Parteien aufgefordert, sich zu einigen. Erfolglos. So tat die Kammer nun ihren Gesamteindruck zur willkürlich ausgewählten Tagesschau-App vom 15. Juni 2011 kund. Stephan Ory überrascht es nicht, dass die ARD danach plötzlich von Berufung statt von gütlicher Einigung spricht.

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Die Zeitungsverleger haben sich an diesem Donnerstag vor dem Landgericht (LG) Köln im Streit um die Tagesschau-App durchgesetzt. Die ARD darf die von ihr angebotene App nicht mehr verbreiten – jedenfalls nicht "Die Tagesschau-App vom 15. Juni 2011", wie die Pressemitteilung des Gerichtes hervorhebt. Denn nur diese war Streitgegenstand. Eine allgemeine Aussage über die zulässige Länge von Texten enthalte das Urteil nicht (Az. 31 O 360/11).

Trotzdem werden beide Seiten die Entscheidung genau nach solchen grundsätzlichen Aussagen hin durchsuchen, sobald sie vollständig abgefasst vorliegt. Die Verlagsjustiziare werden sie finden, die Anstaltsjustiziare werden sie relativieren. Jedenfalls Mitte Juni des vergangenen Jahres ist die Tagesschau-App nach Auffassung der 31. Zivilkammer presseähnlich gewesen, weil das Angebot in seiner Gesamtheit für den Nutzer geeignet gewesen war, als Ersatz für die Lektüre von Zeitschriften und Zeitungen zu dienen.

Die Informationsdichte reiche an herkömmliche Presseerzeugnisse heran, heißt es in der Pressemitteilung. Auch "Verknüpfungen mit Hörfunk- oder Fernsehbeiträgen" änderten daran nichts; denn häufig fehle aus Sicht des Lesers ein Bezug zu einer konkreten Hörfunk- oder Fernsehsendung, die thematisch und inhaltlich vertieft werde.

Kein generelles Verbot der App

Die Bewertung der Tagesschau-App vom 15. Juni 2011 als "ein nicht sendungsbezogenes presseähnliches Angebot" macht aus dieser ein nach dem Rundfunkstaatsvertrag unzulässiges Angebot. Die Kammer sieht daher darin einen Verstoß gegen eine marktregulierende Vorschrift im Sinne des UWG.

Ein generelles Verbot der App, wie es die Verlage ursprünglich beantragt hatten, scheidet nach Auffassung der Kammer schon deshalb aus, weil die App das Genehmigungsverfahren nach dem Rundfunkstaatsvertrag, also den Drei-Stufen-Test, durchlaufen habe.

Noch zu Beginn der Woche hatte sich der Präsident des Bunds Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Helmut Heinen, in sehr viel verhaltenerer Erwartung geübt. Auf dem Zeitungskongress in Berlin hatte er gemutmaßt, dass sich unter dem Strich weder die eine noch die andere Seite durchsetzen werde. Nun wird Heinen mit der Freude darüber zitiert, dass das LG Köln die öffentlich-rechtlichen Anstalten aufgefordert habe, sich zukünftig an den Rundfunkstaatsvertrag zu halten. Eine öffentlich-rechtliche Zeitung im Internet dürfe es nicht geben. Die ARD-Pressemeldung stellt demgegenüber in den Vordergrund, dass es lediglich um "das mit der Tagesschau-App aufrufbare Telemedienangebot vom 15. Juni des vergangenen Jahres" gehe.

Gemeinsam für Qualitätsjournalismus

Sowohl die Pressemitteilungen des BDZV als auch die der ARD treffen den Kern: Es geht nicht um die App. Es geht um ein "Telemedienangebot" oder um eine "öffentlich-rechtliche Zeitung" im Internet. Entgegen der Pressemitteilung des Gerichts gibt es gar keine "Tagesschau-App vom 15. Juni 2011". "Presseähnlich" wird ein Angebot aus dem Internet nicht erst dann, wenn es auf einer App gezeigt wird. Im Kern geht es um die Frage, was ARD und ZDF im Internet dürfen: Ist das Internet ein Weg, um lediglich Zusatzangebote zu linearen Sendungen zu verbreiten? Oder ist das Internet eine eigenständige Säule der Programmveranstaltung und -verbreitung neben Radio und Fernsehen? Auf die Beantwortung dieser Fragen wird sich die Entscheidung der Kölner Richter sehr wohl auswirken, wenn sie rechtskräftig wird.

Die Begründung, presseähnlich sei, was wegen seiner Informationsdichte für den Nutzer als Ersatz für die Lektüre von Zeitungen oder Zeitschriften diene, weicht von einer rundfunkrechtlich geprägten Deutung des Begriffes ab. Man wird sehen, inwieweit die Urteilsbegründung über die Pressemitteilung hinaus reicht und mit dem Phänomen umgeht, dass sich die Angebote von Zeitungsverlagen und elektronischen Medien im Internet nun einmal immer ähnlicher werden und dabei in Konkurrenz zu völlig anderen Inhalten im Netz stehen. So gesehen ist der Kommentar des Deutschen Journalistenverbandes zum Urteil richtig: Das Gegeneinander der Anstalten und der Verlage lenke davon ab, dass andere Akteure im Netz die Zukunft des Journalismus bedrohen. ARD und Verleger stünden gemeinsam für Qualitätsjournalismus.

Vor dem Urteil hatten noch beide Seiten öffentlich verlautbart, nach der Urteilsverkündung den Streit außerhalb der Gerichtssäle beizulegen. In der ersten Reaktion der ARD war dann aber bereits das Wort Berufung zu lesen –wenig überraschend.

Der Autor Prof. Dr. Stephan Ory ist Rechtsanwalt in Püttlingen und auf das Urheberrecht spezialisiert.

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LG Köln zu presseähnlichen Angeboten der ARD: . In: Legal Tribune Online, 27.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7197 (abgerufen am: 15.05.2025 )

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