Ein höherer Grundfreibetrag und mehr Geld für Eltern: Die Regierung hat einiges versucht, um die kalte Progression abzufedern. Einige Ausgaben sind künftig nur noch bei unbarer Zahlung steuerlich absetzbar, erklärt Justin Dieterling.
Mit dem Bruch der Ampelkoalition war zunächst unklar, ob und welche Gesetzesinitiativen 2024 noch Einzug in die Steuergesetze finden würden. Nach dem Diskontinuitätsgrundsatz verfallen Gesetzgebungsverfahren, die der Bundestag nicht bis zum Ablauf der Legislaturperiode beschließt. Vom Bundestag beschlossene Gesetze, bei denen noch die Zustimmung des Bundesrates aussteht, können hingegen auch noch nach der Auflösung des Bundestages verabschiedet werden.
Dem Jahressteuergesetz (JStG) 2024 sowie dem Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 hat der Bundesrat noch im November zugestimmt. Im Dezember beschloss die Länderkammer auch das Steuerfortentwicklungsgesetz, das Regelungen zur Abmilderung der "kalten Progression" vorsieht. Dies ist eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. Auch wenn in den verabschiedeten Gesetzen nicht sämtliche ursprünglich geplanten Maßnahmen enthalten sind, konnten zumindest alle wichtigen steuerlichen Gesetzgebungsverfahren des Jahres 2024 noch abgeschlossen werden. Weitere steuerliche Änderungen sind erst nach der Bundestagswahl zu erwarten.
Steuerbescheide häufiger elektronisch
Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) soll helfen, die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens voranzutreiben und bürokratische Hürden abzubauen. So wurden beispielsweise die Regelungen zur elektronischen Bekanntgabe von Steuerbescheiden angepasst. Die Finanzverwaltung kann zukünftig Steuerbescheide in viel umfangreicherem Maß elektronisch bekannt geben. Ab 2026 soll dies auch ohne ausdrückliche Einwilligung des Empfängers möglich sein, es sei denn, der Steuerpflichtige widerspricht der elektronischen Bekanntgabe ausdrücklich. Die Neuerungen stehen unter dem Vorbehalt der technischen Umsetzung durch die Finanzverwaltung.
Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sind von zehn auf acht Jahre verkürzt worden. Gleiches gilt für die umsatzsteuerliche Frist zur Aufbewahrung von Rechnungen. Handelsbücher und Jahresabschlüsse hingegen müssen weiterhin zehn Jahre aufbewahrt werden. Geschäftsbriefe sind unverändert sechs Jahren aufzubewahren.
Anhebung des Grundfreibetrags sowie des Kindergeldes/Kinderfreibetrags
Zur Abmilderung der "kalten Progression" wurde der Grundfreibetrag für die Jahre 2024 bis 2026 angehoben. Die Anpassung für 2024 erfolgte noch im Dezember mit Rückwirkung für das gesamte Kalenderjahr. Ab 2025 zahlen Steuerpflichtige bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 12.096 Euro (bisher 11.784 Euro) keine Einkommensteuer. Für Verheiratete gilt der doppelte Grundfreibetrag von 24.192 Euro.
Der Grundfreibetrag wird sich ab 2026 auf 12.348 Euro und für Verheiratete auf 24.696 Euro erhöhen. Der Spitzensteuersatz in Höhe von 42 Prozent findet ab 2025 erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 68.430 Euro (für Verheiratete ab 136.860 Euro) Anwendung. Ab 2026 erhöht sich die Grenze des Spitzensteuersatzes dann auf 69.799 Euro bzw. 139.598 Euro.
Auch das Kindergeld wurde zum 1. Januar 2025 angehoben. Es beträgt nun monatlich 255 Euro je Kind (plus fünf Euro). Ab dem 1. Januar 2026 ist eine erneute Anhebung um vier Euro auf 259 Euro je Kind vorgesehen. Der Kinderfreibetrag steigt durch die Neuregelung zunächst um 60 Euro und dann noch einmal um 156 Euro. Der Kindersofortzuschlag für einkommensschwache Familien, die Anspruch auf Sozialleistungen haben, steigt 2025 um fünf Euro auf 25 Euro.
Kinderbetreuungskosten können in der Steuererklärung in größerem Umfang als bisher als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Zukünftig können 80 Prozent der Aufwendungen bis zu einem Höchstbetrag von 4.800 Euro angesetzt werden. Voraussetzung: Das angegebene Kind gehört zum Haushalt, hat das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet oder es ist vor dem 25. Lebensjahr eine Behinderung eingetreten.
Unterhalt und Pflege- und Betreuungskosten – nur noch bei Überweisung absetzbar
Zahlungen für den Unterhalt des Kindes an den Ex-Partner oder für pflegebedürftige Eltern können in der Regel in der Steuererklärung angesetzt werden. Das Jahressteuergesetz 2024 ermöglicht dies allerdings nur noch, wenn die Unterhaltszahlungen per Überweisung (unbar) bezahlt werden.
Auch Kosten, die bei der häuslichen Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Personen entstehen, können steuerlich berücksichtigt werden. Das ist ab 2025 nur noch dann möglich, wenn sowohl die Rechnung z. B. eines Pflegedienstes vorliegt als auch die Zahlung per Überweisung auf dessen Konto erfolgt.
Einführung der E-Rechnung
Bereits mit dem Wachstumschancengesetz wurde die Einführung der elektronischen Rechnung (E-Rechnung) beschlossen. Seit dem 1. Januar 2025 muss nun jedes Unternehmen in der Lage sein, E-Rechnungen (inklusive Gutschriften) anderer Unternehmen im Inland zu empfangen und zu verarbeiten. Für Leistungen an Privatpersonen bzw. Kunden, die keine Unternehmer sind, besteht zunächst keine E-Rechnungspflicht. Ausnahmen von der E-Rechnungspflicht gelten für Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro, Fahrausweise, bestimmte steuerfreie Leistungen sowie Ausgangsrechnungen von Kleinstunternehmen. Diese Rechnungen können weiterhin auf Papier oder als PDF-Datei versendet werden.
