Mitteilungspflicht für Steuergestaltungen: Ein Regie­rungs­ent­wurf und viele offene Fragen

Gastbeitrag von Jörg Schrade und Martin Mohr

28.10.2019

Grenzüberschreitende Steuergestaltungen müssen zukünftig den Finanzbehörden mitgeteilt werden – auch dann, wenn sie an sich nach aktueller Gesetzeslage zulässig sind. Was auf Unternehmen zukommt, erläutern Jörg Schrade und Martin Mohr.

Die Bundesregierung hat am 9. Oktober einen Gesetzesentwurf zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen veröffentlicht. Hintergrund ist die EU-Richtlinie zur Meldepflicht für grenzüberschreitende Gestaltungen (DAC 6), die am 25. Juni 2018 in Kraft getreten ist und von den EU-Mitgliedstaaten bis Ende des Jahres in nationales Recht umgesetzt werden muss. Vorreiter bei der Umsetzung sind Polen, Österreich, Ungarn, Slowenien, Slowakei und Litauen. Der deutsche Gesetzgeber will die EU-Richtlinie nahezu wortgleich umsetzen.

Weltweit tätige Unternehmen können durch eine geschickte Verknüpfung unterschiedlicher Rechtsordnungen ihre Steuerbelastung beträchtlich senken. Diese Praktiken sind teils legal und nutzen gesetzliche Schlupflöcher. Zum Teil ist ihre Vereinbarkeit mit dem Gesetz fraglich. Vor diesem Hintergrund hat der europäische Gesetzgeber sogenannte Intermediäre und Steuerpflichtige verpflichtet, "potenziell aggressive grenzüberschreitende Steuergestaltungen" den jeweiligen nationalen Finanzbehörden mitzuteilen. So soll zeitnah gegen schädliche Steuerpraktiken vorgegangen und Schlupflöcher geschlossen werden.

DAC 6 soll in erster Linie durch zusätzliche neue Vorschriften in der deutschen Abgabenordnung umgesetzt werden. Problematisch an diesen Vorschriften und den Vorgaben der DAC 6 ist, dass sie durch bewusst weitgefasste Bestimmungen eine Vielzahl von Konstellationen und Personen betreffen und in die Pflicht nehmen.

Steuergestaltung – keine einfache Definition

Mitteilungspflichtig sind grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die bestimmte Kennzeichen erfüllen. Der Begriff der Steuergestaltung soll weit verstanden werden. Die Kennzeichen, die mitteilungspflichtige Steuergestaltungen konkretisieren, werden katalogartig im Gesetz wiedergegeben und sind teils unbestimmt. In einigen Fällen ist es erforderlich, dass die Gestaltung konkret die Erlangung eines Steuervorteils anstrebt. In anderen Konstellationen sind die Gestaltungsmodelle auch ohne Erlangung eines Steuervorteils mitteilungspflichtig. Erfasst werden grundsätzlich alle Steuerarten, außer der Umsatzsteuer, harmonisierten Verbrauchssteuern sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben.

Mittelungspflichtig ist vorrangig der Intermediär und nachrangig der Steuerpflichtige selbst. Der Begriff des Intermediärs setzt keine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe voraus. Intermediär ist derjenige, der eine grenzüberschreitende Steuergestaltung konzipiert, vermarktet, organisiert, zur Nutzung bereitstellt oder die Umsetzung einer solchen Steuergestaltung verwaltet. Wer nur bei der Verwirklichung einzelner Teilschritte einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung mitgewirkt hat, ohne dies zu wissen und ohne dies vernünftigerweise erkennen zu müssen, gilt nicht als Intermediär. Intermediäre können beispielsweise Angehörige der steuerberatenden Berufe und Rechtsanwälte, aber auch Finanzdienstleister, Vermögensverwalter, Family Offices oder sonstige Berater sein.

Soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht, etwa für Rechtsanwälte und Steuerberater, besteht, kann der Intermediär teilweise von der Mitteilungspflicht befreit werden und für bestimmte nutzerbezogene Informationen geht die Mitteilungspflicht dann auf den Nutzer über. Für den Fall, dass kein Intermediär existiert, ist der Steuerpflichtige selbst in vollem Umfang mitteilungspflichtig. Das gilt zum Beispiel bei Inhouse-Gestaltungen.

Mitteilung erfolgt elektronisch

Mitteilungen müssen dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) per amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelt werden. Der Datensatz beinhaltet neben abstrakten Angaben zur Steuergestaltung auch individuelle Angaben zum Nutzer und zu den sonstigen betroffenen Personen. Das BZSt arbeitet bereits daran, die technischen Voraussetzungen rechtzeitig bis zum Anwendungsstart am 1. Juli 2020 zu schaffen. Zudem entwickelt es Lösungen, um Mitteilungen zu kategorisieren. Ob eine Mitteilung unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Englisch erfolgen kann, wie dies bspw. in Österreich möglich ist, wird noch diskutiert.

