Sterbehilfe in Deutschland: Ein einsamer Ausstieg

von Dr. Julia Bargenda

15.01.2014

2/2: Angehörige können sich als Garanten auch durch Unterlassen strafbar machen

Spätestens aber ab dem Punkt, an dem sich der Sterbewillige entschließt, sein Vorhaben umzusetzen, sind Angehörige und Freunde gut beraten, ihn alleine zu lassen. Ein begleiteter Suizid ist in Deutschland wegen der Rechtslage nämlich kaum möglich.

Hat der Sterbewillige den Tötungsvorgang voll verantwortlich selbst ins Laufen gebracht, kann ein Außenstehender verpflichtet sein, einzugreifen. Tut er dies nicht, kann er sich wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c Strafgesetzbuch (StGB) oder einer Tötung durch Unterlassen strafbar machen. Das StGB setzt in § 13 Abs. 1 das Unterlassen einem Handeln gleich, wenn man als Garant rechtlich dafür einzustehen hat, dass der tatbestandsmäßige Erfolg, hier also der Tod eines Menschen, nicht eintritt. Diese Einstandspflicht besteht, wenn man in einem besonderen Näheverhältnis zu dem Sterbewilligen steht. Bei der Familie folgt diese Garantenstellung schon aus dem Gesetz. Der Todkranke, der nicht alleine Sterben will, wird sich aber gerade wünschen von Personen begleitet zu werden, die ihm nahe stehen.

Ist der Zeitpunkt erreicht, in dem der Sterbewillige das Geschehen selbst nicht mehr beeinflussen kann (beispielsweise weil er ohnmächtig geworden ist, und daher von seinem Entschluss nicht mehr zurücktreten kann), erlangt der Garant die sogenannte Tatherrschaft. Der Eintritt des Todes hängt nun allein von ihm ab.

Nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten vereinbar

An dieser Stelle beißt sich die Katze sprichwörtlich in den Schwanz. Wer nämlich über diesen Moment hinaus anwesend bleibt, und nichts unternimmt, um den Eintritt des Todes zu verhindern, sieht sich der Gefahr ausgesetzt, wegen Totschlags durch Unterlassen angeklagt zu werden. Man darf also einem Sterbewilligen ein letal wirkendes Medikament geben, muss aber sofort, nachdem dieser das Mittel genommen hat, den Krankenwagen rufen.

Eine nahestehende Person zu bitten, einen beim Sterben nicht alleine zu lassen, wird einem Suizidenten angesichts dieser Folgen daher doppelt schwer gemacht. Zwar wird durchaus darüber diskutiert, ob nicht der freie Wille des Suizidenten den Garanten aus seiner besonderen Beschützerstellung entlassen sollte, weil es nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten vereinbar ist, der Garantenpflicht gegenüber dem Sterbewunsch Vorrang einzuräumen. Doch dies ist nicht unbedingt die Meinung der Rechtsprechung. Der Angehörige muss daher nicht nur den Tod eines geliebten Menschen verarbeiten, sondern sollte sich direkt um einen Strafverteidiger bemühen.

Wer sich also in Deutschland sterben, aber gleichzeitig die rechtlichen Interessen seiner Familie schützen will, muss sich alleine das Leben nehmen. Eine Legalisierung der Sterbehilfe in Deutschland würde Sterbewilligen die Möglichkeit bieten, dies nicht tun zu müssen.

Die Autorin Dr. Julia Bargenda arbeitet als Verwaltungsjuristin. Sie begleitete 2013 ihre Schwiegermutter in den Tod, die sich nach langer schwerer Krankheit mit Hilfe der Sterbehilfeorganisation "Dignitas" in der Schweiz das Leben nahm.

Zitiervorschlag

Dr. Julia Bargenda, Sterbehilfe in Deutschland: Ein einsamer Ausstieg . In: Legal Tribune Online, 15.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10667/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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