Verbrechen dürfen sich nicht lohnen, Straftäter sollen die finanziellen Vorteile aus ihren Taten nicht behalten dürfen. Nach einem Regierungswechsel droht nun eine Ausweitung der Regeln der Vermögensabschöpfung, analysiert Frank Saliger.
Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 1. Juli 2017 die strafrechtliche Vermögensabschöpfung reformiert. Er hat bestehende Einziehungsinstrumente erweitert und neue Möglichkeiten der Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft geschaffen. So müssen Gerichte seit der Reform zwingend die Einziehung all dessen anordnen, was ein Tatbeteiligter durch oder für eine rechtswidrige Straftat erlangt hat (einfache Einziehung).
Zudem ist die selbständige Einziehung, also eine Einziehung unabhängig von einem Strafverfahren gegen einen Beschuldigten, erweitert worden u.a. auf Taterträge aus (selbst im Zeitpunkt der Reform) verjährten Straftaten. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die erweiterte Einziehung in Fällen eröffnet, in denen etwa bei einer Hausdurchsuchung wegen des Verdachts eines Uhrendiebstahls nicht nur drei Uhren, sondern auch 20 Fahrräder aufgefunden werden. Wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass auch die 20 Fahrräder aus Diebstählen stammen, muss die Einziehung erfolgen, selbst wenn die Diebstähle im Einzelnen nicht festgestellt werden können.
Schließlich hat der Gesetzgeber zur Verbesserung der Vermögensabschöpfung bei organisierter Kriminalität das neue Instrument der verurteilungsunabhängigen Einziehung geschaffen. Danach ist die Einziehung auch von Gegenständen wie höheren Bargeldbeträgen in Rucksäcken möglich, die bei Anfangsverdacht einer Katalogtat (z.B. Geldwäsche) aufgefunden werden, ohne dass die Gegenstände konkreten rechtswidrigen Herkunftstaten zugeordnet werden können. Gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass die aufgefundenen Gegenstände nur aus irgendwelchen rechtswidrigen Straftaten stammen können, so soll es die Einziehung anordnen, auch wenn der Betroffene weder wegen der Katalogtat noch wegen der Herkunftstat verurteilt werden kann.
Erfolge und Grenzen der 2017er Reform
Die Reform von 2017 hat die Vermögensabschöpfung als dritte Spur des strafrechtlichen Rechtsfolgesystems – neben Kriminalstrafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung – gestärkt. Die schiere Anzahl der Einziehungen ist sprunghaft gestiegen. Alle Bundesländer berichten von höheren Einziehungssummen, die entweder an die Opfer von Straftaten ausgekehrt werden oder an die Staatskasse fließen. Das allein hat die verpflichtende Anordnung der meisten Einziehungsarten durch den Gesetzgeber bewirkt. Außerdem sind Grundentscheidungen des Reformgesetzgebers wiederholt durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt worden.
Neben diesen Erfolgen zeigen sich allerdings auch Schwächen der Reform. So ist das neue Recht entgegen den Hoffnungen des Gesetzgebers nicht einfacher handhabbar geworden. Das belegt die Flut an Revisionsentscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH). Mit ihnen hat der BGH nicht nur zahlreiche, durch die Reform aufgeworfene Rechtsfragen geklärt. Die relativ hohe Zahl an erfolgreichen Revisionen zur Einziehung unterstreicht die nach wie vor signifikante Fehleranfälligkeit bei der Rechtsanwendung. Zudem scheint die Abschöpfung von Vermögen unklarer Herkunft an Grenzen zu stoßen.
Die Ausdehnung der erweiterten Einziehung auf alle Straftaten (all-crimes-Ansatz) erzielt nicht die gewünschte Wirkung. Wie im alten Recht findet das Institut Anwendung vor allem bei Drogendelikten und gelegentlich Diebstählen. Das überrascht nicht, weil nicht profitorientierte Straftaten selten auf die rechtswidrige Herkunft aufgefundener Vermögensgegenstände ausstrahlen. Auch die verurteilungsunabhängige Einziehung scheint im Bereich der organisierten (Clan-)Kriminalität nur bescheidene Erfolge zu erzielen. Offenbar erweist sich die Notwendigkeit der gerichtlichen Überzeugung von der strafrechtswidrigen Herkunft der aufgefundenen Vermögenswerte als strukturelle Bremse.
Neue Reformbestrebungen
Auf diesem Hintergrund ist in das nationale wie europäische Recht der Einziehung kriminalpolitisch wieder Bewegung gekommen. Im März 2024 hat eine von der Justizministerkonferenz eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe ( BLA) einen 567-Seiten starken Abschlussbericht zur Optimierung des Rechts der Vermögensabschöpfung vorgelegt. Nahezu parallel hat die EU im April 2024 die Richtlinie (EU-RL) 2024/1260 über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten beschlossen, die bis zum 23.11.2026 umzusetzen ist. Zuletzt ist die Fraktion der CDU/CSU im Dezember 2024 mit der Aufforderung an die Bundesregierung aufgefallen, dem Bundestag kurzfristig einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher die Empfehlungen der BLA aufgreift und die EU-RL umsetzt (BT-Ds. 20/14014).