Bis zum 31. Dezember 2026 kann statt der E-Rechnung auch eine Papierrechnung oder – vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers – eine Rechnung in einem anderen elektronischen Format (z. B. PDF) ausgestellt werden. Im Jahr 2027 gilt dies nur noch, wenn der Gesamtumsatz des ausstellenden Unternehmers im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 Euro betragen hat. Bis zum 31. Dezember 2027 können zudem die sog. EDI-Verfahren weitergenutzt werden. Spätestens ab dem 1. Januar 2028 muss in allen Fällen auf den Versand von E-Rechnungen umgestellt sein.
Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen
Das Einkommensteuergesetz sieht für Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) eine Steuerbefreiung vor. Bislang galt es zu unterscheiden, welche PV-Anlage mit welcher Bruttonennleistung auf welchem Gebäude installiert worden ist. Durch das JStG 2024 ist die Steuerbefreiung gebäudeartenübergreifend von zum Teil 15 kW (peak) Bruttonennleistung auf 30 kW (peak) je Wohn- und Gewerbeeinheit erhöht worden. Werden mehrere PV-Anlagen durch einen Steuerpflichtigen oder eine Mitunternehmerschaft betrieben, ist eine Höchstgrenze von insgesamt 100 kW (peak) zu beachten. Die Neuerungen gelten einheitlich für alle PV-Anlagen mit Anschaffungsdatum ab 2025.
Kapitalerträge: Ende der besonderen Verlustverrechnungsbeschränkungen
Mit dem JStG 2024 sind im Bereich der Kapitalerträge die bislang bestehenden Verlustverrechnungsbeschränkungen für Termingeschäfte und Forderungsausfälle des Privatvermögens gestrichen worden. Die bisherige Regelung sah vor, dass Verluste aus Termingeschäften oder aus der Uneinbringlichkeit privater Kapitalforderungen jährlich nur bis zu einem Betrag von 20.000 Euro mit Gewinnen verrechnet werden konnten. Diese betragsmäßige Einschränkung ist aufgrund eines beim Bundesfinanzhof geführten Verfahrens nun aufgehoben worden und gilt für sämtliche Steuerveranlagungen, die nach den verfahrensrechtlichen Grundsätzen noch änderbar sind. Die gesonderten Verrechnungskreise für Aktienverluste oder sonstiger Verluste aus Kapitalvermögen sind hiervon nicht betroffen.
Wegzugsbesteuerung für Investmentanteile
Durch das JStG 2024 wurde erstmalig eine Wegzugsbesteuerung für Investmentanteile – insbesondere für Spezial-Investmentfonds und ETFs – eingeführt. Die Wegzugsbesteuerung wird ausgelöst, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den Wertsteigerungen der Investmentanteile eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. Dies ist regelmäßig der Fall bei Wegzug des Anteilseigners ins Ausland unter Aufgabe seines vollständigen Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland oder in Fällen der unentgeltlichen Übertragung von Investmentanteilen auf eine im Ausland lebende und in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person.
Die Wegzugsbesteuerung greift nur dann, wenn der Anleger in den vergangenen fünf Jahren zu mindestens ein Prozent an einer Investmentgesellschaft beteiligt war oder über ein Investitionsvolumen (Anschaffungskosten) je Fonds bzw. ETF von mindestens 500.000 Euro verfügt hat. Eine breite Streuung des Vermögens oder Diversifizierung des Depots kann die Wegzugsbesteuerung vermeiden, wenn die maßgebenden Schwellen hierbei nicht überschritten werden.
Niedrigerer Wert bei der Grundsteuer
Bei der Grundsteuer besteht ab sofort die Möglichkeit, den vom Finanzamt festgestellten Grundsteuerwert durch einen wesentlich niedrigeren Wert zu entkräften. Relevant kann dies für sämtliche Immobilieneigentümer sein, deren festgestellter Grundsteuerwert oberhalb des tatsächlichen Werts liegt. Von einem wesentlich niedrigeren Wert ist auszugehen, wenn der vom Finanzamt festgestellte Grundsteuerwert den nachgewiesenen niedrigeren Wert um mindestens 40 Prozent übersteigt. Als Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts kann beispielsweise ein Verkehrswertgutachten oder ein zustande gekommener Kaufpreis innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt herangezogen werden.
Grundstückszurechnung im Grunderwerbsteuerrecht
Die grunderwerbsteuerliche Zurechnung von Grundstücken war bislang äußerst komplex. Hintergrund war insbesondere die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die gerade in mehrstufigen Beteiligungs- und Konzernstrukturen teils zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten geführt hat. Durch das JStG 2024 ist nun erstmals eine explizite Regelung zur grunderwerbsteuerlichen Zurechnung von Grundbesitz eingeführt worden. Hiernach wird einer Gesellschaft ein Grundstück für grunderwerbsteuerliche Zwecke nur dann zugerechnet, wenn sie dieses selbst aufgrund eines bestimmten grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgangs (z. B. eines Kaufs) erworben hat. Eine doppelte Zurechnung desselben Grundstücks zu mehreren Gesellschaften, wie sie noch vor der Gesetzesänderung möglich war, scheidet hiernach zumindest im Regelfall aus.
Der Autor Justin Dieterling ist Steuerberater bei der dhpg in Bonn.
Steuerliche Änderungen für 2025: . In: Legal Tribune Online, 09.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56281 (abgerufen am: 12.02.2025 )
Infos zum Zitiervorschlag