Kritik an der Societas Unius Personae: Dra­ma­ti­sie­rung des Unspek­ta­ku­lären

von Prof. Dr. Michael Beurskens

23.05.2016

2/2: Anonyme Gründung per Webformular und Bitcoin-Zahlung steht nicht zur Debatte

Noch größere Sorgen macht den Deutschen freilich das Neuland Internet: Immerhin wissen wir ja schon seit den 1990ern "On the Internet, nobody knows you‘re a dog". Allen Bemühungen des nationalen Gesetzgebers um qualifizierte elektronische Signaturen, elektronische Personalausweise oder die DE-Mail zum Trotz sieht man derzeit keinen Weg, die Identität von Personen im Internet rechtssicher festzustellen. Für die Gründung einer Kapitalgesellschaft braucht es daher zwingend einen Notar. Grund der Sorgen ist freilich weniger der sehr offen formulierte Text der Richtlinie, als vielmehr der Blick auf die derzeitige Handhabung in Großbritannien, wo eine Identitätsprüfung vor Eintragung praktisch nicht erfolgt. Ohne eine solche ist aber nicht nur die Publizitätswirkung des Handelsregisters zweifelhaft, sondern auch eine staatliche Kontrolle unmöglich.

Auch der Rat hat sich diesen Problemen nicht verschlossen: Der nun diskutierte Kompromissvorschlag sieht in Art. 14b vor, dass die Mitgliedstaaten ein nationales digitales Identifizierungsverfahren nutzen sollen und außerdem Verfahren nach der entsprechende EU-Verordnung zu akzeptieren haben. Ausdrücklich heißt es: "Member States may decide to refuse the on-line registration of SUPs in the cross-border context in all cases where a founder uses electronic identification means that are not e-IDAS compliant.” Ob der deutsche Notar, der im Normalfall auch nur den (ausländischen) Ausweis auf Echtheit überprüfen kann, solchen technischen Verfahren überlegen ist, ist zumindest fragwürdig. Immerhin ist es bereits heute möglich, Bankkonten ohne persönliches Erscheinen zu eröffnen, die zur Geldwäsche erheblich leichter eingesetzt werden dürften als offenlegungspflichtige Kapitalgesellschaften. Die mitunter angeprangerte vollständig anonyme Gründung per Webformular und Bitcoin-Zahlung steht jedenfalls nicht zur Debatte.

Zudem: Wer eine in Deutschland tätige Gesellschaft ohne Identitätsnachweis gründen will, kann dies bereits jetzt in Großbritannien tun. Last but not least liegt der Panama-Vergleich neben der Sache: Die dortigen Briefkastengesellschaften sind nicht etwa deshalb so undurchsichtig, weil die Gründer nicht vor einem Notar erscheinen mussten – sondern vielmehr, weil die wahren Berechtigten durch treuhänderische Verwaltung von Beteiligungen (durch Anwaltskanzleien) verschleiert wurden, was auch nach deutschem Recht möglich ist.

Die Bereitschaft zum Gesetzesbruch lässt sich nicht per Gesetz abschaffen

Nun ist eine (reformierte) Einpersonengesellschaftsrichtlinie sicherlich nicht der richtige Rahmen, um treuhänderische Beteiligungen zu regeln. Die EU hat die Problematik aber keineswegs ignoriert: Art. 30 der 4. Geldwäscherichtlinie (RL 2015/849) verpflichtet Gesellschaften, angemessene, präzise und aktuelle Angaben zu ihren wirtschaftlichen Eigentümern einzuholen, aufzubewahren und in einem Register aufzubewahren, das neben dem Staat für alle Personen oder Organisationen, die ein berechtigtes Interesse nachweisen können, zugänglich sein soll. Auch in einer Einpersonengesellschaft wird völlige Anonymität daher nicht legal umsetzbar sein. Natürlich schließt kein Gesetz aus, dass es trotz Belehrungen und Sanktionsnormen Strohleute und Treuhänder gibt, die ihre Hintermänner nicht offenlegen, obwohl sie dazu verpflichtet wären. Daran können aber weder Technologie noch notarielle Beratung etwas ändern.

Was bleibt also? Ein Plan, Konzernen Risikostreuung unter Verringerung von Gründungs- und Verwaltungskosten zu ermöglichen auf der einen Seite – und das Festhalten am Bewährten um jeden Preis auf der anderen. Angesichts der sich bereits ankündigenden Widerstände im Europäischen Parlament und der Beharrlichkeit insbesondere der Deutschen und Österreicher dürfte das Vorhaben ebenso wie vor ihm die Societas Privata Europaea wenig Erfolgschancen haben. Ein spektakuläres Projekt wäre die SUP aber wohl ohnehin nicht geworden.

Der Autor Prof. Dr. Michael Beurskens ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht an der Universität Bonn.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Michael Beurskens, Kritik an der Societas Unius Personae: Dramatisierung des Unspektakulären . In: Legal Tribune Online, 23.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19445/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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