Obschon die Reformwelle vor allem die Einziehung bei schwerer und organisierter Kriminalität stärken will, greifen die Vorschläge etwa der BLA darüber hinaus. So legt die EU-RL einen weiten Begriff des Tatertrages zugrunde, der alle wirtschaftlichen Vorteile umfasst, die direkt oder indirekt durch eine Straftat, einschließlich der spätere Reinvestition oder Umwandlung direkter Erträge, erlangt werden. Entsprechend will die BLA Folgesurrogate und diesbezüglichen Wertersatz (nebst Wertsteigerungen) bei der einfachen und erweiterten Einziehung erfassen. Zudem soll etwa der Straftatenkatalog der verurteilungsunabhängigen Einziehung um gewerbsmäßige Delikte und Korruptionsdelikte ausgedehnt werden.
Union will verurteilungsunabhängige Einziehung ausweiten
Am weitesten geht die Fraktion der CDU/CSU. Sie will die bisher auf Katalogtaten beschränkte und als Soll-Vorschrift ausgestaltete verurteilungsunabhängige Einziehung durch einen all-crimes-Ansatz in Form einer Kann-Vorschrift und eine Muss-Vorschrift bei den Katalogtaten ersetzen.
Diese Vorschläge offenbaren ein grundlegendes Regelungsproblem bei der Vermögensabschöpfung: Auf Basis der alleinigen Maxime, dass Straftaten sich nicht lohnen dürfen, erscheinen alle Vorschläge als effektuierende Lückenschließung und folglich konsequent. Begreift man dagegen wie der Gesetzgeber von 2017 die Vermögensabschöpfung als System abgestufter Eingriffe in Betroffenenrechte, so markiert die engere Ausgestaltung der weniger zielgenauen und insofern subsidiären Einziehungsinstrumente – erweiterte und verurteilungsunabhängige Einziehung – kein Lückenproblem, sondern gewährleistet die Zielgenauigkeit und Verhältnismäßigkeit der Einziehung.
Konsequent im Sinne der zweiten Perspektive enthält die EU-RL Garantien für von Einziehungsmaßnahmen betroffene Personen. Auch die BLA macht hier sinnvolle Reformvorschläge wie das Strafverteidigerprivileg bei der Dritteinziehung, Zahlungserleichterungen bei Vollziehung des Vermögensarrestes, Erweiterung der Beschwerdemöglichkeiten gegen vorläufige Einziehungsmaßnahmen sowie Absehen von der Wertersatzeinziehung im Jugendstrafrecht.
Vermögensabschöpfung außerhalb des Strafrechts mit Beweislastumkehr?
Als Tabu gilt den genannten Reformbestrebungen noch die Verankerung der Vermögensabschöpfung im Strafrecht und die Beweislastumkehr. Indes werden auch insoweit weitergehende Überlegungen angestellt. So wollte ein Referentenentwurf des BMF zu einem Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz vom April 2024 die Prüfung einer verurteilungsunabhängigen Einziehung bereits bei einem geldwäscheorientierten Risikoverdacht eröffnen.
Damit wäre der strafprozessuale Anfangsverdacht als Grundvoraussetzung für strafrechtliche Maßnahmen unterschritten worden, was als system- und verfassungswidrig abzulehnen ist. Denn dass ein Vermögensgegenstand über 100.000 Euro einer Person gehört, die in geografischen Risikogebieten ansässig ist, mag einen geldwäschebezogenen Risikoverdacht auslösen, nicht aber einen strafprozessualen Anfangsverdacht. Folgerichtig erscheint es insoweit, die Schaffung von Vermögensermittlungs- und Einziehungsmaßnahmen außerhalb des Strafrechts im Verwaltungsrecht mit Beweislastumkehr zu fordern, wie das die Fraktion der CDU/CSU im Juni 2024 getan hat (BT-Drucks. 20/11966).
Aber abgesehen davon, dass damit noch nicht verfassungsrechtliche Probleme etwa um die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Grundgesetz verschwinden: Man würde ein weiteres weniger zielgenaues Einziehungsinstrument schaffen, da kaum jemand mehr Kompetenz und Ermittlungsmöglichkeiten im Aufspüren, Beziffern und Einfrieren von Taterträgen aus allen Straftaten besitzt wie Staatsanwaltschaft und Strafgerichte.
Autor Prof. Dr. Frank Saliger ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Rechtsphilosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
In dem Text hat der Autor ein Thema aufgegriffen, dem er sich auch im Editorial der Zeitschrift "StV – Strafverteidiger", Heft 2, 2025, gewidmet hat. Die Zeitschrift wird wie LTO von Wolters Kluwer herausgegeben. Sie ist als Einzelausgabe hier und als Abo hier erhältlich.
Bestehende Regeln könnten verschärft werden: . In: Legal Tribune Online, 17.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56589 (abgerufen am: 17.03.2025 )
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