Steuerberatungsgesellschaften, die in Deutschland tätig werden, müssen von einem geprüften Steuerberater geführt werden. Diese Regelung könnte EU-rechtswidrig sein. Ludmilla Maurer befürchtet die Umgehung der deutschen Prüfung.
Alle in Deutschland tätigen Steuerberatungsgesellschaften müssen von Steuerberatern verantwortlich geführt werden, um als solche anerkannt zu werden. Diese Anforderung gilt sowohl für hierzulande gegründete Gesellschaften als auch für solche, die in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz niedergelassen sind und in Deutschland tätig werden wollen.
Hat allerdings der Niederlassungsstaat der ausländischen Steuerberatungsgesellschaft den Beruf des Steuerberaters nicht reglementiert, darf das Unternehmen nur dann in Deutschland seine Dienstleistung anbieten, wenn seine Leitungsorgane auch in Deutschland als Steuerberater bestellt wurden, also eine deutsche Steuerberaterprüfung abgelegt haben. Die Befugnis, überhaupt an dieser Prüfung teilzunehmen, steht jedoch nur einem bestimmten Personenkreis mit der entsprechenden Berufsqualifikation zu.
Diese Regelung hält eine in den Niederlanden niedergelassene Steuerberatungsgesellschaft britischen Rechts für unvereinbar mit dem EU-Recht und klagte daher vor den deutschen Gerichten bis zum Bundesfinanzhof (BFH). Dieser hat die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt.
Der Generalanwalt hat in seinen Schlussanträgen von Donnerstag dafür plädiert, die deutsche Regelung für unvereinbar mit der Dienstleistungsfreiheit zu erklären. Sollte der EuGH sich dieser Auffassung anschließen, wären damit der Umgehung der deutschen Steuerberaterprüfung Tür und Tor geöffnet.
Steuerberatung über die Grenze hinweg
Die klagende Steuerberatungsgesellschaft ist in Deutschland nicht als solche anerkannt. Ihr Geschäftsführer, dessen Bestellung als Steuerberater in Deutschland widerrufen wurde, wohnt in Belgien, arbeitet aber teilweise von Deutschland aus. Da der Sachverhalt durch das erstinstanzliche Gericht nicht vollständig ermittelt wurde, hat der Gerichtshof für die weitere Prüfung angenommen, dass die Beratung in steuerlichen Angelegenheiten über die Grenze hinweg an in Deutschland ansässige Mandanten erfolgt ist. Die als Bevollmächtigte auftretende Gesellschaft wurde von einem deutschen Finanzamt als solche zurückgewiesen, weil sie nicht die Anforderungen erfüllte, Steuerberatung in Deutschland anzubieten. Hiergegen ging das Unternehmen gerichtlich vor.
Die klagende Gesellschaft ist der Ansicht, dass es einem Dienstleister, der in einem Mitgliedstaat über die Berechtigung verfügt, steuerberatend tätig zu sein, nicht untersagt werden könne, seine Dienstleistungen von diesem Mitgliedstaat aus – ohne die Grenze physisch zu überschreiten – Wirtschaftsteilnehmern zu erbringen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig seien.
Während das Finanzgericht die Auffassung des Finanzamts bestätigte, hat der für die Revision zuständige BFH die Frage der Vereinbarkeit der deutschen Vorschriften mit dem EU-Recht dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt (Beschl. v. 20.05.2014, Az. II R 44/12).
2/2: Generalanwalt: Deutsche Regelung unverhältnismäßig
In seinen Schlussanträgen vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass die entsprechende deutsche Regelung die in Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährte Dienstleistungsfreiheit verletzen würde (C-342/14). Die deutsche Regelung sei unverhältnismäßig.
Zwar stimmt er dem BFH zu, dass das Regelungsziel der deutschen Regelung, Verbraucher vor fehlerhafter Beratung und ihren – u. a. strafrechtlichen – Folgen zu schützen, im Allgemeininteresse liegt. Auch sei sie geeignet, dessen Erreichung zu gewährleisten. Sie gehe jedoch über das hinaus, was für das verfolgte Ziel erforderlich sei.
Als Beleg hierfür zieht er einen Vergleich innerhalb des deutschen Rechts herbei. § 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zähle eine große Zahl von Personen auf, die zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind, obwohl sie nicht den strengen Anforderungen an die Berufsqualifikation unterliegen. Hingegen sehe das StBerG für Steuerberatungsgesellschaften keine Möglichkeit vor, die Kenntnisse und Berufserfahrung der Personen, die sie leiten oder verwalten, oder ihrer Mitarbeiter zu berücksichtigen. Demnach sei der behauptete Verbraucherschutz nicht systematisch und in sich schlüssig.
Der Umgehung würde Tür und Tor geöffnet
Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend. § 4 StBerG erteilt bestimmten dort aufgeführten Personen zwar die Befugnis zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen, grenzt aber genau ein, welche Befugnisse die jeweilige Personengruppe überhaupt hat. Damit stellt die Regelung sicher, dass die Berater nur in den Themenbereichen tätig sind, in denen sie die nötige Kompetenz haben.
Eine Steuerberatungsgesellschaft hingegen erhält per Gesetz immer eine umfassende Befugnis zur Steuerberatung. Sie ist genauso wie der geprüfte Steuerberater berechtigt, ihre Auftraggeber in Steuersachen einschließlich Steuerstraf- und Bußgeldsachen zu beraten und zu vertreten.
Insbesondere dürfen sie ihren Mandanten helfen, ihre Steuerangelegenheiten zu bearbeiten und ihre steuerlichen Pflichten, einschließlich Buchführungspflichten zu erfüllen, sowie diese steuerrechtlich zu beurteilen.
Da die Befugnis einer Gesellschaft identisch mit der eines geprüften Steuerberaters ist, stellt das Gesetz hier denklogisch dieselben Anforderungen an die leitenden Personen der Gesellschaft. Nur umfassend geprüfte Steuerberater sollen auch umfassend tätig werden können. Die Befugnis, die eine Steuerberatungsgesellschaft erhält, ist damit nicht mit einer nach § 4 StBerG erteilten zu vergleichen. Die Differenzierung zwischen den Befugnissen beruht auf dem Gedanken des Verbraucherschutzes und ist hierzu auch erforderlich.
Sollte der EuGH der Auffassung des Generalanwalts folgen, würde den Personen, welche die Anforderungen an die Berufsausübung als Steuerberater nicht erfüllen, Tür und Tor geöffnet, die strengen Anforderungen des deutschen Rechts durch Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft zu umgehen.
Ludmilla Maurer, MIntTax, ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei Baker & McKenzie im Bereich Steuerrecht.
Ludmilla Maurer, EuGH-Generalanwalt zu Steuerberatungsgesellschaften: Die deutsche Prüfung umgehen? . In: Legal Tribune Online, 03.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17091/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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