Der Nutzer ist verpflichtet, eine verwirklichte grenzüberschreitende Steuergestaltung in seiner Steuererklärung anzugeben. Hierzu genügt es, die bei der Mitteilung erhaltene Registrier- und Offenlegungsnummer anzugeben.

Weiter muss eine Steuergestaltung innerhalb von 30 Tagen nach dem Tag der Bereitstellung der Gestaltung oder dem Tag ihrer ersten Umsetzungsmöglichkeit oder dem Tag der Umsetzung der Gestaltung mitgeteilt werden – je nachdem, was früher eintritt.

Bei Verstößen drohen Bußgelder

Erfolgt eine vorgesehene Mitteilung nicht, falsch, unvollständig oder zu spät, drohen für jeden einzelnen Verstoß Geldbußen von bis zu 25.000 Euro. In anderen EU-Mitgliedstaaten können teils erheblich schärfere Sanktionen verhängt werden.

Die Mitteilung einer Steuergestaltung schützt lediglich vor Bußgeldern. Darüber hinaus hat sie keine weitergehende rechtliche Bedeutung. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass keine Schlüsse auf die rechtliche Zulässigkeit einer Steuergestaltung gezogen werden können, nur weil die Finanzbehörde auf die Mitteilung nicht reagiert hat.

Beobachter des Gesetzgebungsverfahrens hatten zunächst gehofft, dass die Bundesregierung bei der Umsetzung von DAC 6 pointiertere und anwenderfreundlichere Regelungen aufstellt, als es die Richtlinie selbst tut. Dazu ist es nicht gekommen. Allerdings ist der Umsetzungsspielraum begrenzt und lässt dem nationalen Gesetzgeber kaum Raum für Abweichungen. Klarheit und Orientierung für die Praxis werden erst ein geplantes Erläuterungsschreiben der Finanzverwaltung sowie zu erhoffende Auslegungshilfen der EU-Kommission bringen.

Spannend bleibt darüber hinaus, wie mit bereits aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken umgegangen wird. Diskutiert wird hier vor allem die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz. Unternehmen und Bürger müssen grundsätzlich anhand des Wortlautes der Regelungen verlässlich nachvollziehen können, ob und inwieweit sie vom Eingriffsrecht "Meldepflicht" betroffen sind.

Entgegen vorheriger interner Überlegungen der Finanzverwaltung sieht das DAC 6-Umsetzungsgesetz keine zusätzliche Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen vor. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die von der Finanzministerkonferenz im Juni 2018 beschlossene Mitteilungspflicht für innerstaatliche Gestaltungen im Rahmen anderer zukünftiger Gesetzesvorhaben wieder aufgegriffen wird.

Unternehmen sollten sich jetzt schon vorbereiten

Wirtschaft und Finanzverwaltung jedenfalls müssen so oder so mit erheblichen Mehrbelastungen rechnen. Auf Unternehmen kommen, neben der laufenden Abwicklung, hohe Einmalkosten zu. Sie müssen – als Teil eines funktionierenden Compliance-Systems – effiziente interne Prozesse aufbauen, um mitteilungspflichtige Gestaltungen zu identifizieren, zu analysieren und zu dokumentieren. Das setzt voraus, dass sie klare Verantwortlichkeiten und Reporting-Strukturen festlegen. Der richtige Detailgrad der erforderlichen Anpassungen bestimmt sich individuell nach der Anzahl der erwarteten Mitteilungen sowie der technischen Ausgestaltung des vorhandenen Compliance-Systems. Eine Herausforderung wird nicht nur der Mitteilungsprozess selbst, sondern auch die nachvollziehbare Dokumentation, wieso bestimmte Sachverhalte nicht mitgeteilt wurden.

Anspruchsvoll ist schon heute die vorgesehene Pflicht, innerhalb von zwei Monaten nach dem 30. Juni 2020, also bis zum 31. August 2020, rückwirkend Gestaltungen der letzten zwei Jahre mitzuteilen. Mitteilungspflichtige sollten bereits jetzt entsprechende Vorkehrungen treffen und vor allem seit dem 25. Juni 2018 umgesetzte grenzüberschreitende Steuergestaltungen dokumentieren. Eine gute Nachricht zum Schluss: In Bezug auf diese vergangenheitsbezogenen Meldungen sollen keine Bußgelder festgesetzt werden können.

Jörg Schrade ist Partner und Steuerberater, Dr. Martin Mohr ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei der Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland.

Zitiervorschlag

Mitteilungspflicht für Steuergestaltungen: Ein Regierungsentwurf und viele offene Fragen . In: Legal Tribune Online, 28.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38409/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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